Mai 2021

210506

ENERGIE-CHRONIK


 


Mit dieser Grafik veranschaulicht der Bericht den unverhältnismäßig großen Kapazitätsbedarf, den ein Stromspeicher haben müsste, um eine unregelmäßige Windstromerzeugung auf ihrem Durchschnittswert von rund 22 Gigawattstunden pro Tag zu stabilisieren. Der Kapazitätsbedarf läge demnach bei fast 170 Gigawattstunden, obwohl die Schwankungsbreite des Windstromaufkommens lediglich rund 25 Gigawattstunden beträgt. Die Daten widerspiegeln die tatsächliche Windstromerzeugung, wie sie vom 7. bis 9. Januar 2020 ins deutsche Netz eingespeist wurde (an Land und auf See), berücksichtigen aber der Einfachheit halber noch keine Speicherverluste.

Bundesnetzagentur sieht keinen Bedarf für Stromspeicher

Die Bundesnetzagentur sieht keinen Handlungsbedarf für die Schaffung neuer Stromspeicher, um die ungleichmäßige Erzeugung von Wind-und Solarstrom zu glätten, die einen immer größeren Anteil an der gesamten deutschen Stromerzeugung hat. "Die Vorstellung, der volatilen Erzeugung von Strom in Wind- und Solaranlagen müssten Assets zur Seite gestellt werden, deren Funktion darin besteht, solche Schwankungen auszugleichen, ist eingängig und entsprechend weit verbreitet", konzediert sie einleitend in einem 24-seitigen Papier, das seit März auf ihren Internet-Seiten zu finden ist (siehe PDF). Auf den restlichen Seiten führt sie sie dann aber eine ganze Reihe von Gründen an, weshalb es keiner solcher Anlagen bedürfe, um die Sicherheit der Stromversorgung zu gewährleisten.

"Die wesentliche Funktion, die Stromspeicher haben, wird am Strommarkt reichlich angeboten"

Ein rentabler Betrieb von Stromspeichern sei zwar "im gegenwärtigen Marktumfeld sehr schwierig", räumt die Behörde ohne weiteres ein. Sie sieht darin aber überhaupt kein Problem: "Dieses Ergebnis ist nicht negativ zu beurteilen, sondern spiegelt die gegenwärtigen Marktbedingungen zutreffend wider: Die zeitliche Verlagerung von Strommengen ('Flexibilität') wird im Markt derzeit zu sehr geringen Kosten und in bei weitem ausreichenden Maß angeboten und kann insbesondere von herkömmlichen Kraftwerken zu geringen Kosten erbracht werden. Die wesentliche Funktion, die Stromspeicher haben, wird am Strommarkt reichlich angeboten. Stromspeicher haben kein Alleinstellungsmerkmal, das ihnen eine Marktnische eröffnen würde."

Stromspeicher sollen wie Stromverbraucher behandelt werden

Die Behörde wiederholt im Grunde ihr altes Argument, dass Stromspeicher im liberalisierten Energiemarkt nur noch als "Marktspeicher" betrieben werden könnten, mit dem sie schon vor neun Jahren die zwanzigjährige Netzentgeltbefreiung für neue Pumpspeicherkraftwerke in § 118 Abs. 7 des EnWG kritisiert hat (120110). Unabhängig von den jeweiligen Umständen müssten Stromspeicher bei der Einspeicherung in jeder Hinsicht als Stromverbraucher angesehen werden und bei der Ausspeicherung als Stromerzeugungsanlage. "Für eine davon abweichende Einstufung gibt es keinen Anhaltspunkt. Diese Einstufung entspricht dem geltenden Rechtsrahmen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung."

Gegen Befreiung der Speicherverluste von Umlagen und Netzentgelten

Es sei auch falsch, Speicherverluste pauschal von Umlagen und Netzentgelten zu befreien. Dies konterkariere die Anstrengungen für eine höhere Effizienz von Speichern. Die Verluste lägen bei Pumpspeichern zwischen 15 und 40 Prozent. Bei Batteriespeichern sei der Verlust vom Ladezustand, der Betriebsweise, der Temperatur, dem Alter der Batterie und vielem anderen abhängig und werde oft mit 10 Prozent angegeben. Redox-Flow-Speicher hätten Verluste von 25 Prozent. Die Volumina dieser Befreiung seien deshalb energetisch wie finanziell bedeutsam: Mit 2,9 Terawattstunden jährlich lägen die Speicherverluste in der gleichen Größenordnung wie die EE-Abregelungsmengen aufgrund von Netzengpässen. Den Speicherbetreibern blieben so jährlich Zahlungen in Höhe von fast 300 Millionen Euro erspart.

Regelenergie kann von Gaskraftwerken billiger angeboten werden

Gegenwärtig würden Stromspeicher sich nur dann lohnen, wenn sie "im strengen viertelstündlichen Rhythmus der Bilanzierung" die Schwankungen des Strompreises zur Erzielung von Gewinnen nutzen. Sie eröffneten so "ihrem Betreiber die Möglichkeit, durch den Verbrauch von Strom in der einen Viertelstunde den Stromspeicher kostengünstig zu füllen, um damit in einer späteren Viertelstunde wieder Strom erzeugen zu können und zu einem höheren Preis zu verkaufen". Die Teilnahme am Regelenergiemarkt sei dabei nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich könne aber Regelenergie von den herkömmlichen Kraftwerken - vor allem Gaskraftwerken - zu deutlich geringeren Kosten und in weit größerem Umfang erbracht werden.

