Januar 2005

050102

ENERGIE-CHRONIK


Windkraft-Branche verlangt Änderungen an Netzstudie

Die für den 19. Januar vorgesehene Veröffentlichung einer Netzstudie zur Einspeisung von Windenergie mußte verschoben werden, weil sich die beteiligten wirtschaftlichen und politischen Interessengruppen nicht auf die Endfassung der Studie einigen konnten. In erster Linie geht es dabei um die Frage, wieweit die vermehrte Einspeisung von Windstrom die Stabilität des Netzes gefährdet und wie teuer der weitere Ausbau der Windenergie käme. Laut "Spiegel" (24.1.) verlangen die Vertreter der Windkraftbranche eine redaktionelle Überarbeitung des Textes. Andernfalls würden sie einer Veröffentlichung der Studie nicht zustimmen.

Gemeinschaftsprojekt unter Leitung der dena

Die Netzstudie war im September 2003 von der Deutschen Energie-Agentur (dena) in Auftrag gegeben worden, um Risiken und Chancen einer vermehrten Einspeisung von Windstrom zu ergründen. Die Kosten des 850.000 Euro teuren Gutachtens tragen Windbranche, Energieversorger, Kraftwerk- und Zuliefererindustrie sowie die Bundesregierung gemeinsam. Die Finanziers entscheiden als "Projektsteuerungsgruppe" auch über die Veröffentlichung des Gutachtens.

Die Inhalte der Studie erstellte ein Fachbeirat, in dem unter Federführung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln (EWI) das Deutsche Windenergie Institut (Dewi) sowie E.ON, RWE und Vattenfall mit ihren jeweiligen Netzgesellschaften vertreten sind. Die Zwischen- und Endergebnisse der Studie wurden von externen Gutachtern auf ihre Plausibilität überprüft. Sowohl der Fachbeirat als auch die Projektsteuerungsgruppe werden von der dena koordiniert, die im Herbst 2000 vom Bundeswirtschaftsministerium gegründet wurde (001011).

Pressekonferenz kurzfristig abgesagt

Die 490 Seiten umfassende Studie liegt im wesentlichen schon seit Monaten vor. Bis zur Freigabe durch die Auftraggeber gilt der Text aber nur als "vorläufig" bzw. als "Entwurf". Ursprünglich sollte die Ergebnisse bereits im August 2004 veröffentlicht werden. Die Verzögerung entstand vor allem durch die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Auftraggebern, die auch beim letzten Treffen der Projektsteuerungsgruppe am 17. Januar nicht ausgeräumt werden konnten. Die dena mußte deshalb die für 19. Januar vorgesehene Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie kurzfristig absagen.

FAZ berichtete bereits im September über die wesentlichen Ergebnisse

Die Windkraftbranche will offenbar verhindern, daß die Ergebnisse der Studie als Argumente gegen den weiteren Ausbau der Windstromerzeugung verwendet werden können. Bestärkt wird sie in ihren Befürchtungen durch Vorab-Veröffentlichungen, die anscheinend aus Kreisen der Netzbetreiber lanciert wurden. Den Anfang machte die "Frankfurter Allgemeine", die bereits am 20. September 2004 unter der Überschrift "Ausbau der Windkraft macht Stromausfälle wahrscheinlicher" über die wesentlichen Ergebnisse der Studie berichtete. Demnach können wegen der Unstetigkeit der Windstromerzeugung gegenwärtig nur acht Prozent der Leistung von Windkraftanlagen als gesichert gelten. Dies bedeutet, daß 92 Prozent der Windstromerzeugung durch Reservekraftwerke abgesichert werden müssen. Infolge des konzentrierten Ausbaues an der Küste wird der Kapazitätseffekt der Windkraftanlagen sogar noch geringer werden und auf fünf Prozent absinken. Der Windstrom ersetzt also im wesentlichen nur Brennstoffkosten. Er trägt zwar insoweit zur CO2-Vermeidung bei, ersetzt aber kaum Kraftwerkskapazitäten, falls nicht die Stabilität des Netzes aufs Spiel gesetzt werden soll. Außerdem erfordert er erhebliche Investitionen in den Netzausbau und -umbau, die zusätzlich zu den gesetzlich festgelegten Einspeisungsvergütungen den Strompreis belasten. Die Studie geht davon aus, daß die Ende 2003 vorhandene Nennleistung der Windkraftanlagen von 14300 MW bis zum Jahr 2010 auf 39700 MW steigt, einschließlich 5400 MW im Meer vor der Nord- und Ostseeküste. Die dafür erforderlichen Netzausbaukosten werden mit rund einer Milliarde Euro beziffert. Hinzu kommen 2,6 Milliarden Euro für die Anbindung der "offshore"-Anlagen. Bei einem weiteren Ausbau der Windenergie auf 48300 MW Nennleistung bis zum Jahr 2020 (davon 20400 MW offshore) erhöhen sich die entsprechenden Summen auf bis zu 3,5 Milliarden Euro bzw. rund 12 Milliarden Euro.

