Juli 2021

210710

ENERGIE-CHRONIK


Deutsche Netzbetreiber wollen ihren "ökologischen Fußabdruck" mit Herkunftsnachweisen verkleinern

Die führenden deutschen Netzbetreiber sind unzufrieden damit, dass sie keine sogenannten Herkunftnachweise erwerben dürfen, mit denen die Stromvertriebe den normalen Netzstrom zu angeblichem "Ökostrom" aufhübschen. Sie glauben allen Ernstes, dass sie einen Beitrag zum Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 leisten könnten, wenn sie mit derartigen Zertifikaten auch die "Verlustenergie" optisch verschönern würden, die beim Betrieb des Stromnetzes anfällt. Dies ergibt sich aus einem Positionspapier, das die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber Amprion, 50Hertz, TenneT und TransnetBW gemeinsam mit den vier großen regionalen Netzbetreibern E.ON Netz, EWE Netz, Netze BW und Stromnetz Berlin im Juli veröffentlichten (siehe Hintergrund).

Neben der Forderung, "das Herkunftsnachweisregister für die Deckung der Verlustenergie aus erneuerbaren Energien zu öffnen", melden die "N8-Unternehmen" – so bezeichnen sie sich selber – noch einen ganzen Katalog anderer Wünsche an. Dazu gehören eine weitere Digitalisierung der Netzsteuerung, die Kopplung des Stromsektors mit anderen Sektoren wie Verkehr und Wärme, Änderungen an Messstellenbetriebsgesetz und Technischen Richtlinien, eine Neuausrichtung des Regulierungsrahmens oder eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Das Positionspapier wurde zunächst nur intern verbreitet und nicht förmlich vorgestellt. Es kann inzwischen aber auf den Internetseiten von TenneT und TransnetBW mit einiger Mühe gefunden werde. (Siehe PDF).

Acht europäische Übertragungsnetzbetreiber wollen "Dekarbonisierung Europas" vorantreiben

Am 12. Juli veröffentlichten acht europäische Übertragungsnetzbetreiber ein Papier unter dem Titel "Decarbonising the Energy System - The role of Transmission System Operators". Wie es in einer gemeinsamen Pressemitteilung hieß, starten sie damit eine "gemeinsame Initiative für die Unterstützung des Energieversorgungssystems zur Erreichung von Klimaneutralität". Unterzeichner sind Amprion (Deutschland), APG (Österreich), Elia (Belgien). RED (Spanien), RTE (Frankreich), Swissgrid (Schweiz), TenneT (Niederlande) und Terna (Italien). TenneT und Elia unterzeichnen zugleich für ihre deutschen Netztöchter TenneT TSO bzw. 50Hertz. (Siehe PDF)

Diesem Papier zufolge lassen sich die Beiträge der Übertragungsnetzbetreiber zur "Dekarbonisierung Europas" in zwei Kategorien einteilen: Erstens, indem sie "den Kohlenstoff-Fußabdruck ihrer eigenen Aktivitäten bzw. Wertschöpfungsketten reduzieren und begrenzen". Zweitens, indem sie die "erneuerbare Erzeugungs- und Flexibilitätsressourcen in das Energiesystem zu integrieren und die direkte und indirekte Elektrifizierung verschiedener Sektoren der Wirtschaft unterstützen". Zur Minderung des "Kohlenstoff-Fußabdrucks" soll beispielsweise der Austritt des klimaschädlichen Gases Schwefelhexafluorid (SF6) aus Schaltanlagen noch mehr unterbunden werden. Auch die Begrenzung der Netzverluste wird genannt. Im Unterschied zum Papier der acht deutschen Netzbetreiber scheint aber nicht daran gedacht zu sein, die Verlustenergie durch Ankauf von Herkunftnachweisen rein kosmetisch von Grau- auf Grünstrom umzustellen.

 


Hintergrund

Herkunftsnachweise – Das grüne Feigenblatt für Graustrom

(siehe oben)

 

Es ist schon erstaunlich, welcher Run neuerdings auf die sogenannten Herkunftsnachweise eingesetzt hat. Das sind die spottbilligen Zertifikate, mit denen jeder Stromanbieter den ganz normalen Strom-Mix - der auch als Graustrom bezeichnet wird – zu angeblich hundertprozentig grünem "Ökostrom" aufhübschen kann, ohne dass er deshalb eine Betrugsanzeige befürchten muss. Das Verfahren ist nämlich amtlich zugelassen, sowohl auf EU-Ebene als auch durch die nationale Gesetzgebungen.

