April 2019 |
190410 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der dänische Energiekonzern Ørsted hat einen neuen Vorstoß unternommen, um dem deutschen Übertragungsnetzbetreiber TenneT die Zuständigkeit für die Netzanschlüsse sämtlicher Windkraftanlagen in der deutschen Nordsee streitig zu machen. Am 11. April legte er eine Studie vor, die in seinem Auftrag von DIW Econ erstellt wurde, dem Consulting-Unternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (siehe PDF). Diese Studie vergleicht die deutsche Regulierungspraxis mit derjenigen in Großbritannien, wo bisher alle Netzanschlüsse von den Windparkbetreibern selber gebaut bzw. in Auftrag gegeben wurden. Sie gelangt zu dem Schluss, dass die deutschen Offshore-Netzanschlüsse deutlich teuerer sind. Dieser Befund gelte auch unter Berücksichtigung der Unterschiede hinsichtlich Leitungslängen, Technikwahl, Auslastung, Umweltauflagen und Finanzierungskonditionen.
Die Studie beziffert die Mehrkosten, die durch die ineffiziente Regulierung von Offshore-Netzanschlüssen von 2013 bis 2030 allein in der Nordsee entstehen, auf 6,7 Milliarden Euro. Kostensteigernd wirke insbesondere die 2013 eingeführte Offshore-Haftungsumlage (121103), die seit 2019 "Offshore-Netzumlage" heißt und sämtliche Kosten der Netzanschlüsse über die Netzentgelte direkt auf die Stromverbraucher abwälzt (181010). Durch diese Umlage werde der bereits niedrige Kostendruck für die Übertragungsnetzbetreiber noch weiter gesenkt, da die entstehenden Kosten nicht von der Erlösobergrenze erfasst und vollständig von den Endkunden getragen werden.
Die Studie beleuchtet auch kurz die regulatorische Praxis bei der Erstellung der Netzanschlüsse in den Niederlanden, Dänemark und Schweden. In Dänemark ist demnach die staatliche Energieagentur für die Planung aller Offshore-Windparks und deren Anschlüsse verantwortlich. Der staatliche Übertragungnetzbetreiber Energinet trägt dabei die Verantwortung für Einschätzungen zu Umweltauswirkungen und erstellt Vorgaben für die technischen Anforderungen an die Windparks. Wenn diese erfüllt sind, verpflichtet sich Energienet, den Netzanschluss bereitzustellen. Seit März dieses Jahres werden Windparks und Anschlüsse jedoch gemeinsam wettbewerblich ausgeschrieben.
Schon vor knapp zwei Jahren hatte der dänische Energiekonzern von fehlenden Wettbewerb in diesem Sektor gesprochen und vorgeschlagen, den Windpark-Betreibern auch die Herstellung der Netzanbindungen zu überlassen (170711). Damals hieß er noch Dong Energy. Seit November 2017 firmiert er unter Ørsted – eine Hommage an den dänischen Wissenschaftler Hans Christian Ørsted, der vor fast 200 Jahren den Elektromagnetismus entdeckte. Zugleich will er damit seine Wandlung von einem konventionellen Kraftwerksbetreiber zum Marktführer im Bereich Offshore-Windenergie unterstreichen. In der deutschen Nordsee betreibt Ørsted die Windparks Borkum Riffgrund 1und 2 (190409) sowie Gode Wind 1 und 2 (170711). Bei der ersten Ausschreibung für Windparks in der Nordsee sicherten sich die Dänen 2017 die Windpark-Projekte OWP West und Gode Wind 3 (170401). Bei der zweiten Ausschreibung 2018 konnten sie die Kapazität von Borkum Riffgrund 1 um 420 MW erweitern (180413). Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen weltweit rund 6000 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 10,7 Milliarden Euro.
Ørsted gehört noch zu rund 57 Prozent dem dänischen Staat. Vor fünf Jahren wurden 19 Prozent der Aktien an die Investmentbank Goldman Sachs verkauft. Der Einzelaktionär bekam dabei weitgehende Mitbestimmungsrechte. Zum Beispiel soll seine Zustimmung bei einem Chefwechsel, einem großen Kauf oder einer Aktienemission erforderlich sein. Der Verkauf kam wegen der hohen Verschuldung des Staatskonzerns zustande. Er war politisch so heftig umstritten, dass darüber die damalige Koalitionsregierung der Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt zerbrach.