Juli 2003 |
030701 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Europäische Parlament hat am 2. Juli 2003 in Straßburg die EU-Richtlinie für den Handel mit Emissionszertifikaten in zweiter Lesung verabschiedet. Damit wird ab 2005 in der EU der Handel mit Emissionsberechtigungen für Treibhausgase eingeführt. Die jetzige Fassung der Richtlinie entspricht der Einigung, die am 24. Juni mit dem Rat erzielt wurde (030602). Der EU-Ministerrat hat das Ergebnis am 22. Juli förmlich bestätigt. Mit der Veröffentlichung der Richtlinie im Amtsblatt der EU und ihrem Inkrafttreten ist bis Oktober zu rechnen. In Verbindung mit der Neuregelung legte die EU-Kommission am 23. Juli den Entwurf einer weiteren Richtlinie vor, die es Unternehmen ermöglichen soll, sich auch emissionsmindernde Maßnahmen außerhalb der EU auf ihrem "Emissionskonto" gutschreiben zu lassen (siehe 030702).
Die jetzt verabschiedete Richtlinie folgt weitgehend der Fassung des Gemeinsamen Standpunktes des Rat der Europäischen Union vom 18. März 2003. Das Parlament änderte neben sechs der "Erwägungen", die der Richtlinie vorangestellt sind, neun Passagen im Text der Richtlinie sowie den Text des Anhangs 3. So können nun auch im ersten Zeitraum von 2005 bis 2008 bis zu fünf Prozent der Zertifikate versteigert werden (Artikel 10). Das Recht der Kommission, die in Anhang 3 genannten elf Kriterien für die nationalen Zuteilungspläne für den zweiten Zeitraum von 2008 bis 2012 zu ändern, wurde auf acht Kriterien eingeschränkt (Artikel 22). Die pauschale Befreiung ganzer Industriebereiche bzw. "Tätigkeiten" wurde vom Parlament gestrichen, doch bleibt ein solches "Opt-out" für einzelne Anlagen im Rahmen nationaler Lösungen möglich (Artikel 27). Zur Themenpalette des Berichts, den die Kommission gemäß Artikel 30 bis zum 30. Juni 2006 vorlegen muß, wird nun neben einer Erweiterung der in Anhang 4 aufgeführten Liste der Treibhausgase auch die Einbeziehung weiterer Wirtschaftsbereiche wie Chemie, Aluminium und Verkehr gehören. Die Gesamtzahl der nach Anhang 3 zuzuteilenden Zertifikate darf nicht höher sein, als es die strikte Anwendung der in dieser Anlage genannten Kriterien erfordert, und muß bis 2008 so groß sein, "daß sie mit einem Weg zur Erreichung oder Übererfüllung der Zielvorgaben jedes Mitgliedsstaats gemäß der Entscheidung 2002/358/EG und dem Kyoto-Protokoll vereinbar ist." Für die Vergabe zusätzlicher Zertifikate in Fällen "höherer Gewalt" werden von der Kommission bis spätestens Ende 2003 Leitlinien aufgestellt (Artikel 29).
Die Mitgliedsstaaten müssen sicherstellen, daß ab 2005 die in Anhang 1 genannten Industriebereiche mit entsprechenden Emissionsgenehmigungen ausgestattet sind (Artikel 4). Nur auf besonderen Antrag und höchstens bis Ende 2007 können einzelne Anlagen davon ausgenommen werden. Ein vorübergehender Ausschluß von Anlagen ist ferner möglich, wenn es nach Feststellung der Kommission auf nationaler Ebene gleichwertige Lösungen gibt, die hinsichtlich der Überwachungs-, Berichterstattungs- und Prüfungsanforderungen sowie der Sanktionsmöglichkeiten der EU-Richtlinie entsprechen und dieselbe Emissionsminderung bewirken (Artikel 27).
Die behördlichen Zertifikate werden nur erteilt, wenn der Anlagenbetreiber in der Lage ist, die Emissionen zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten (Artikel 6). Die Mitgliedsstaaten stellen für den Dreijahreszeitraum ab 2005 sowie für die Fünfjahreszeiträume ab 2008 nationale Pläne auf, aus denen hervorgeht, wie viele Zertifikate sie insgesamt für jeden Zeitraum ausgeben und wie sie diese zuteilen wollen. Der erste Zuteilungsplan muß spätestens am 31. März 2004 veröffentlicht und der Kommission übermittelt werden (Artikel 9). Laut Anhang 3 Nr. 7 kann dieser nationale Allokationsplan Vorleistungen wie die in Deutschland getroffene Klimaschutzvereinbarung berücksichtigen.
Die Erstausgabe der Zertifikate für den Dreijahreszeitraum ab 2005 erfolgt zu mindestens 95 Prozent kostenlos. Für den Fünfjahreszeitraum ab 2008 werden mindestens 90 Prozent der Zertifikate kostenlos zugeteilt (Artikel 10). Die Zertifikate gelten nur für den jeweiligen Zeitraum (Artikel 13). Bis spätestens 30. April jeden Jahres müssen die Anlagenbetreiber so viele Zertifikate an die Behörde zurückgeben und löschen lassen, wie den überprüften Gesamtemissionen ihrer Anlage im Vorjahr entspricht (Artikel 12). Betreiber, die gegen diese Verpflichtung verstoßen, werden namentlich an den Pranger gestellt und pro Tonne Kohlendioxid mit einer Geldbuße von zunächst 40 Euro belegt, die sich ab 2008 auf 100 Euro erhöht (Artikel 16).
Für die Durchführung der Richtlinie sind entsprechende Behörden zu errichten (Artikel 18). Über Vergabe, Besitz, Übertragung und Löschung der Zertifikate sind öffentliche zugängliche Register zu führen. Inhaber der Zertifikate kann jede Person sein (Artikel 19). Die nationalen Register werden durch einen Zentralverwalter überwacht (Artikel 20).
Die Mitgliedsstaaten haben der Kommission jedes Jahr einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie vorzulegen (Artikel 21). Ab 2008 können die Mitgliedsstaaten die laut Anhang 1 genehmigungspflichtigen Industriebereiche um neue Sektoren erweitern sowie die in Anhang 2 Emissionszertifikatehandel einbeziehen und die Liste der in Anhang 2 genannten Treibhausgase erweitern, sofern die Kommission zustimmt (Artikel 24).