Nun wollen sogar die Netzbetreiber ihren "ökologischen Fußabdruck verkleinern", indem sie derartige Zertifikate ankaufen. Dabei hat so ein Herkunftsnachweis ungefähr denselben Nährwert wie die Ablässe, die einst die katholische Kirche verkaufte. Damals lautete das Versprechen, den Gläubigen werde trotz ihrer Sünden das Schmoren im Fegefeuer – das war so eine Art Vorhölle - in mehr oder weniger großem Umfang erlassen. Heute verwandeln Herkunftsnachweise den schnöden Graustrom aus dem Netz auf wundersame Weise in Grünstrom und verhelfen damit dem modernen Gläubigen zu der beruhigenden Gewißheit, dass er seinen "ökologischen Fußabdruck verkleinert" habe.

Als typische Referenz dienen alte Wasserkraftwerke

Der psychologische Mechanismus bleibt in beiden Fällen derselbe: Die Gläubigen zahlen für einen illusionären Mehrwert, der ihnen vorgeflunkert wird. Das funktioniert aber nur, wenn auch der moderne Gläubige jeder Anwandlung zu rationalem Denken abhold ist. Vermutlich gibt es sogar "Ökostrom"-Kunden, die ernsthaft glauben, sie würden tatsächlich mit einer besonderen Art von Strom beliefert. Die Mehrheit dürfte allerdings eher davon ausgehen, dass sich zwar am Strom aus der Steckdose überhaupt nichts ändert, aber doch ein entsprechendes Äquivalent des von ihnen verbrauchten Stroms an anderer Stelle garantiert aus Wasserkraft, Wind- oder Solarenergie erzeugt wird. Die Illusion besteht in diesem Fall darin, dass es einer solchen Garantie gar nicht bedarf. Diese erneuerbaren Strommengen würden so oder so erzeugt. Die Herkunftsnachweise werden nämlich für bereits am Markt vorhandene Erzeugungskapazitäten ausgestellt, die aus irgendeinem Grund nicht unter die EEG-Förderung fallen und deshalb vom "Doppelvermarktungsverbot" befreit sind. Soweit sie inländische Anlagen betreffen, handelt es sich in der Regel um alte Wasserkraftwerke, die zum Teil schon seit über hundert Jahren in Betrieb sind.

Graustrom besteht schon jetzt zur Hälfte aus Grünstrom – und der ist sogar echt

Die große Masse der in Deutschland vertriebenen Herkunftsnachweise stammt jedoch aus dem Ausland, vor allem aus Norwegen oder Österreich. Dort ist es selbstverständlich, dass der ganz normale Strom-Mix größtenteils aus erneuerbaren Quellen besteht. In Norwegen deckt allein die Wasserkraft 98 Prozent des Bedarfs, und auch in Österreich sind es über vierzig Prozent. Die Betreiber solcher Wasserkraftwerke oder anderer EE-Anlagen können sich deshalb aufgrund der EU-Gesetzgebung ein kleines Zubrot verdienen, indem sie für den von ihnen erzeugten Strom die famosen "Herkunftsnachweise" ausstellen lassen, für die sich am Ort des tatsächlichen Verbrauchs niemand interessieren würde. In Deutschland aber – nirgendwo anders funktioniert der Handel mit den Herkunftsnachweisen so prächtig – finden diese Zertifikate reißenden Absatz, weil hier jeder der unzähligen Stromvertriebe im harten Konkurrenzkampf um die Anpreisung derselben Ware auch mit angeblich hunderprozentigem "Ökostrom" punkten will.

Zur Ehrenrettung des "Graustroms" muss dabei gesagt werden, dass dieser schon jetzt ungefähr zur Hälfte aus erneuerbaren Quellen stammt. Witterungsbedingt schwankt dieses Aufkommen. Zum Beispiel waren es im ersten Halbjahr 2021 nur 44,4 Prozent gegenüber 55,6 Prozent im Vorjahr. Tendenziell wird der Erneuerbaren-Anteil an der deutschen Stromerzeugung aber immer größer. Und dieser Anteil ist echt – im Gegensatz zu den hundertprozentigen "Ökostrom"-Angeboten, die sich mittels der Herkunftsnachweise vorschwindeln lassen.

