April 2003

030403

ENERGIE-CHRONIK


Werner Müller neuer RAG-Chef - Saarberg und Steag vor dem Verkauf

Der Aufsichtsrat des RAG-Konzerns hat am 6. April den früheren Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) zum neuen Vorstandsvorsitzenden bestellt. Müller ersetzt in diesem Amt den früheren hessischen Finanzminister Karl Starzacher (SPD), der überraschend um seine Ablösung zum 31. Mai 2003 gebeten hatte. Ferner wurde der Degussa-Vorstandsvorsitzende Utz-Hellmuth Felcht neu in den in den RAG-Vorstand berufen. Das Stühlerücken im Vorstand erfolgt im Zusammenhang mit einer strategischen Neuausrichtung der RAG, die ihr Energiegeschäft verkaufen will, um sich künftig auf Bergbau, Immobilien und Chemie zu konzentrieren. Im Zuge dieser Trennung vom Energiegeschäft stehen die Konzerne RAG Saarberg und Steag zur Disposition, die in den Bereichen Stromerzeugung, Kraftwerksbau, Fernwärme und Gasversorgung tätig sind.

Am 5. März hatte die RAG mitgeteilt, daß sie sich künftig auf die drei Säulen Bergbau (national und international), Immobilien und Chemie stützen wolle. Dies bedeute die Abgabe der Geschäftsbereiche Stromerzeugung/Gas und Kunststoffe. Damit kämen rund 17.800 Mitarbeiter unter ein neues Dach, sagte der Vorstandsvorsitzende Karl Starzacher. Am 1. April folgte überraschend die Mitteilung vom Rückzug Starzachers, den E.ON-Chef Ulrich Hartmann als Vorsitzender des RAG-Aufsichtsrats "mit Bedauern und großem Respekt zur Kenntnis genommen" habe.

Laut "Wirtschaftswoche" (10.4.) wurde Starzachers Rücktritt vor allem vom RAG-Anteilseigner RWE ausgelöst: Im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf der Steag an RWE sei es zu einem Streit mit dem RWE-Finanzchef und RAG-Aufsichtsratsmitglied Klaus Sturany gekommen. Außerdem habe sich die Arbeitnehmerseite über Starzachers Unternehmensführung beschwert.

Die Partie zwischen E.ON und RWE scheint noch nicht beendet zu sein

Der E.ON-Konzern ist mit 39,2 Prozent größter Anteilseigner der RAG. Weitere Hauptaktionäre sind RWE (30,2 Prozent) und ThyssenKrupp (20,6 Prozent). Im Einvernehmen mit RWE und ThyssenKrupp hatte E.ON im Jahr 2001 mit der Übernahme der Ruhrgas AG begonnen (011110). Die RAG sollte dabei für ihre Ruhrgas-Anteile den Chemiekonzern Degussa erhalten, der schon seit längerem bei E.ON auf der Verkaufliste stand (020809). Wegen des Einspruchs des Bundeskartellamts (020103) und der anschließenden Auseinandersetzung um die Ministererlaubnis (021201) dauerte es jedoch bis Anfang 2003, ehe E.ON tatsächlich die Mehrheit am größten deutschen Gasversorger erhielt und das Übernahmeangebot der RAG an die Degussa-Aktionäre vollzogen werden konnte ( 030101). Die RAG besitzt vorerst eine Beteiligung von 46,48 Prozent an Degussa, die im Frühjahr 2004 durch Erwerb weiterer E.ON-Anteile zur Mehrheit aufgestockt werden soll.

Schon im Dezember 2001 hatten E.ON und RWE sich darauf verständigt, ihre beiderseitigen Beteiligungen an dem Steinkohle-Verstromer und Kraftwerksbauer Steag der RAG zu überlassen (011207). Als E.ON sich dann zur Übernahme der Ruhrgas anschickte, gab es Spekulationen, wonach RWE für die Ermöglichung der Ruhrgas-Übernahme mit der Überlassung des Steag-Konzerns entschädigt würde ( 010701). Da die RAG in hohem Maße von staatlichen Subventionen abhängig ist, könnte eine solche Transaktion allerdings nicht ohne Zustimmung der Bundesregierung erfolgen. Dasselbe gilt für den Verkauf der RAG Saarberg, die bisher als RAG-Tochter mit RWE kooperiert (020108,03011).

