Oktober 1996

961005

ENERGIE-CHRONIK


BGH rechtfertigt Stromeinspeisungsgesetz mit monopolistischer Struktur der Stromwirtschaft

Zum Rechtsstreit um das Stromeinspeisungsgesetz (siehe 950501, 950901, 960101) hat am 22.10. auch der Bundesgerichtshof mit einem Urteil beigetragen: Es betrifft den Betreiber von zwei Wasserkraftwerken im Schwarzwald, der vom regionalen Stromversorger eine Nachzahlung für seine Stromeinspeisungen in den Jahren 1991 bis 1993 verlangt hat, weil die im Stromeinspeisungsgesetz vorgesehene Vergütung höher ist als der ursprünglich vereinbarte Abnahmepreis. Der Stromversorger hatte demgegenüber die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bezweifelt und geltend gemacht, daß die gesetzliche Mindestvergütung weit über einem wirtschaftlich angemessenen Abnahmepreis liege. Der Gesetzgeber bezwecke damit eine Subventionierung der erneuerbaren Energien, die er nicht den Energieversorgungsunternehmen aufbürden dürfe.

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs gab der Klage des Wasserkraftwerksbetreibers statt. Er ist der Ansicht, daß das Stromeinspeisungsgesetz nicht gegen die Verfassungs verstößt. Der Gesetzgeber sei vielmehr berechtigt gewesen, den Energieversorgungsunternehmen die Pflichten aus dem Stromeinspeisungsgesetz aufzuerlegen, zumal die finanzielle Belastung verhältnismäßig gering sei und das Gesetz eine Härteklausel enthalte. Die Stromunternehmen hätten in ihren Versorgungsgebieten jeweils eine monopolartige Stellung. Sie trügen deshalb eine besondere Verantwortung dafür, daß bei der Energieversorgung auf das Erfordernis der Ressourcenschonung und die Belange des Klima- und Umweltschutzes Rücksicht genommen werde (AZ: KZR 19/95).

Noch keine höchstinstanzliche Entscheidung zu den drei Musterprozessen

Die jetzige Entscheidung des Bundesgerichtshofs betrifft keinen der drei Musterprozesse, die von den Stromversorgern zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Stromeinspeisungsgesetzes geführt werden, wobei die Landgerichte Karlsruhe und Freiburg den Klagen von zwei Wasserkraftwerksbetreibern gegen die zeitweilige Kürzung von Einspeisevergütungen stattgegeben haben (siehe 960507). Sie bedeutet auch nicht - wie es verschiedentlich in den Medien dargestellt wurde - eine definitive Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Die Prüfung dieser Frage bleibt vielmehr in letzter Instanz dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.

Die Nutznießer des Stromeinspeisungsgesetzes begrüßten das Urteil. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg, Manfred Lüttke, meinte gegenüber dem Handelsblatt (29.10.), damit ziehe sich die Beurteilung des Einspeisungsgesetzes als verfassungskonform durch die gesamte Rechtsprechung. Dagegen bekräftigte die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) ihre Auffassung, daß die jetzige Regelung gegen das Grundgesetz und die Subventionsvorschriften auf europäischer Ebene verstoße. Über die Verfassungswidrigkeit werde letztendlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden, stellte VDEW-Hauptgeschäftsführer Joachim Grawe fest. Dieses befasse sich derzeit aufgrund eines Vorlagebeschlusses des Amtsgerichts Plön mit der Frage. Im Unterschied zu dem Fall, den jetzt der Bundesgerichtshof entschied, handele es sich dabei um einen der drei Musterprozesse, die von den Stromversorgern speziell zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Stromeinspeisungsgesetzes angestrengt wurden.

Die Woche (1.11.) bemerkte: "Gerade die heutige ëmonopolartige Stellungë der Energieversorger, so die Richter, rechtfertige das Stromeinspeisungsgesetz. Diese Gebietsmonopole will aber die Bundesregierung nun zu Fall bringen." Auch die Stuttgarter Zeitung (24.10.) machte in einem Kommentar darauf aufmerksam, daß mit der bevorstehenden Liberalisierung des Strommarktes die Monopole entfallen, die der BGH zur Rechtfertigung des Stromeinspeisungsgesetzes herangezogen hat.