Netzbetreiber entdecken imaginäres "CO2-Reduktionspotential"

Wenn nun auch die Netzbetreiber solche Herkunftsnachweise kaufen möchten, um ihren "ökologischen Fußabdruck zu verkleinern", wirft das eher die Frage auf, ob bei ihnen im Kopf noch alles stimmt. Schließlich sind sie Insider. Sie können deshalb keine mildernden Umstände beanspruchen, wie das vielleicht bei den Banausen des Verteidigungsministeriums der Fall war, die für 3,5 Millionen Euro Herkunftsnachweise aus Norwegen kauften, um so den "Ökostrom"-Anteil bei Liegenschaften der Bundeswehr zu erhöhen (131205). Als ihnen der Bundesrechnungshof in die Parade fuhr, beriefen sie sich in aller Unschuld auf die Vorbildfunktion öffentlicher Gebäude beim Einsatz erneuerbarer Energien, die 2011 gesetzlich vorgeschrieben wurde (110202). Ein ähnlicher Mangel an Sachverstand führte dazu, dass die "Tagesschau" des ARD-Fernsehens den Abschluss eines "Ökostrom"-Liefervertrags zwischen der Deutschen Bahn und RWE für eine wichtige Meldung hielt, obwohl es sich um eine der üblichen Augenwischereien handelte und sowieso nur sieben Prozent des Stromverbrauchs der Bahn betroffen waren (110706).

Haben nun auch bei den Netzbetreibern die PR-Abteilungen die Federführung übernommen und den Sachverstand ausgeschaltet? – Das nunmehr vorliegende Positionspapier lässt es befürchten. Demnach "wollen die Netzbetreiber neben ihrer zentralen Unterstützerrolle bei den erforderlichen Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Marktteilnehmer auch ihre eigenen CO2-Emissionen reduzieren. Das größte CO2-Reduktionspotential steckt dabei in der Beschaffung von Verlustenergie. Die Netzbetreiber wollen diese technisch unvemeidbaren Verluste, die 6 % des Bruttostromaufkommens ausmachen, aus erneuerbaren Energien decken. Das derzeitige Energierecht blockiert jedoch die Hebung dieses 'grünen' Potenzials, da die Nutzung von erforderlichen Herkunftsnachweisen Stromnetzbetreibern untersagt ist."

Kosten der imaginären CO2-Minderung würden ganz real in die Netzentgelte eingehen

Die Netzbetreiber wollen also "ihre eigenen CO2-Emissionen reduzieren" und sehen "das größte CO2-Reduktionspotential" in der sogenannten Verlustenergie. Dabei handelt es sich um die physikalisch bedingten Netzverluste, die bei Transport, Umspannung und Verteilung des Stroms unvermeidbar zustandekommen. Nun ist aber den Netzbetreibern jede eigene Erzeugung untersagt. Sie müssen deshalb den Strom zum Ausgleich der Netzverluste und sogar die ganze Regelenergie erst bei anderen Unternehmen kaufen (was sehr fragwürdig ist, aber in diesem Zusammenhang nicht weiter interessiert). Es handelt sich somit gar nicht um "ihre eigenen CO2-Emissionen", sondern um die der Kraftwerksbetreiber, bei denen sie einkaufen müssen. Dennoch werfen sie sich ins Büßergewand des reuigen CO2-Sünders und machen sich anheischig, künftig auch die Verlustenergie aus erneuerbaren Quellen zu decken, obwohl sie überhaupt keinen Einfluss auf den Strom-Mix haben, den sie einkaufen müssen.

Dieses Kunststück kann tatsächlich nur mit Herkunftsnachweisen gelingen, die das Etikett "Grünstrom" von einer beliebigen EE-Anlage ablösen und quasi spirituell auf einen beliebigen Stromlieferanten übertragen. Dass aber ausgerechnet die Netzbetreiber nun auf diesen faulen Zauber zurückgreifen wollen, verwundert doch sehr. Am wenigsten stört dabei noch, dass sie kein Stromvertrieb sind und dennoch verlangen, "das Herkunftsnachweisregister für die Deckung der Verlustenergie aus erneuerbaren Energien zu öffnen". Weit irritierender ist die Chuzpe, mit der sie so tun, als ob mit dem Kauf von Herkunftsnachweisen für die Verlustenergie ein echter Beitrag zur Minderung der CO2-Emissionen geleistet würde. Und aus der Sicht des geschröpften Stromverbrauchers empört vor allem, dass die Kosten dieses Unsinns selbstverständlich in die Netzentgelte eingehen und mit der Stromrechnung präsentiert würden. Falls nicht schon die Bundesnetzagentur den Urhebern dieses Positionspapiers auf die Finger klopfen sollte, wären deshalb die Verbraucherverbände gefordert, ganz entschieden gegen einen derartigen Unfug vorzugehen.

