März 2021

210314

ENERGIE-CHRONIK


 


Die Initiative LobbyControl hat einen Internet-Appell gestartet, mit dem die Unterzeichner das Bundeswirtschaftsministerium auffordern, bei der "Deutschen Energie-Agentur" endlich für ein "seriöses, ausgewogenes Studiendesign" zu sorgen. Der 2005 gegründete Verein verfolgt laut Satzung "die Förderung von Transparenz und Demokratie durch Aufklärung über Einflussstrategien und Machtstrukturen in Politik und Öffentlichkeit".

"Deutsche Energie Agentur" verteidigt Sponsoring ihrer Erkenntnisse

Die dem Bundeswirtschaftsministerium unterstehende "Deutsche Energie-Agentur" (Dena) will bis Herbst dieses Jahres eine Studie vorlegen, die Pfade zur Erreichung des Ziels "Klimaneutralität 2050" aufzeigen soll. Am 25. März veröffentlichte sie dazu einen sehr vage gehaltenen "Zwischenbericht", der wohl kaum größere Beachtung gefunden hätte (siehe PDF). Die Initiative LobbyControl nahm dies aber zum Anlass, den wissenschaftlichen Wert der ganzen Studie zu bezweifeln, weil sie weitestgehend von Unternehmen finanziert werde. In einem per Internet verbreiteten Appell forderte sie "ein seriöses, ausgewogenes Studiendesign, bei dem die Unternehmen der betroffenen Branchen Auskünfte geben, aber von Entscheidungen und Finanzierung ausgeschlossen sind". Wenn eine Bundesagentur im öffentlichen Interesse und Auftrag forsche, müsse dies aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden. Das gelte gerade für eine Leitstudie, die als zentraler Orientierungspunkt der deutschen Klimapolitik gedacht sei.

"Sponsor-Modell untergräbt Glaubwürdigkeit der Ergebnisse"

Adressiert war der Appell an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, dessen Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Bareiß als Dena-Aufsichtsratsvorsitzenden und Dena-Geschäftsführer Andreas Kuhlmann. "Es ist richtig, dass die Bundesregierung den Weg in die CO2-Neutralität untersuchen lässt", hieß es darin. "Falsch ist es aber, die Mitsprache für Geld an Sponsoren zu verkaufen. Solche Studien müssen ausschließlich an wissenschaftliche Kompetenz gebunden sein. Das Sponsor-Modell der Dena-Leitstudie untergräbt die wissenschaftliche Neutralität, die Glaubwürdigkeit und den gesellschaftlichen Nutzen der Ergebnisse."

Größere Unternehmen dürfen für 35.000 Euro netto mitmachen


Neben Energiekonzernen und Netzbetreibern sind im "integriertem Multi-Stakeholder-Ansatz" der Dena auch Heizgerätehersteller wie Viessmann oder der Wohnungskonzern Vonovia vertreten. (Vergrößern)

In einer Stellungnahme zu den von LobbyControl gestellten Fragen räumte die Dena ein, dass ein "sehr breiter Partnerkreis" an der Studie beteiligt sei. Es handele sich um mehr als siebzig Unternehmen und Verbände aus der Energiewirtschaft und anderen Bereichen, die insgesamt etwa vier Fünftel der anfallenden Kosten beisteuern würden. Im einzelnen betrage der Finanzierungsbeitrag 35.000 Euro für größere Unternehmen, 20.000 Euro für kleine und mittlere Unternehmen ( KMU) und 5.000 Euro für Startups, und zwar jeweils "netto". Diese Projektpartner brächten im Rahmen der Arbeitssitzungen ihre jeweilige Expertise ein und verfügten über jeweils eine Stimme im "Lenkungsausschuss". Eine wichtige Rolle komme ferner dem "Beirat" zu, dessen Aufgabe darin bestehe, "die Expertise und Anforderungen weiterer Stakeholder-Gruppen in der Studie zu berücksichtigen". Mitglieder dieses Beirats seien 45 Vertreter aus den Bereichen Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft (siehe PDF).

