Mai 2012 |
120507 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der E.ON-Konzern hat das Netz seiner Gastransporttochter "Open Grid Europe", das er sich vor knapp zehn Jahren samt der Ruhrgas AG einverleibte (020701), für 3,2 Milliarden Euro an ein Finanzkonsortium verkauft. Wie er am 16. Mai mitteilte, erging der Zuschlag an ein Konsortium unter Führung des australischen Finanzkonzerns Macquarie, der bereits das Ferngasnetz von RWE übernommen hat (101204). Weiterer Mitglieder des nur aus Finanzinvestoren bestehenden Konsortiums sind die Infinity Investments, die British Columbia Investment Management Corporation und die Meag Munich Ergo Asset Management.
Das Nachsehen haben drei andere Bieterkonsortien unter Führung des französischen Energiekonzerns GDF Suez, des niederländischen Netzbetreibers Gasunie und des belgischen Gasnetzbetreibers Fluxys. Auch der deutsche Versicherungskonzern Allianz hatte eine Offerte abgegeben. Noch im März galt er neben GDF Suez als aussichtsreichster Bieter.
Diese Karte der wichtigsten deutschen Ferngasleitungen
ist nicht mehr ganz aktuell. Dasselbe gilt für die Namen der Netzbetreiber.
Sie läßt aber recht gut erkennen, wie das frühere Ruhrgas-Netz
(orange) das Grundgerüst der deutschen Gasversorgung bildet und vor
allem die über Tschechien ankommenden Gaslieferungen aus Rußland
aufnimmt. Die heutige "Open Grid Europe" verfügt mit rund
12.000 Kilometer nicht nur über die größte Leitungslänge,
sondern beschäftigt mit 1600 Mitarbeitern auch mehr Personal als
alle anderen Ferngasnetzbetreiber zusammen.
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Der Kaufpreis schließt unter anderem die Übernahme von Pensionsverpflichtungen mit ein. Der reine Unternehmenswert wurde mit rund 2,9 Milliarden Euro vereinbart. Die Abwicklung der jetzt unterschriebenen Verkaufsverträge soll im dritten Quartal 2012 abgeschlossen sein. Zuvor muß außer dem Bundeskartellamt auch noch das Bundeswirtschaftsministerium seine Zustimmung geben. Bei der Übernahme der Ruhrgas AG im Jahr 2002 war nämlich die damals erteilte Ministererlaubnis mit der Auflage versehen worden, daß der Verkauf einer Kapital- oder Stimmrechtsmehrheit an Ruhrgas der Zustimmung des Ministeriums bedarf (020701). Außerdem könnte das Ministerium den Verkauf sämtlicher Ruhrgas-Anteile an einen ihm genehmen Käufer verlangen, falls ein anderes Unternehmen eine Mehrheit an E.ON erwirbt (071214). Beide Vorbehalte gelten ab Vollzug der Fusion zehn Jahre lang, laufen also erst 2013 aus. In der Praxis sind sie aber bedeutungslos geworden. Ein Einspruch gegen den Verkauf des früheren Ruhrgas-Netzes ist weder vom Ministerium noch vom Kartellamt zu erwarten.
Die einst stolze Ruhrgas AG, die vor zehn Jahren durch einen spektakulären politischen Kuhhandel sowie die außergerichtliche Einigung mit klagenden Konkurrenten in Besitz des E.ON-Konzerns gelangte, ist inzwischen nur noch eine Gashandelstochter mit diversen Beteiligungen. Bis zum Verkauf der Thüga (091213) verwaltete sie vor allem die Stadtwerke-Beteiligungen des E.ON-Konzerns (040707). Die langfristigen Lieferverträge für russisches Gas sind neuerdings eher zur Belastung geworden (110708). "Für eine gescheiterte Strategie ist das kein böses Ende", kommentierte deshalb die FAZ (18.5.) den nunmehr erzielten Verkaufspreis von rund drei Milliarden Euro für das 12.000 Kilometer lange Netz.
Seit 2004 firmierte die Ruhrgas AG unter dem neuen Namen E.ON Ruhrgas AG. Als erster Tribut an die vom neuen Energierecht geforderte Entflechtung des Netzbereichs wurde im selben Jahr die Ruhrgas-Transport gegründet und 2006 in E.ON Gastransport umbenannt. Seit 2008 besaß diese Tochter auch das Eigentum am Gasnetz. Faktisch handelte es sich aber weiterhin nicht um einen unabhängigen Netzbetreiber. Die EU-Kommission leitete deshalb eine kartellrechtliche Untersuchung ein, um die E.ON-Pipelines auch für Wettbewerber zu öffnen (100515). In ähnlicher Weise hatte sie zuvor den Konzern beim Stromtransportnetz unter Druck gesetzt (081101). Zugleich demontierte die Bundesnetzagentur die bestehenden Versorgungsmonopole durch die Einführung von Gas-Marktgebieten und deren sukzessive Verringerung von ursprünglich 19 auf nur noch zwei (120409).
E.ON sah unter diesen Umständen den ganzen Bereich der Transportnetze nicht mehr als hinreichend attraktiv an. Nach der Trennung vom Übertragungsnetz für Strom (091101) geriet deshalb auch das frühere Ruhrgas-Netz auf die Verkaufsliste. Schon im September 2010 bekam die Tochter E.ON Gastransport mit der Umbenennung in "Open Grid Europe" (OGE) ein international attraktives Brautkleid. Zugleich wählte E.ON die schwächste der drei Entflechtungs-Optionen der neuen EU-Richtlinie (090401), um die OGE als "unabhängiger Transportnetzbetreiber" (ITO) einem möglichst großen Interessentenkreis anbieten zu können. Erstmals publik wurden die Verkaufsabsichten im folgenden Jahr (110806). Zunächst wurde der erzielbare Verkaufspreis auf eher zwei Milliarden geschätzt. Das erklärt wohl auch, weshalb die drei Bieter aus dem Energiebereich bei dem monatelangen Poker nicht mithalten wollten. Daß reine Finanzinvestoren den Sieg davontrugen, bezeugt andererseits aber auch die Attraktivität der Renditen, die in Deutschland die Bundesnetzagentur den Netzbetreibern gewährt und die auch in der 2013 beginnenden zweiten Regulierungsperiode für die Gasnetze deutlich über dem allgemeinen Zinsnveau liegen werden (120312).