Bisher kostet die Aufwertung zu "Ökostrom" pro Kilowattstunde nur Bruchteile eines Cents

Die Preise für Herkunftsnachweise sind bisher so gering, dass sich damit jedes Stromangebot ohne wesentliche Mehrkosten zu hundertprozentigem "Ökostrom" aufhübschen lässt. Zum Beispiel lagen sie 2018 zwischen 1 und 2,5 Euro pro Megawattstunde. Das entsprach einer zusätzlichen Belastung zwischen 0,1 und 0,25 Cent pro Kilowattstunde. Inzwischen sind sie eher noch niedriger geworden und tendierten in Richtung 0,05 Cent/kWh. Genaues wissen nur Insider, denn es gibt bisher keine offizielle Notierung. Die Zertifikate sind jedenfalls spottbillig, obwohl sie angeblich energetisches Eisen in Gold verwandeln. Das liegt daran, dass das Angebot weit größer ist als die Nachfrage. Das Angebot ist zwar sicher nicht so unerschöpflich wie einst der göttliche Gnadenfonds, aus dem die katholische Kirche beliebig viele Ablässe ableiten konnte. Es ist aber nicht zu erwarten, dass die Anzahl der "Ökostrom"-Gläubigen in ganz Europa derart zunimmt, dass deshalb eine spürbare Verknappung eintreten könnte – zumal steigende Preisen sofort eine spürbare Verknappung des zahlungsbereiten Publikums zur Folge hätten.

Erdgas-Lobby will mittels Herkunftsnachweisen möglichst billig Wasserstoff erzeugen

Dieses Preisniveau könnte sich aber bald ändern. Zumindest inländische Herkunftsnachweise könnten zu einer überaus knappen, begehrten und deshalb hochpreisigen Ware werden. Zur Zeit gibt es nämlich mächtige Bestrebungen, die Herkunftsnachweise aus einem bloßen Reklameinstrument für den Endkundenmarkt in eine Art Beihilfeanspruch für Unternehmen zu verwandeln: Die Erzeugung von Wasserstoff mittels elektrischer Energie soll als privilegierter "grüner Wasserstoff" gelten, wenn der dafür verwendete "Graustrom" aus dem Netz durch Herkunftsnachweise rein formal zu Grünstrom veredelt wird. So veröffentlichte die Strombörse EEX im April ein Papier, in dem sie mit Blick auf die geplante Novellierung der Erneuerbare-Energien-Verordnung die Einführung besonderer Herkunftsnachweise für wasserstofferzeugende Unternehmen verlangte. Auf die "physische Kopplung von Strombezug und Herkunftsnachweis" könne dabei verzichtet werden. Diese biete "keinen grundsätzlichen Mehrwert". Stattdessen sei zu erwarten, dass "die nötige Nachweisführung zu erhöhter Komplexität und Aufwand führen".

Die am 24. Juni vom Bundestag beschlossene Erneuerbare-Energien-Verordnung entspricht weitgehend diesen Wünschen (210610). Sie verzichtet sogar darauf, derartige Herkunftsnachweise nur für Neuanlagen bzw. für ehemalige EEG-Anlagen zuzulassen, die keine Förderung mehr erhalten. Stattdessen versucht sie, den Anschein einer physischen Kopplung zwischen Erzeugung und Verbrauch wenigstens insoweit aufrechtzuerhalten, als die Herkunftsnachweise "die Angabe zur optionalen Kopplung nach § 16 Absatz 3 der Herkunfts- und Regionalnachweis-Durchführungsverordnung enthalten" müssen. Das bedeutet, dass diese speziellen Herkunftsnachweise auf einen bestimmten Versorger bzw. Bilanzkreis ausgestellt werden müssen, von dem die Elektrolyseanlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff ihren Strom bezieht. Dadurch soll sich auf Bilanzkreis-Ebene überprüfen lassen, ob tatsächlich eine entsprechende Menge Grünstrom vom Anbieter zum Adressaten des Herkunftsnachweises gelangt sein könnte. "Damit erfolgt ein glaubhafter und zuverlässiger Nachweis einer tatsächlichen Lieferbeziehung und nicht nur eine Verschiebung der Grünstromeigenschaft", heißt es zur Begründung.

