Mai 2016 |
160505 |
ENERGIE-CHRONIK |
Während die Zinsen für normale Geldanlagen gegen null Prozent tendieren, können die Netzbetreiber weiterhin eine Eigenkapitalverzinsung bis zu 9,05 Prozent geltend machen. Auch die Bundesnetzagentur hält die Zinssätze, die sie den Strom- und Gasnetzbetreibern für die zweite Regulierungsperiode zugestanden hat, inzwischen für zu hoch. Trotzdem will sie von dem "Widerrufsvorbehalt", mit dem sie ihren Genehmigungsbeschluß vom 2. November 2011 versehen hat (120312), keinen Gebrauch machen. Auf Nachfrage der ENERGIE-CHRONIK erklärte sie, daß die Zinssätze erst für die dritte Regulierungsperiode neu festgelegt würden. Dann allerdings dürften diese "angesichts der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus niedriger ausfallen als es im Moment der Fall ist". Das würde bedeuten, daß die Stromnetzbetreiber erst ab 2019 und die Gasnetzbetreiber ab 2018 mit Abstrichen zu rechnen hätten.
Bei der Eröffnung des BDEW-Fachkongresses "Treffpunkt Netze" am 1. März hatte Bundesnetzagentur-Präsident Jochen Homann die Branche schonend darauf vorbereitet, daß die gegenwärtige Eigenkapitalverzinsung nicht endlos beibehalten oder sogar erhöht werden könne: "Ein Zinssatz von neun Prozent ist nicht vermittelbar und angesichts des niedrigen Zinsniveaus nicht angemessen und haltbar", sagte er. In der nächsten Regulierungsperiode sei deshalb eine entsprechende Anpassung zu erwarten.
Wie das Fernsehmagazin "Monitor" am 15. Mai berichtete, erzielen die Netzbetreiber in der Praxis noch höhere Renditen, als die behördlich zugestandene Eigenkapitalverzinsung vermuten läßt. Dies habe eine Untersuchung ergeben, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bundesnetzagentur durchführte. Danach haben die Stromnetzbetreiber von 2006 bis 2012 im Schnitt eine Eigenkapitalrendite von 14,4 Prozent erwirtschaftet – also weit mehr als die gesetzlich vorgegebenen 9,05 Prozent für Neuanlagen und 7,14 Prozent für Altanlagen.
Im Einzelfall seien die Renditen vieler Netzbetreiber noch wesentlich üppiger. So habe 2014 die Helmstädter Avacon AG eine Eigenkapitalrendite von 39,1 Prozent erzielt. Bei der Bayernwerk AG seien es 42,9 Prozent und bei der EWE Netz GmbH in Oldenburg 84 Prozent gewesen. Die EnBW-Tochter Netze BW GmbH habe von 2012 bis 2014 eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite von 72,3 Prozent in der Sparte Elektrizitätsverteilung aufgewiesen.
Die Bundesnetzagentur begründete diese Diskrepanzen auf Nachfrage der ENERGIE-CHRONIK damit, daß zwischen der behördlich genehmigten Eigenkapitalverzinsung und den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften unterschieden werden müsse. Die Abweichungen ergäben sich aus einer ganzen Reihe von Gründen (siehe Antwort). Außerdem sei es "gerade der Grundgedanke der Anreizregulierung, daß Netzbetreiber ihre genehmigten Erlöse durch Kosteneinsparung unterbieten und damit erhöhte Gewinne ausweisen können".
Der Energieexperte Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes ging in der "Monitor"-Sendung davon aus, daß die Stromverbraucher in den vergangenen Jahren 200 bis 300 Millionen Euro zu viel bezahlten, weil die Renditen nicht angepaßt wurden: "Das ist ärgerlich für den Verbraucher, das muß nicht sein", meinte er. "Eine funktionierende, gute Regulierung würde diese Überrenditen abschneiden."
Für den Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) forderte Niels-Soennick Schnoor die Offenlegung aller relevanten Geschäftsdaten der Netzbetreiber: "Die stehen mit niemandem im Wettbewerb und das Argument zu sagen, wir geben unsere Daten nicht raus, die müssen geschützt werden, ist natürlich absurd. Vor wem sollen sie geschützt werden? Also was für Geheimnisse haben denn die Netzbetreiber da?"