Juni 2002 |
020603 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das von der EU-Kommission vorgelegte Konzept für einen Handel mit Emissionszertifikaten, das die deutsche Energiewirtschaft entschieden ablehnt (020204), wird innerhalb der Bundesregierung von Wirtschaftsministerium und Umweltministerium unterschiedlich beurteilt. Laut "Handelsblatt" (25.6.) wächst deshalb in Brüssel die Verärgerung über die "gespaltene Haltung" der Bundesregierung in dieser Frage. "Deutschland spricht nicht mit einer Stimme", habe ein Brüsseler Diplomat geklagt.
Die Bundesregierung sei von der massiven Lobbyarbeit der Wirtschaftsverbände nicht unbeeindruckt geblieben: Während der formal zuständige Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) die Linie von EU-Umweltkommissarin Margot Wallström unterstütze, torpediere Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) die Brüsseler Verhandlungen. In einem Schreiben an den Chef des Kanzleramtes, Frank-Walter Steinmeier, habe Müller die Klimaschutzpolitik der EU eindeutig abgelehnt. Er habe ferner die Ansicht vertreten, daß ein derartiger Eingriff in die Energiehoheit der Mitgliedsstaaten einen einstimmigen Beschluß im Ministerrat voraussetze. Trittin vertritt dagegen mit Margot Wallström die Auffassung, daß eine qualifizierte Mehrheit ausreichend sei, zumal auch die Zustimmung der EU-Umweltminister zur Lastenverteilung bei der Emissionsminderung entsprechend dem Kyoto-Protokoll (020302) mit qualifizierter Mehrheit erfolgte.
Bei einem Symposion des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall am 22. Mai hatte auch Bundeskanzler Gerhard Schröder den Richtlinienentwurf der EU-Kommission kritisiert und verlangt, daß bereits erbrachte Vorleistungen beim Klimaschutz angerechnet werden. Der Handel mit Emissionen dürfe die Leistungsfähigkeit Deutschlands im internationalen Wettbewerb nicht beeinträchtigen. In der vorliegenden Form begünstige er die USA, die das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet haben (010303).
Der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, hatte dagegen in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen" (12.4.) die deutsche Wirtschaft kritisiert und ihr eine "unhygienische Argumentation" vorgeworfen: Sie plädiere nur für flexible Instrument, solange sie noch fern seien, zucke aber zurück, sobald es konkret werde. Die von der deutschen Wirtschaft bereits erbrachten Vorleistungen ließen sich leicht berücksichtigen, indem man beispielsweise das Jahr 1990 als Basis zur Berechnung der Emissionen wähle. Dann erhielten die deutschen Unternehmen sogar mehr Emissionsrechte, als sie bräuchten, so daß sie diese verkaufen könnten.