Die jetzt beschlossene Lösung garantiert keinen "grünen Wasserstoff"

Glaubhaft und überzeugend ist eine solche Konstruktion aber keineswegs. Zum Beispiel würde sie es ermöglichen, dass ein altes Wasserkraftwerk, das bisher die Ökostrom-Szene bediente, seine Zertifikate nunmehr für die Herstellung von Wasserstoff vergibt. Dadurch hätte der Betreiber sicher höhere Erlöse. Für den Klimaschutz ergäbe sich indessen keinerlei Gewinn, denn der Erneuerbaren-Anteil am "Graustrom" bliebe genauso hoch wie bisher. Auf dessen Erhöhung kommt es aber letztendlich an. Eine Direktleitung zwischen EE-Anlage und Elektrolyseur würde das automatisch sicherstellen. Sie ist aber nur selten realisierbar und meistens auch wenig sinnvoll, weil gerade die Abschöpfung von "überschüssigem" Wind- oder Solarstrom im Netz einen effizienten Einsatz von Elektrolyseuren ermöglicht. Die Bundesnetzagentur ist zwar der Ansicht, dass es eigentlich gar keinen Bedarf für Stromspeicher gibt, weil Gaskraftwerke günstiger sind (210506). Trotzdem könnte die Glättung der fluktuierenden Wind- und Solarstromeinspeisung durch Elektrolyseure zwecks Vorhaltung des so erzeugten Wasserstoffs für den kurz-, mittel- und langfristigen Ausgleich von Last- oder Erzeugungsschwankungen noch von eminenter Bedeutung werden. Deshalb ist es im Ansatz richtig, wenn die "physische Kopplung" nicht zur Bedingung gemacht wird. Im übrigen müssen aber alle Vorschriften darauf ausgerichtet sein, dass dem Verbrauch des Elektrolyseurs aus dem Netz an anderer Stelle die Einspeisung einer EE-Anlage entspricht, die den Erneuerbaren-Anteil am "Graustrom" tatsächlich erhöht. Das ließe sich zum Beispiel sicherstellen, indem die speziellen Herkunftsnachweise nur für Neuanlagen oder für solche Altanlagen gelten, deren Förderung ausgelaufen ist.

CO2-Emissionen werden lediglich in den fossilen Anteil des Graustroms verschoben

Schon heute könnten Erdgas-Branche und Industrie nach Belieben Graustrom in Wasserstoff umwandeln und für dessen Transport auch die notwendigen Leitungen bauen. Bisher sind sie dazu nur bereit, wenn ihnen kräftig mit öffentlichen Geldern unter die Arme gegriffen wird, wie bei den Projekten in Hamburg-Moorburg (210110) oder Salzgitter (210310). Es ist ihnen einfach zu teuer. Sie verfolgen deshalb eine dreigleisige Strategie: Erstens wollen sie den Bau spezieller Wasserstoffleitungen in die Erdgas-Regulierung miteinbezogen haben, damit die Rechnung von den Verbrauchern bezahlt wird, obwohl diese davon keinen Nutzen haben. Zweitens wollen sie auch die konventionelle Umwandlung von Erdgas zu Wasserstoff vom Makel der Treibhausgas-Emissionen befreien, indem sie daraus "blauen Wasserstoff" machen, dessen CO2-Emissionen angeblich umweltunschädlich eingefangen und in der Erde abgespeichert werden. Drittens loben sie über den grünen Klee den "grünen Wasserstoff", den sie ebenfalls erzeugen möchten. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich dabei aber um elektrolytisch erzeugten "blauen Wasserstoff", bei dem die CO2-Abspeicherung nur deshalb entfällt, weil die Treibhausgasemissionen in den fossilen Anteil des zur Elektrolyse eingesetzten Graustroms verschoben werden. Und dieser Graustrom wird dann durch die Trickserei mit entsprechend formulierten Herkunftsnachweis-Bestimmungen einfach zu Grünstrom erklärt.

 

 

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