Oppositionsparteien sprechen von "unglaublichem Skandal"

Der neue RAG-Vorstandsvorsitzende Werner Müller war von 1973 bis 1980 für RWE und anschließend für den E.ON-Vorläufer Veba tätig. Von 1992 bis 1997 gehörte er zum Vorstand der Veba Kraftwerke Ruhr. Seit 1991 beriet er den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder in Fragen der Energiepolitik (930908). Im Herbst 1998 berief ihn der neue Bundeskanzler Schröder zum Bundeswirtschaftsminister (981002).

In Müllers Amtszeit als Bundeswirtschaftsminister fiel die umstrittene Ministererlaubnis zur Übernahme von Ruhrgas durch E.ON (020901). Außerdem hatte sein Ministerium im EU-Ministerrat die Verlängerung der Steinkohle-Subventionen für die RAG ausgehandelt ( 021005). Auf Antrag der FDP kam es deshalb am 10. April im Bundestag zu einer Aktuellen Stunde: Sprecher der Oppositionsparteien bezeichneten es als "unglaublichen Skandal", daß Müller nun die Führung eines Unternehmens übernehme, dem er als Minister zu Subventionen verholfen habe und das der durch die Ministererlaubnis begünstigten E.ON gehöre (siehe 030404 ).

Gewerkschaft erhofft sich von Müller weniger schmerzhafte Einschnitte

Die Berufung Müllers zum RAG-Chef erfolgte auf Vorschlag von E.ON-Chef Ulrich Hartmann als Vorsitzendem des Aufsichtsrats. Anscheinend verdankt Müller seine Berufung zum RAG-Vorstandsvorsitzenden aber mindestens ebenso der IG Bergbau Chemie Energie, die wegen der paritätischen Mitbestimmung bei dem Montanunternehmen eine starke Position besitzt und sich von dem früheren Bundeswirtschaftsminister ein optimales Ergebnis bei den bevorstehenden Verhandlungen über die Verlängerung der Steinkohle-Beihilfen (021005) erhofft. Der Degussa-Vorstandsvorsitzende Felcht war zunächst ebenfalls als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge Starzachers genannt worden. Er gilt als Befürworter eines möglichst schnellen Wandels der RAG vom Bergbau- zum Chemieunternehmen. Deshalb hätte er kaum Chancen gehabt, die Zustimmung der Arbeitnehmerseite erhalten.

Aus der Ruhrkohle AG wurde der Mischkonzern RAG

Die RAG entstand 1969 aus der Zusammenfassung der verbliebenen Zechen an der Ruhr in der Ruhrkohle AG, die sich seit 1997 "RAG Aktiengesellschaft" nennt. In einem weiteren Schritt wurde 1998 auch der Saarbergbau einbezogen und unter dem Dach der RAG mit den Ruhr-Zechen zur "Deutsche Steinkohle AG" zusammengelegt (980915, 020514). Neben diesem hochsubventionierten und tendenziell schrumpfenden Bergbau-Bereich, der stark von der Politik abhängig ist, besitzt die RAG eine Reihe weiterer Unternehmen, die normal am Markt agieren und mit ihren Erlösen die defizitäre Deutsche Steinkohle AG stützen. Dazu gehört auch das internationale Bergbau-Geschäft. Nach dem Geschäftsbericht für das Jahr 2001 ergibt sich folgendes Bild für die einzelnen RAG-Gesellschaften:

Umsatz 2001 
in Millionen Euro
Erlös nach Steuern 2001 
in Millionen Euro
MItarbeiter 2001
Deutsche Steinkohle 4998 - 133 51612
RAG Coal International 4567 + 54 6605
RAG Immobilien 808 + 43 2488
Steag 1142 + 90 3327
Rütgers 2783 - 51 11112
RAG Saarberg 3480 + 7,2 9409
RAG Bildung 109,8 + 0,3 1409
RAG Informatik 133,5 + 5,5 845
RAG Versicherungsdienst 6,5 + 3,9 46

Quelle: Geschäftsbericht RAG 2001

Die Degussa, die im Geschäftsjahr 2001 mit 53387 Mitarbeitern einen Umsatz von 12932 Millionen Euro und einen Bilanzgewinn von 226 Millionen Euro erwirtschaftete, wird künftig mit Abstand das wichtigste Unternehmen des RAG-Konzerns sein. Durch den Verkauf von Saarberg und Steag sowie die weitere Schrumpfung des nationalen Bergbaues wird sich das Schwergewicht innerhalb der RAG noch stärker auf den Chemiebereich verlagern.

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