Dezember 1996 |
961213 |
ENERGIE-CHRONIK |
Drei prominente Vertreter der Umweltbewegung
haben ihren Austritt aus dem Trägerverein des Freiburger
Öko-Instituts angekündigt: Die Professoren Günter
Altner und Gerd Michelsen, die 1977 das Institut mitbegründeten,
scheiden zugleich aus dem wissenschaftlichen Kuratorium aus. Ferner
zieht sich Stephan Kohler zurück, der von 1981 bis 1991 den
Fachbereich Energie des Instituts koordinierte, ehe er die Leitung
der neugegründeten Energieagentur Niedersachsens übernahm.
Alle drei begründen ihren Schritt mit einem Interview, das
der Atomexperte des Instituts, Michael Sailer, der tageszeitung
(5.12.) gab: Sailer warf darin den militanten Kernkraftgegnern
vor, sie würden mit den Blockaden von Castor-Transporten
nach Gorleben letztlich nur für die Wiederaufarbeitung des
deutschen Nuklearmülls im Ausland sorgen und so den Plutonium-Kreislauf
anheizen. "Wenn die EVUs ihre abgebrannten Brennelemente
noch sechs Jahre lang weiter zur Wiederaufarbeitung ins Ausland
schaffen, dann hat Deutschland einen Berg von 60 Tonnen abgetrenntem
Plutonium", gab Sailer zu bedenken. Er plädierte stattdessen
für die Einrichtung von Zwischenlagern mit verbesserten Castor-Behältern
auf dem Betriebsgelände der Kernkraftwerke. Eine Zwischenlagerung
in den Lagerbecken der Kernkraftwerke, wie sie Greenpeace vorgeschlagen
habe, sei technisch nicht verantwortbar.
Für Altner, Michelsen und Kohler fällt Sailer mit seinen
Äußerungen den Bürgerinitiativen in den Rücken.
Sie seien auch sachlich falsch: Die Energieversorger wollten sich
ohnehin beide Optionen Wiederaufarbeitung wie Endlagerung
- offenhalten. Das Gorlebener Zwischenlager spiele dabei für
die EVU vor allem die Rolle eines Preisdrückers (taz, 17.12.).
Nach Ansicht der tageszeitung (18.12.) ist der jetzige Dissens
in der Konstruktion des Öko-Instituts angelegt, das seinen
Mitarbeitern auferlege, politisch denkende Menschen und zugleich
von politischen Rücksichtnahmen freie Wissenschaftler zu
sein. Michael Sailer sei "bei diesem heiklen Balanceakt über
den Strich geraten". Aber auch die Reaktionen seiner Kritiker
seien überzogen: "Das Institut hat seine Bewegung verloren
und die Reste der Bewegung ihr Institut. Der Verlustschmerz hat
die Gesichter zu häßlichen Fratzen verzerrt."