August 2011 |
110801 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der E.ON-Konzern hat am 10. August eine "konsequente Vereinfachung der Konzernstruktur" angekündigt, die bis bis spätestens 2015 verwirklicht sein soll und "möglicherweise 9.000 bis 11.000 Arbeitsplätze betreffen" werde. Er will auf diese Weise eine jährliche Kosteneinsparung von 1,5 Milliarden Euro erreichen. Zur Begründung verwies er auf das schlechte Geschäftsergebnis im zweiten Quartal 2011, das beim bereinigten Konzernüberschuß erstmals rote Zahlen erbracht habe. Im ersten Halbjahr habe deshalb der bereinigte Konzernüberschuß mit 900 Millionen Euro um 71 Prozent unter dem Vorjahr gelegen.
Als Hauptgrund für die schlechtere Geschäftslage nannte E.ON die Änderung des Atomgesetzes mit der Rücknahme der längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke (110601) und das Festhalten der Bundesregierung an der neu eingeführten Brennelementesteuer (110607). Belastend ausgewirkt hätten sich ferner "negative Ergebnisse aus langfristigen Gasbezugsverträgen" (110811) und geringere Erlöse im Stromhandelsgeschäft.
Wie E.ON-Chef Johannes Teyssen bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz 2011 weiter ankündigte, soll der Arbeitsplatzabbau vor allem im Bereich "Verwaltung" stattfinden. Der Aufsichtsrat werde im Herbst entsprechende Entscheidungen treffen. Als ziemlich sicher gilt die Schließung der Zentrale der E.ON Energie in München mit rund 400 Beschäftigten. Unbestätigten Berichten zufolge wird auch die Auflösung der Kraftwerkstochter in Hannover und der E.ON Ruhrgas erwogen, um deren Funktionen bei der Konzernleitung in Düsseldorf anzusiedeln.
Die E.ON-Dependancen in Hannover und München entstanden aus den früheren Zentralen von PreussenElektra und Bayernwerk, als diese vor elf Jahren zur E.ON Energie verschmolzen wurden (000704). Die Ruhrgas, die seit 2003 zu E.ON gehört (030101), sitzt traditionell in Essen. Sie hat dort erst im Oktober 2010 ein neues Gebäude bezogen, in dem rund 1.800 Menschen arbeiten.
Die Gewerkschaft Verdi geht davon aus, daß der konzernweite Abbau bis zu 6.000 Arbeitsplätze in Deutschland treffen könnte. Teyssen habe mit seiner überraschenden Ankündigung Frust und tiefe Enttäuschung bei vielen Beschäftigten ausgelöst, erklärte der nordrhein-westfälische Verdi-Chef Verdi-Landeschef Detlef Ahting. "Bisher war es selbstverständlich, dass betriebsbedingte Kündigungen auch bei Umstrukturierungen immer ausgeschlossen werden." Einen weiteren "Tabubruch" habe Teyssen begangen, indem er seine Pläne nicht vorab mit den Betriebsräten besprach.
Die deutschen Energiekonzerne haben seit Beginn der Liberalisierung systematisch Arbeitsplätze abgebaut und so von 1998 bis 2005 den Anteil der Gewinne an der Nettowertschöpfung verdoppelt (090609). Im Herbst 2008 setzte E.ON zu einem besonders kräftigen Personalschnitt durch Zentralisierung des Strom- und Gasvertriebs an (081008). Die Gewerkschaft Verdi warnte bereits damals vor weitergehenden Plänen zum Abbau von 10.000 Arbeitsplätzen weltweit und von 6000 in Deutschland (090608). Nach intensiven Verhandlungen einigten sich Konzernspitze und Gewerkschaften auf einen mäßigen Personalabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen (090807). Dieses sogenannte Effizienzprogramm konnte damals nicht mit einer schlechten Ertragslage begründet werden, sondern diente unter dem Motto "PerformtoWin" erklärtermaßen der Gewinnoptimierung.
Anscheinend nimmt die Konzernspitze nunmehr den energiepolitischen Salto der Bundesregierung zum Anlaß, um die alten Pläne wieder hervorzuholen und mit drohenden roten Zahlen zu begründen. E.ON nennt die "vorzeitigen, ungeplanten Stillegungen von Kernkraftwerken" als wesentlichen Grund für eine nachhaltig verdüsterte Geschäftslage. Faktisch wurde aber durch die Novellierung des Atomgesetzes nur die bis Ende 2010 geltende Rechtslage wieder hergestellt (110601). Eine dauerhafte zusätzliche Belastung ergibt sich lediglich durch die neu eingeführte Brennelementesteuer.
Generell sind die von den Energiekonzernen vorgelegten Bilanzen wenig aussagekräftig. Insbesondere gilt dies für die Ausweisung von Gewinnen. Tatsache ist allerdings, daß E.ON und die anderen Energiekonzerne nun die Quittung für eine Geschäftspolitik bekommen, die jahrelang nur auf Gewinnmaximierung ausgerichtet war. Sie gingen ohne Not hohe Finanzverschuldungen ein, die bei mäßiger sprudelnden Erträgen zum Klotz am Bein werden. Ihr Börsenwert sank binnen drei Jahren drastisch und beträgt teilweise nur noch ein Viertel des 2008 erreichten Höchststandes.