Dena spricht von "integriertem Multi-Stakeholder-Ansatz"

In einer weiteren Stellungnahme wies Dena-Geschäftsführer Kuhlmann den Vorwurf zurück, dass die Beteiligung der Unternehmen zu mangelnder wissenschaftlicher Neutralität führe. Es gehe bei deren Einbeziehung vielmehr um einen "integrierten Multi-Stakeholder-Ansatz". Man wolle "in der Auseinandersetzung mit zahlreichen Akteuren" gangbare Pfade zur Erreichung des Ziels Klimaneutralität finden. Die Einbindung der "Partner" sei "transparent und in einer eigenen Governance-Struktur klar geregelt". Alle mitwirkenden Unternehmen und weiteren Akteure würden veröffentlicht. Eine einseitige Beeinflussung werde durch "transparente Arbeitsprozesse inklusive der Rückkopplung über die verschiedenen Gremien" verhindert.

LobbyControl bekräftigte demgegenüber, dass die Studie durch den einseitigen Einfluss von Unternehmen auf die Ergebnisse "gekapert" zu werden drohe. Die sogenannten Partner stammten aus unterschiedlichen Branchen, wobei allen gemeinsam sei, dass der Umbau zu einer CO2-neutralen Wirtschaft ihre Geschäftsmodelle besonders berührt. Über zahlreiche "Branchenmodule" hätten sie Einfluss auf Design und Inhalte der Studie. Der Beirat mit Akteuren aus der Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft beschränke sich dagegen auf Empfehlungen und spiele eine vergleichsweise "randständige Rolle".

Eine Gründung des Bundeswirtschaftsministeriums mit nur bedingter Kompetenz und Effizienz

Die "Deutsche Energie-Agentur GmbH" wurde zu Zeiten der rot-grünen Koalition im Herbst 2000 von Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos, aber SPD-nahe) gegen den Widerstand von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) ins Leben gerufen (001011). Die andere Hälfte der Gesellschaftsanteile übernahm die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Auf Seiten der Bundesregierung beteiligten sich dann neben dem Wirtschaftsministerium auch noch das Umweltministerium und das Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Leiter der neuen Einrichtung wurde Stephan Kohler, der sich als Geschäftsführer der niedersächsischen Energie-Agentur (930620), energiepolitischer Sprecher des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (951120) und Mitglied des Freiburger Öko-Instituts (961213) profiliert hatte. Kohler zählte zu den "frogs" (friends of Gerhard Schröder), wie der Klüngel um den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzler genannt wurde. Er leitete die Agentur bis zu seinem Rücktritt Ende 2014. Anlass war ein Bericht des Bundesrechnungshofs, der erneut das Geschäftsgebaren der Agentur kritisierte. Der Bundesrechnungshof beanstandete dabei nicht nur die "unangemessen hohen" Gehälter des Geschäftsführers und anderer Mitarbeiter, sondern bezweifelte auch den Sinn der ganzen Einrichtung (141106). Nach Kohlers Abgang übernahm 2015 Andreas Kuhlmann die Geschäftsführung – passend zum amtierenden Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit SPD-Parteibuch (150617).

