Oktober 2000

001001

ENERGIE-CHRONIK


"Stromeinspeisungsgesetz mit freiem Warenverkehr nicht vereinbar"

Das Stromeinspeisungsgesetz ist mit dem Recht der Europäischen Union wahrscheinlich nicht vereinbar. Es stellt zwar wohl keine verbotene Beihilfe dar, verstößt aber möglicherweise gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs. Dies ergibt sich aus den Schlußanträgen des Generalanwalts F. G. Jacobs in einem Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof, den die ehemalige PreussenElektra und ihre Tochter Schleswag angestrengt hatten.

Die Klage war 1998 vom Landgericht Kiel dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt worden. Sie bezieht sich auf das 1991 in Kraft getretene Stromeinspeisungsgesetz, das im Zuge der Energierechtsreform (980401) eine neugefaßte "Härteklausel" bekam (971102) und es damit der Schleswag ermöglichte, die fünf Prozent übersteigende Mehrbelastung auf PreussenElektra als vorgelagerten Netzbetreiber abzuwälzen. Die PreussenElektra hatte daraufhin ihre beiden Töchter Schleswag und EWE auf Rückzahlung der Windstrom-Mehrkosten verklagt. Am 1. April 2000 wurde das Stromeinspeisungsgesetz vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (000201) abgelöst. Sinngemäß gelten die Ausführungen des Generalanwalts aber genauso für die Nachfolgeregelung. Die Generalanwälte - deren Aufgabe nicht mit derjenigen eines Staatsanwalts verwechselt werden darf - unterstützen die Richter bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Ihre Schlußanträge sind für den Gerichtshof nicht bindend, doch pflegt er ihnen in aller Regel zu folgen.

Wie der Europäische Gerichtshof am 26.10. mitteilte, vertritt der Generalanwalt die Ansicht, dass das Stromeinspeisungsgesetz als im Prinzip verbotene Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung anzusehen sei. Denn das Stromeinspeisungsgesetz beschränke die Abnahmepflicht ausdrücklich auf Deutschland. Dies begünstige den Absatz von inländischem Strom zu Lasten von importiertem Strom. Auch eine Rechtfertigung dieser Praxis aus Gründen des Umweltschutzes komme kaum in Betracht.

Dagegen teilt der Generalanwalt nicht die Auffassung der EU-Kommission, dass das Stromeinspeisungsgesetz eine gemeinschaftsrechtlich verbotene staatliche Beihilfe darstelle. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs könnten als staatliche Beihilfen im Sinne des EG-Vertrags nur solche Vorteile angesehen werden, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Die Vorteile für die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien würden aber von den Energieversorgern bzw. deren Kunden und damit aus privaten Mitteln finanziert.

Die deutschen Stromversorger versuchen seit langem, die Zwangssubventionierung von Strom aus erneuerbaren Energien zu Lasten der Energieversorger und ihrer Kunden mit juristischen Mitteln zu Fall zu bringen. Ein entsprechender Musterprozeß des früheren Badenwerks blieb allerdings vor dem Landgericht Karlsruhe erfolglos (960507) und wurde nicht weiter betrieben (970216). Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs sah 1996 ebenfalls keinen Grund zur Beanstandung des Stromeinspeisungsgesetzes (961005). Die seit 1998 geltende Neufassung des Gesetzes veranlaßte sowohl die frühere PreussenElektra (980511) als auch die ostdeutsche Veag (980830) zur Einreichung von Klagen beim Bundesverfassungsgericht, über die noch nicht entschieden ist. Unterstützung erhielten die Stromversorger unterdessen von der Europäischen Kommission, die sowohl das alte Stromeinspeisungsgesetz (960202 u. 990738) als auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (000404) als unzulässige Beihilfe verdächtigte. Mit den Schlußanträgen des Generalanwalts vor dem Europäischen Gerichtshof rückt dagegen die Frage in den Vordergrund, ob derartige Regelungen mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs vereinbar sind.

Falls der Gerichtshof der Meinung des Generalanwalts folgt, wird die Bundesregierung laut Süddeutsche Zeitung (28.10.) dafür sorgen müssen, "dass auch grüner Strom aus anderen Ländern zu denselben Konditionen ins deutsche Netz fließen kann wie der hier produzierte. Die spannende Frage wird dann sein, wie viele Windräder Holländer, Dänen und Schweden bauen werden, weil in Deutschland hohe Vergütungen locken, die sich dann natürlich auf das deutsche Preisniveau auswirken werden."

VDEW erwartet klare Rahmenbedingungen

Die Stromversorger erwarten vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Stromeinspeisungsgesetz endlich rechtliche Klarheit über die staatliche Förderung erneuerbarer Energien. Diese Rechtssicherheit sei für die Stromversorger ebenso nötig wie für die privaten Einspeiser und für die Verbraucher, die als Stromkunden Milliarden Subventionen zahlen, erklärte Eberhard Meller, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), in einer ersten Stellungnahme. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz belaste die deutschen Stromrechnungen heute mit jährlich rund 2,5 Milliarden (Mrd.) DM. Bis 2005 werde dieser Betrag auf vier und bis 2010 auf sechs Mrd. DM steigen. "Diese Subventionen sollten nicht allein den Stromkunden aufgebürdet, sondern aus dem Steueraufkommen finanziert werden", forderte Meller. Außerdem müsse das Förderkonzept für erneuerbare Energien deren ökonomische und ökologische Effizienz stärker berücksichtigen.