März 2018 |
180306 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die risikolosen Gewinne, die den Kapitaleignern der regulierten Netzbetreiber über behördlich garantierte Renditen zufließen, werden noch attraktiver: Am 22. März erklärte der 3. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Absenkungen für unzulässig, welche die Bundesnetzagentur an der Eigenkapitalverzinsung der Netzbetreiber vorgenommen hat (161004).
Unter Berücksichtigung des drastischen und lang andauernden Zinsverfalls am Kapitalmarkt kürzte die Bundesnetzagentur im Oktober 2016 die Eigenkapitalverzinsung für die dritte Regulierungsperiode, die für Gas von 2018 bis 2022 und für Strom von 2019 beginnt. Gemäß § 7 der Stromnetzentgeltverordnung ergibt sich der Eigenkapitalzinssatz aus einem Basiszinssatz, der sich am 10-Jahres-Durchschnitt risikoloser Kapitalanlagen orientiert, und einem sogenannten Wagniszuschlag, der das unternehmerische Risiko abbilden soll. Für Altanlagen ermittelte die Behörde so einen Zinssatz von 5,12 Prozent anstelle von bisher 7,14 Prozent. Für Neuanlagen senkte sie den Zinssatz von 9,05 Prozent auf 6,91 Prozent.
Nach Ansicht der Düsseldorfer Richter ist diese Absenkung rechtswidrig, weil die Höhe des sogenannten Wagniszuschlags methodisch fehlerhaft ermittelt und festgesetzt worden sei. Wie es in der Pressemitteilung des Gerichts heißt, müssten die Geldgeber der Netzbetreiber "auf eine angemessene Rendite vertrauen können". Hierzu gehöre auch "eine risikoadäquate Bewertung, also die Einbeziehung der unternehmerischen Risikofaktoren".
Diesen Umstand habe die Bundesnetzagentur "nicht mit einer wissenschaftlich vertretbaren und rechtlich beanstandungsfreien Vorgehensweise ermittelt". Obwohl die Qualität der von ihr benutzten Daten hervorzuheben und deren Verwendung nicht zu beanstanden sei, müsse "auch die Existenz weiterer Studien und der dadurch ausgewiesenen Bandbreiten in den Blick genommen werden". Das Gericht schließe sich hier der Bewertung anderer Sachverständiger an, die es für methodisch fehlerhaft hielten, "dass die Bundesnetzagentur die Ableitung der Marktrisikoprämie allein aus historischen Daten vorgenommen hat, ohne dabei die Sondersituation des gegenwärtigen Marktumfeldes zu berücksichtigen". Es sei keine "um alternative Bewertungsansätze ergänzte Würdigung und Plausibilitätskontrolle durchgeführt worden".
Die von den Netzbetreibern aufgebotenen Anwälte und Sachverständigen haben somit das Gericht mehr beeindruckt als die Argumente der Bundesnetzagentur. Anscheinend halten die Richter den Betrieb und Ausbau von Stromnetzen für ein hochriskantes Geschäft, das durch einen entsprechend hohen "Wagniszuschlag" gewürdigt werden muss. Das Urteil bedeutet deshalb, dass die immensen Kosten für den Ausbau des deutschen Stromnetzes zu entsprechenden Gewinnsteigerungen bei den Kapitaleignern und damit zu einer zusätzlichen Belastung der Stromverbraucher führen, die letztendlich über die Netzentgelte alles bezahlen müssen.
In Wirklichkeit ist in keinem Bereich der Wirtschaft das unternehmerische Risiko so gering wie im regulierten Netzgeschäft. Nicht zufällig handelt es sich bei den "Investoren" typischerweise um irgendwelche Finanzfonds, Pensionskassen oder Versicherungskonzerne. Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen haben sie sowieso nicht, weil Netzbetrieb und -ausbau vom Staat vorgegeben sind. Sie beteiligen sich vielmehr an einer Art Geldmaschine mit garantierten Gewinnen. Der größtenteils noch gar nicht verwirklichte Netzausbau wird so zu einem gigantischen Geschäft. Wie profitabel der Netzbetrieb sein kann, hat soeben erst die sechsfache Wertsteigerung gezeigt, die ein Finanzinvestor beim Verkauf eines Fünftels der Anteile am Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz erzielte (180305).
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann beim Bundesgerichtshof angefochten werden. "Die Netzbetreiber fordern hier hohe Millionenbeträge, die von den Strom- und Gaskunden getragen werden müssen", erklärte der Behördenchef Jochen Homann in einer ersten Stellungnahme. "Wir werden daher eine Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ernsthaft prüfen."
Als einziger netzunabhängiger Energieanbieter war das Ökostrom-Unternehmen LichtBlick an dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf beteiligt. "Das ist ein trauriger Tag für die Verbraucher", erklärte sein Geschäftsführer Gero Lücking. "Das Oberlandesgericht hat sich ohne Not dem Druck der einflussreichen Kläger um E.ON und RWE gebeugt. Die Richter haben sich als Mediator zwischen Branche und Behörde betätigt, statt geltendes Recht konsequent anzuwenden und durchzusetzen. Die Bundesnetzagentur muss jetzt vor den Bundesgerichtshof ziehen. Denn die Renditen im risikofreien Geschäft der Netz-Monopolisten sind auch angesichts niedriger Marktzinsen viel zu hoch."
Laut einer Auswertung von LichtBlick genehmigte die Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr Netzentgelte in Höhe von 25 Milliarden Euro. Viele Netzbetreiber würden mit ihren Investitionen in einem weitgehend risikofreien Monopolgeschäft sehr hohe Eigenkapitalrenditen von 20 bis 30 Prozent erzielen. Während die Netz-Investitionen in Deutschland seit 2011 stabil geblieben seien, hätten sich die Entgelte für Stromkunden seitdem um 28 Prozent erhöht.