März 2022

220309

ENERGIE-CHRONIK


Auf dem Gesetzgebungs-Feld "Energie" ackern mehr als tausend registrierte Lobbyisten

Seit 1. März dürfen Lobbyisten nur noch dann Vertreter der Bundesregierung oder des Bundestags kontaktieren, wenn sie die Vorgaben des Lobbyregistergesetzes erfüllen, das vor einem Jahr vom Bundestag beschlossen wurde und zum Jahresbeginn in Kraft trat. Andernfalls können sie mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro belegt werden. Zu den Vorgaben gehört unter anderen die Angabe der Interessengebiete, auf denen die Beeinflussung von Gesetzgebung oder anderen politischen Entscheidungen erfolgen soll. Gab man dazu Ende März unter lobbyregister.bundestag.de den Suchbegriff "Energie" ein, führte dies zu mehr als 1.250 Treffern. In Wirklichkeit ackern freilich noch viel mehr Personen auf diesem Gesetzgebungs-Feld. Die Einträge stammen nämlich in aller Regel von Verbänden, Unternehmen oder anderen juristischen Personen, die ihrerseits jeweils eine bis zu dreistellige Anzahl von Mitarbeitern mit der Kontaktpflege zu Ministerialbürokratie und Parlamentariern beauftragt haben. Der mit der Beeinflussung politischer Entscheidungen befasste Personenkreis dürfte deshalb sowohl insgesamt als auch nur im Bereich Energie von fünfstelliger Größe sein.

Wer wirklich fündig werden will, muss erst ein 189 Seiten starkes Handbuch lesen

Man muss freilich mit der vom Register vorgegebenen Struktur vertraut sein und neben dem Gesetzestext (PDF) das 189 Seiten umfassende "Handbuch" (PDF) gelesen haben, um die Suchfunktion sinnvoll verwenden zu können. Zum Beispiel ergab das Suchwort "Energiewirtschaft" lediglich 39 Treffer. Bei "Strom" waren es 125, bei "Stromwirtschaft" nur 2 und bei "Elektrizitätswirtschaft" überhaupt keine.

Das liegt daran, dass die Suchbegriffe im wesentlichen vom Register vorgegeben werden: Laut "Handbuch" entfallen sie auf 29 Oberbereiche, von denen aber nur sieben nicht weiter spezifiziert sind. Die übrigen 22 Oberbereiche enthalten insgesamt 126 Unterbereiche. Zum Beispiel enthält der Oberbereich "Energie" die fünf Unterbereiche "Allgemeine Energiepolitik", "Atomenergie", "Energienetze", Erneuerbare Energien", "Fossile Energien" sowie "Sonstiges im Bereich Energie". So ergeben sich insgesamt 133 Wahlmöglichkeiten unter den vorgegebenen Stichworten. Hinzu gibt es bei den 22 Unterbereichen jeweils die Möglichkeit, "sonstige" Interessenbereiche anzugeben.

Dies erklärt die ganz unterschiedlichen Ergebnisse, wenn beispielsweise anstelle von "Energie" nach "Energiewirtschaft" gesucht wird. Der zweite Begriff ist eben im Register genausowenig vorgesehen wie "Strom" oder "Elektrizität". Alle drei werden deshalb nur gefunden, wenn sie jemand unter "Sonstiges" zusätzlich eingegeben hat.

Bis Ende März haben sich 23.668 Personen als Lobbyisten registrieren lassen

Obwohl das Gesetz seit langem bekannt und beschlossen worden war, haben die Betroffenen die zweimonatige Übergangsfrist nach dem Inkrafttreten nur zögerlich genutzt. Bis 18. Februar hatten sich erst 650 Interessenvertreter eintragen lassen. Beim Ablauf der Übergangsfrist am 1. März waren es dann schon 2.400 und bis Mitte März rund 3.400. Meistens handelte es sich sich um Verbände, Unternehmen, Organisationen oder andere juristische Personen, die dann ihrerseits einen mehr oder weniger umfangreichen Personenkreis benennen, der für sie die Lobby-Arbeit besorgt. Das kann im Extremfall nur eine Person sein, die dann in die Stufe "1 - 10 Beschäftigte" eingeordnet wird. Bei großen Verbänden und Unternehmen kann die Anzahl der Benannten aber auch Kompaniestärke bis in den dreistelligen Bereich erreichen (siehe Tabelle). Individuell agierende Lobbyisten sind die Ausnahme. Zum Beispiel gab es unter den insgesamt 23.668 Personen, die bis 30. März nach dem Lobbyregister zur Interessenvertretung berechtigt waren, nur 225 "natürliche Personen". Demgegenüber gab es 12.492 Vertreter von registrierten Organisationen, von denen 10.951 "die Interessenvertretung unmittelbar ausübten".