Anfangs verwechselte man schon mal Kühltürme mit Schornsteinen

Die von Kohler geleitete Agentur verstand sich selber als "Kompetenzzentrum für Energieeffizienz und Regenerative Energien". In Fachkreisen galt sie eher als eine Art gemeinsame PR-Plattform von Bundeswirtschaftsministerium und Energiekonzernen (021018). Wie sehr es mit der Sachkunde haperte, zeigte eine dena-Anzeigenkampagne, die Dampfschwaden aus Kühltürmen mit Rauch aus Schornsteinen verwechselte (041115). Den Anschein von mehr Sachverstand erwarb sich die Agentur dann mit Publikationen wie den sogenannten "Dena-Netzstudien" (050201, 101101). Dabei handelte es sich allerdings um extern erstellte Gutachten, die wohl auch deshalb unter dem neutraler klingenden Etikett "Dena" präsentiert wurden, weil sich der externe Sachverstand von Netzbetreibern, Branchenverbänden und Bundesministerien mit ziemlich einseitigen Geschäftsinteressen vermischte (100807). Seit 2011 kungelte die Dena sogar offen mit der Lobby, indem sie mit den einschlägigen Branchenverbänden die Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) gründete (110803). Sie hat so eher den "Dämmwahn" und die Interessen der Baustoffhersteller gefördert, anstatt die problematischen Seiten einer nachträglich vorgenommenen Wärmedämmung zu beleuchten (111112).

Für längere Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke

Im März 2008 warnte die Agentur vor einem angeblich drohenden Mangel an Kraftwerkskapazitäten, wenn am beschlossenen Atomausstieg festgehalten werde, anstatt die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern (080308). Sie unterstützte damit den amtierenden Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und die sich anbahnende schwarz-gelbe Koalition, die den Atomausstieg rückgängig machen oder wenigstens bremsen wollten. Das Umweltbundesamt, das zum Ressort von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gehörte, gelangte dagegen zu ganz anderen Zahlen, und Dena-Geschäftsführer Kohler musste einräumen, dass seine Studie von E.ON und RWE mitfinanziert worden war (080407).

Studie bescheinigte Unverzichtbarkeit von Kohlekraftwerken

Im August 2012 veröffentlichte die Agentur eine weitere Studie, die sie im direkten Auftrag von RWE erstellt hatte. Daraus ging hervor, dass die installierte Leistung der konventionellen Kraftwerke bis 2030 nur um rund 14 Prozent und bis 2050 nur um 37 Prozent gesenkt werden könne, um eine sichere Versorgung zu gewährleisten. Dagegen würden die erneuerbaren Stromquellen auch im Jahr 2050 noch nicht marktfähig sein und müssten zu Lasten der Endverbraucher subventioniert werde. Bei ihrem weiteren ungebremsten Ausbau werde ein zunehmender Anteil ihrer Erzeugung nicht genutzt werden können.

Dena-Chef wollte eigentlich zum RWE-Konzern wechseln

Zu dieser prognostischen Hilfestellung für die geschäftliche Neuausrichtung des RWE-Konzerns von Atom- auf Kohlestrom passte, dass der RWE-Chef Jürgen Großmann dem Dena-Geschäftsführer Kohler die Leitung einer neuen Unternehmenstochter übertragen wollte, die im Bereich Energieeffizienz und Energiedienstleistungen tätig werden sollte (090514). Kohler ließ dann aber die bereits vereinbarte Anstellung annullieren, weil ihm klar wurde, dass er allenfalls eine Art "Denkfabrik" mit etwa 30 bis 40 Mitarbeitern leiten würde (090514). Bei der Dena hatte er immerhin rund 130 Untergebene und ebenfalls ein fürstliches Gehalt (heute sind es 330 Mitarbeiter).

Kurzsichtiges Plädoyer für synthetische Kraftstoffe

Neuerdings macht sich die Dena besonders für synthetische Kraftstoffe stark, die mittels Elektrolyse erzeugt werden (200610). Sinnvoll ist das allerdings nur in Ausnahmefällen, weil so betriebene Autos ungefähr fünfmal soviel Energie benötigen wie batteriebetriebene Fahrzeuge. Vor allem sind synthetische Kraftstoffe nur dann "klimaneutral", wenn sie mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Der ist aber bis auf weiteres so knapp, das dieses Konzept, wie es die Gasbranche und Teile der Autoindustrie propagieren, nur mit Wasserstoff auf Basis von Erdgas zu verwirklichen wäre (201008).

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