September 2011 |
110901 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das vom Bundestag beschlossene "Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid" (110703) wird zumindest in der vorliegenden Form nicht in Kraft treten können. Am 23. September versagten ihm die Länder überraschend die erforderliche Zustimmung. Der Bundesrat verzichtete auch auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Bundestag und Bundesregierung haben nun die Möglichkeit, ihrerseits den Vermittlungsausschuß anzurufen.
Auf Drängen der CDU-regierten Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein (110407) war dem Gesetz in § 2 Abs. 5 bereits ein Passus eingefügt worden, der den Bundesländern die Möglichkeit einräumen sollte, die Durchführung von CCS-Vorhaben auf ihrem Gebiet teilweise oder ganz zu untersagen. Außerdem signalisierte die Bundestagsmehrheit in einer Ausschußempfehlung an den Bundesrat ihre Bereitschaft, die in § 31 Abs. 2 vorgeschriebene Haftungsübernahme der Länderbehörden für die Kohlendioxid-Speicher durch eine Kann-Bestimmung zu ersetzen. Es war deshalb eigentlich erwartet worden, daß der Bundesrat dem Gesetz zustimmen würde. Die Zugeständnisse reichten aber offenbar nicht aus, um die Widerstände und kontroversen Standpunkte in der Ländervertretung zu überwinden. Die von SPD und Grünen regierten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg verlangten eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes, weil es "unmittelbar eine großtechnische Umsetzung" eröffne, statt die CCS-Technologie "ergebnisoffen" zu erforschen. Die SPD-regierten Länder Brandenburg und Hamburg sowie das CDU-regierte Sachsen forderten die Streichung von § 5 Abs. 2, weil diese Klausel zu einem "Ausstiegswettbewerb" einlade.
SPD und Grüne begrüßten das Scheitern des CCS-Gesetzes, vermieden es aber, sich konsequent für ein Verbot der CO2-Verpressung auszusprechen. "Die Bundesregierung hat nun die Chance, ihren Entwurf in entscheidenden Punkten nachzubessern", erklärte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch. Die Haftungsregeln für die Betreiber müßten erweitert und die Rechte der Länder gestärkt werden. Gleichzeitig müsse aber im "Rahmen eines Erforschungsgesetzes die Chance erhalten werden, den potenziellen Nutzen der CCS-Technologie gerade im Bereich der prozeßintensiven Industrien wissenschaftlich zu untersuchen". Die Bundestagsfraktion der Grünen äußerte die Erwartung, daß "Schwarz-Gelb sich von der Anwendung von CCS bei Kohlekraftwerken verabschiedet und stattdessen ein schmales Forschungsgesetz für prozeßbedingte Emissionen vorlegt".
Die zugrunde liegende EU-Richtlinie 2009/31/EG zur geologischen Speicherung von Kohlendioxid (090614) hätte schon bis Juni umgesetzt werden müssen. Sie sieht allerdings nicht nur die Zulassung der unterirdischen Kohlendioxid-Verpressung vor, sondern räumt in Artikel 4 Abs. 1 den Mitgliedsstaaten auch ausdrücklich das Recht ein, "keinerlei Speicherung auf Teilen oder auf der Gesamtheit ihres Hoheitsgebiets zuzulassen". Angesichts der kaum überbrückbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesrat und Bundestag sowie der Differenzen innerhalb der Ländervertretung bliebe somit immer noch der Ausweg, von dieser zweiten Möglichkeit Gebrauch zu machen.
Der Chef von Vattenfall Europe, Tuomo Hatakka, bezeichnete die Bundesratsentscheidung als "schlechte Nachricht für den Klimaschutz" und ließ erkennen, daß sein Unternehmen unter diesen Umständen auf die geplante großtechnische Abscheidung von CO2 an einem Braunkohleblock des Kraftwerks Jänschwalde (080513) verzichten wird. Schon das vom Bundestag beschlossene Gesetz sei keine ausreichende Basis für die geplante Milliardeninvestition in Jänschwalde gewesen. Vattenfall werde nun "den eigenen Beitrag zur Technologieentwicklung aufgrund der politischen Entscheidungen in den kommenden Jahren verringern, aber zugunsten des notwendigen eigenen Know-hows nicht aufgeben". Der Betrieb der Pilotanlage in Schwarze Pumpe (080912) sowie andere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu CCS würden fortgeführt.