September 2011 |
110906 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bundesnetzagentur will die Rendite der Netzbetreiber beim Bau neuer Strom- und Gasleitungen mit Beginn der zweiten Regulierungsperiode von 9,29 auf 8,20 Prozent senken. In einer Mitteilung vom 9. September begründete sie dies mit der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus. Im Vergleich mit dem "gerade in letzter Zeit sehr volatilen allgemeinen Markt" könnten im Netzbereich "sehr stabile und konstante Renditen" erwirtschaftet werden. Die Netzbetreiber haben im Rahmen des nunmehr eröffneten Konsultationsverfahrens bis 5. Oktober Gelegenheit, ihre Stellungnahmen abgeben. Danach setzt die Behörde endgültig die Höhe der Eigenkapitalverzinsung fest, von der die Erlöse der Netzbetreiber abhängen.
Nach § 7 Abs. 6 der Netzentgeltverordnung Strom bzw. Gas entscheidet die Bundesnetzagentur über die Eigenkapitalzinssätze jeweils vor Beginn einer Regulierungsperiode. Die Festlegung der Eigenkapitalverzinsung für die erste Regulierungsperiode erfolgte erstmalig im Juli 2008 (080710). Die zweite Regulierungsperiode beginnt für Gasnetzbetreiber am 1. Januar 2013 und für Stromnetzbetreiber am 1. Januar 2014. Die Behörde orientiert sich bei der Festsetzung der zulässigen Eigenkapitalverzinsung an der allgemeinen Entwicklung des Kapitalmarktes.
Die vier Transportnetzbetreiber reagierten naturgemäß mit großem Lamento. Die Bundesnetzagentur setze damit "ein völlig falsches Signal zur Umsetzung der Ziele der Energiewende", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von 50Hertz, Amprion, EnBW TNG und TenneT TSO. Der Vorschlag sei "eine Investitionsbremse für den dringend benötigten Ausbau der Netzinfrastruktur". Er erschwere und verteuere die Finanzierung künftiger Netzprojekte, weil geringere Unternehmensrenditen zwangsläufig zu höheren Fremdkapitalkosten führen würden. Diese Verteuerung der Finanzierung des Netzausbaus führe dann wiederum "letztlich zu höheren Preisen". In Österreich, Italien, Großbritannien und Spanien lägen die von den Regulierungsbehörden bewilligten Eigenkapitalzinssätze nach Steuern bereits heute über dem deutschen Niveau. Deutschland werde deshalb "in Europa weiter an Attraktivität für Kapitalanleger verlieren".
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stieß ins selbe Horn. BDEW-Chefin Hildegard Müller kritisierte außerdem, daß die Bundesnetzagentur schon bei der Eröffnung des Konsultationsverfahrens eine konkrete Absichtserklärung zur Absenkung der Eigenkapitalzinssätze getroffen habe: "Es erstaunt, daß die Bundesnetzagentur eine Konsultation über die Höhe des künftigen EK-Zinssatzes startet, gleichzeitig aber schon die aus ihrer Sicht angemessene Höhe der Verzinsung verkündet."
Die Bundesnetzagentur verfährt indessen nicht anders als schon beim Konsultationsverfahren für die erste Regulierungsperiode. Damals wollte sie die zulässige Eigenkapitalverzinsung der Netzbetreiber zunächst um bis zu zwei Prozentpunkte senken (080510). Sie berücksichtigte damit – wie bei der jetzigen Ankündigung – die allgemeine Entwicklung am Kapitalmarkt. Im Verlauf des Konsultationsverfahrens kam es dann aber sogar zu einer Erhöhung, weil die Behörde einige Formulierungen der Anreizregulierungsverordnung nachträglich anders interpretierte und zugunsten der Netzbetreiber auslegte (080710).
Die jetzt geplanten Abstriche an der damals bewilligten Eigenkapitalverzinsung überraschen höchstens insoweit, als die Politik bisher bereit schien, den Netzbetreibern eine unangemessen hohe Rendite zuzugestehen. Begründet wurde dies mit der angeblichen Notwendigkeit von Anreizen für den Netzausbau. So will die schwarz-gelbe Koalition in ihrem "Energiekonzept" den Netzbetreibern die "unmittelbare Anrechnung der Kosten für den Netzausbau" sowie eine "verbesserte Rendite für die Errichtung eines Overlay-Netzes und den Einsatz innovativer Technologien" gewähren (100902). Die Umweltstaatssekretärin Katherina Reiche (CDU) schlug einen zusätzlichen Zinsbonus für alle Investitionen vor, die für den Ausbau der erneuerbaren Energien wichtig seien. Der Chef der Deutschen Energie-Agentur, Stephan Kohler, plädierte ebenfalls für höhere Renditen, um den Netzausbau zu beschleunigen (100502). Alle diese Vorschläge würden zwar die Gewinne der Netzbetreiber erheblich steigern, aber dem Grundprinzip der Regulierung zuwiderlaufen, wonach die Netzbetreiber als Gegenleistung für die garantierten Renditen auch für die Unterhaltung und den notwendigen Ausbau der Netze zu sorgen haben.
Daß die Garantie-Renditen interessant sind, zeigt der mittlerweile erfolgte Einstieg von reinen Kapitalanlegern bei den ehemaligen Transportnetzen von RWE (110705) und Vattenfall (100307). Auch für ausländische Transportnetzbetreiber sind sie verlockend: Das ehemalige E.ON-Transportnetz gehört deshalb jetzt dem staatlichen niederländischen Netzbetreiber TenneT (091101). Der belgische Netzbetreiber Elia hat sogar den Kraftakt nicht gescheut, beim ehemaligen Vattenfall-Transportnetz, das deutlich größer als sein eigenes ist, als Mehrheitseigentümer einzusteigen (100307).
Transportnetzbetreiber | Stromkreislänge 380/220 kV | Mitarbeiter | Neue Eigentümer | Alte Eigentümer | Vorläufer | Verkaufspreis bzw. Unternehmenswert |
Amprion GmbH (bis 31.8.2009 RWE Transportnetz GmbH) |
11000 | 850 | Ein Konsortium aus Versicherungswirtschaft und Versorgungswerken
unter Führung der Commerzbank; RWE behält vorerst 35,9 Prozent,
später 25,1 Prozent. (110705) |
RWE |
RWE |
700 Mio Euro bzw. 1300 Mio Euro |
Tennet TSO GmbH (bis 4.10.2010 Transpower Stromübertragungs Gmbh;
bis 3.5.2009 E.ON Netz GmbH) |
10700 | 700 | Der staatliche niederländische Netzbetreiber TenneT |
E.ON | PreussenElektra |
1100 Mio Euro bzw. 885 Mio Euro |
50Hertz Transmission GmbH (bis 31.12.2009 Vattenfall Europe
Transmission GmbH) |
9740 | 516 | Der belgische Netzbetreiber Elia Systems Operator mit 60 Prozent;
der Infrastrukturfonds Industry Funds Management (IFM) mit 40 Prozent |
Vattenfall |
VEAG
|
810 Mio. Euro |
EnBW Transportnetze AG | 3644 | 100 | ? ? ? (110705) |
EnBW | EVS |