Grüne machen politischen Druck

Die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt bezeichnete diese Darstellung als "sachlich völlig falsch". Sie sei "ein weiteres Beispiel für den unseriösen Journalismus der FAZ in diesem Themenbereich". Die dena und die anderen Beteiligten müßten nun dafür sorgen , "daß dieses sensible Thema im Lenkungskreis der Studie sachgerecht behandelt und nicht politisch mißbraucht wird".

Am 10. Januar berichtete in ähnlicher Weise wie die FAZ die "Berliner Zeitung" über die Ergebnisse der Studie. Das von Jürgen Trittin (Grüne) geleitete Bundesumweltministerium veröffentlichte daraufhin am selben Tag eine Pressemitteilung, wonach sich die Einbindung der bis 2020 geplanten Windkraftanlagen in das Netz durchaus "zu vernünftigen Kosten bewältigen" lasse. "Nach ersten Schätzungen" müsse ein Durchschnittshaushalt für diesen Netzausbau lediglich zwischen 0,7 und 1,1 Cent pro Jahr bezahlen. Die dena ließ verlauten: "Der derzeitige Entwurf durchläuft im Moment den mit allen Beteiligten vereinbarten Abstimmungsprozess. Der Entwurf wird am 17. Januar von der Projektsteuerungsgruppe diskutiert. Erst dann können wir uns detailliert zum Thema äußern."

Clement: "Können wir uns das leisten?"

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) meinte dagegen auf der 12. energiepolitischen Jahrestagung des "Handelsblatts" am 18. Januar in Berlin: "Zwanzig Prozent Erneuerbare beim Strom werden uns bereits ohne den dafür notwendigen Netzausbau im Jahr 2015 laut dena-Studie 5,4 Milliarden Euro kosten - und für die Bereiche Verkehr und Wärme würde sich aus heutiger Sicht ein Subventionsbedarf in mindestens ähnlicher Größenordnung ergeben. Können wir uns das leisten?"

Erhebliche Mehrkosten für die Stromverbraucher

Am 24. Januar veröffentlichte auch "Der Spiegel" - dessen Chefredakteur vor einiger Zeit einen windkraftfreundlichen Beitrag aus dem Blatt gekippt hat (040413) - aus den Ergebnissen der Studie. Demnach würde der bis 2015 geplante Ausbau der Windkraft einen Normalhaushalt (4000 Kilowattstunden Jahresverbrauch ) mit Mehrkosten zwischen 15,40 und 19 Euro belasten. Bei einer Gesamtbetrachtung aller Mehrkosten, die sich aus der Förderung der erneuerbaren Energien ergeben, steige dieser Betrag sogar auf 36 bis 44 Euro. Fazit: "Der von Rot-Grün propagierte Ökostrom wird für die Verbraucher wohl deutlich teurer als bisher vermutet."