Geringe Wirkungsgrade von Elektrolyse und Rückverstromung

Die Förderung von Großspeichern, die überschüssige EE-Erzeugung per Elektrolyse zu Wasserstoff oder Methan umwandeln, anstatt sie abzuregeln, damit sie bei Flaute oder Dunkelheit wieder ans Netz abgegeben kann, hält die Behörde auch für keine gute Idee. Sie rechnet vor, dass die Erzeugung von Methan mittels Strom-zu-Gas-Anlagen nur einen Wirkungsgrad von etwa 50 Prozent habe, dem dann bei der Rückverstromung ein ähnlich schlechter Wirkungrad folge, weshalb der Gesamtwirkungsgrad der Stromumwandlung gerade mal 25 Prozent betrage. (Hier dürfte es wohl Protest geben, weil die Wirkungsgrade in beiden Richtungen üblicherweise deutlich höher veranschlagt werden.)

Ist das absolute Stromerzeugungsverbot für Netzbetreiber noch sinnvoll?

Derartige Großspeicher würden wahrscheinlich - so könnte man hinzufügen - eine enge Verbindung mit dem Netzbetrieb voraussetzen, was einem grundlegenden Dogma des liberalisierten Marktes widerspräche, das den Netzbetreibern strikt jede Art von Stromerzeugung untersagt. Dieses Argument findet man so in dem Bericht nicht. Die Behörde stellt aber beiläufig fest, dass gegen dieses Dogma bereits verstoßen werde, ohne dass die eigentlich fällige Sanktionierung erfolge: "Vereinzelt werden Stromspeicher von Netzbetreibern oder ihren Tochterunternehmen betrieben, was nach Auffassung der Bundesnetzagentur mit den Entflechtungsregeln grundsätzlich nicht in Einklang steht, aus praktischen Gründen aber in gesamtwirtschaftlich irrelevanten Einzelfällen ohne Sanktion bleibt." Dagegen habe die EU-Kommission in den Art. 36 Abs. 1 und 54 Abs. 1 der neuen Strombinnenmarktrichtlinie nochmals ausdrücklich bestätigt, dass Netzbetreiber Strom-Speicher lediglich "nutzen, grundsätzlich aber nicht besitzen oder im Eigentum haben dürfen".

Bei einem sehr hohen Erneuerbaren-Anteil sieht alles ein bißchen anders aus

Auf naheliegende Argumente geht das Papier leider nicht ein. Zum Beispiel, dass Gaskraftwerke nur nebenbei Regelenergie erzeugen. Ein relativ hoher Sockel an fossiler Erzeugung bliebe deshalb Voraussetzung, um die Schwankungen von Wind- und Solarstrom auch bei einem sehr hohen Erneuerbaren-Anteil ausgleichen zu können. Da beißt sich einiges. Und wäre es nicht sinnvoll, an Tagen mit besonders hohem Ausgleichsbedarf bzw. drohender "Dunkelflaute" auf Kraftwerke zurückgreifen zu können, die mit elektrolytisch erzeugtem grünen Wasserstoff statt mit Erdgas betrieben werden? Außerdem kann die Nutzung des Wind- und Solarstroms, der bisher einfach abgeregelt wird und dadurch hohe Kosten verursacht (210405), nur per Speicherung erfolgen. Dass jede Energieumwandlung mehr oder weniger verlustträchtig ist, dürfte da eher zweitrangig sein. Auf diesen Aspekt geht das Papier allenfalls indirekt ein, indem es feststellt, dass sich die Speicherverluste "bei den derzeit angewendeten Techniken" – damit sind wohl vor allem Pumpspeicherkraftwerke gemeint – in summa auf eine Strommenge von 2,9 Terawattstunden jährlich belaufen. Das liege "in der gleichen Größenordnung wie die Abregelungsmengen des Engpassmanagements".

Agora-Studie kam vor sieben Jahren zu ähnlichen Ergebnissen

Übrigens gelangte schon vor sieben Jahren eine Studie, die im Auftrag von "Agora Energiewende" von vier Forschungsinstituten erstellt wurde, zu einem ähnlichen Befund wie jetzt dieses Papier der Bundesnetzagentur: Der in Deutschland geplante Ausbau von Wind- und Solaranlagen sei in den kommenden zwanzig Jahren nicht auf neue Stromspeicher angewiesen (140915). Das hat damals Widerspruch ausgelöst. Diese Studie eigne sich nicht als "Handlungsempfehlung für die Politik", erklärte Prof. Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Bundesverbands Energiespeicher (BVES). Die Notwendigkeit der Speicherung von zunehmenden Mengen volatiler Energien werde aufgrund fehlerhafter Grundannahmen, wie ein engpassfreies Stromnetz, nicht aufgezeigt. Außerdem würden Kosten für konventionelle Kraftwerke, Netzausbau, Demand-Side-Management und andere Möglichkeiten der Flexibilisierung von Stromangebot und -nachfrage nicht oder nicht vollständig eingerechnet. So sei es nicht verwunderlich, daß Speicher im Vergleich als zu teuer und wenig effizient erscheinen.

Zu dem aktuellen Papier der Bundesnetzagentur gibt es bisher keine Stellungnahme des BVES. Eine diesbezügliche Anfrage der ENERGIE-CHRONIK blieb unbeantwortet.

 

Links (intern)

Links (extern, ohne Gewähr)