Angaben zu Kosten der Lobbyarbeit sind freiwillig und kaum überprüfbar

Zu den weiteren Vorgaben des Gesetzes gehört, dass die Lobbyisten ihre jährlichen finanziellen Aufwendungen in Stufen von jeweils 10.000 Euro angeben sollen. Diese und andere finanzielle Auskünfte dürfen indessen auch verweigert werden. Diese Weigerungen werden dann im Register vermerkt und auf einer separaten Liste ausgewiesen. In aller Regel weigern sich die Lobbyisten jedoch nicht. Die Bundestagsverwaltung, die das Register führt, wird die genannten Beträge ohnehin kaum überprüfen können. Um kein Bußgeld wegen offenkundig falscher Angaben zu riskieren, genügt es deshalb, wenn diese einigermaßen plausibel sind.

Versicherungswirtschaft und Volkswagen an der Spitze der "Top 5"

Den vorliegenden Angaben zufolge haben von den Verbänden die folgenden fünf die höchsten Ausgaben für Lobbyarbeit:

Bei den Unternehmen führen zwei Autokonzerne die Rangliste an:

Das Gesetz versteht unter "Lobby" jede Art von Einflussnahme auf Regierungsvertreter oder Parlamentarier

Es wird für viele überraschend sein und vielleicht sogar befremdlich anmuten, dass in dieser Rangliste nach einem Verband der Finanzlobby an zweiter Stelle der Bundesverband der Verbraucherzentralen auftaucht. Das liegt einfach daran, dass der Begriff "Lobby" im allgemeinen Sprachgebrauch und auch aus gutem Grund einen pejorativen Beigeschmack hat: Üblicherweise versteht man darunter eine einseitig auf privatwirtschaftliche Profitinteressen ausgerichtete und deshalb sozial schädliche Beeinflussung der Gesetzgebung. Das ist bei den Verbraucherzentralen sicher nicht der Fall, und der vzbv wurde deshalb im Jahr 2020 sogar mit 21,5 Millionen Euro vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz unterstützt. Dem Lobbyregistergesetz liegt jedoch ein anderes Verständnis von Lobbyarbeit zugrunde, das absolut wertungsfrei ist und jegliche Art von äußerer Einflußnahme auf die gesetzgeberische Tätigkeit von Regierung und Parlament umfasst. Besonders deutlich wird das am Beispiel des gemeinnützigen Vereins "Lobby Control – Initiative für Transparenz und Demokratie e.V": Dieser steht nun ebenfalls in dem Register, zu dessen Zustandekommen er wesentlich beigetragen hat – allerdings mit vergleichweise läppischen finanziellen Aufwendungen von bis zu 280.000 Euro im Jahr und nur "11 bis 20" Lobby-Tätigen.

Zuordnung der Ausgaben wird umso schwieriger, je mehr Tätigkeitsgebiete angegeben sind

In der Praxis dürfte es allerdings kaum möglich sein, innerhalb eines Verbands oder eines Unternehmens die Lobbyarbeit von anderen Geschäftsbereichen säuberlich abzugrenzen. Noch schwieriger wird es für Außenstehende, die für diesen Sektor pauschal genannten Ausgaben einzelnen Tätigkeitsbereichen zuzuordnen. Wie schon erwähnt, bietet das Register dafür 155 Wahlmöglichkeiten– inklusive der 22mal vorhandenen Option, noch "sonstige" Interessenbereiche hinzuzufügen. Das Kanalsystem der Geldströme wird deshalb umso verschwommener, je mehr Tätigkeitsbereiche angekreuzt oder zusätzlich eingegeben werden. Eine detaillierte Zuordnung ist aber auch nicht unbedingt nötig. Zum Beispiel wird man einem Lobbyisten der Energiewirtschaft ohne weiteres unterstellen dürfen, dass seine Ausgaben zu mehr als neunzig Prozent auf diesen Sektor entfallen, auch wenn er außerdem noch etliche andere Bereiche wie "Wissenschaft, Forschung, Technologie", "Gesundheit", "Klimaschutz" oder "Kultur" angekreuzt haben sollte.

Kollektive und individuelle Interessenvertretungen überlappen sich

Bei aller Skepsis hinsichtlich ihrer Exaktheit liefern die angegebenen Gesamtsummen zumindest einen Hinweis auf die Massivität der Interessenvertretung. Die untenstehende Tabelle mit den wichtigsten Lobbyisten der Stromwirtschaft lässt erkennen, dass auch große Stadtwerke für die eigene Lobbytätigkeit in Berlin bis zu einer Million Euro jährlich aufwenden, anstatt dieses Geschäft den Lobby-Verbänden VKU und BDEW zu überlassen, die dafür über rund 200 Mitarbeiter verfügen und jährlich insgesamt 16 Millionen Euro ausgeben. Die acht kommunalen Versorger in München, Nürnberg, Frankfurt, Mannheim, Hannover, Köln und Darmstadt haben sich außerdem in der 8KU GmbH zuammengeschlossen. Sie geben deshalb nicht nur jährlich insgesamt etwa 3,5 Millionen Euro für ihre individuelle Interessenvertretung aus, sondern finanzieren auch die Lobbyarbeit dieses Verbands mit weiteren 0,25 Millionen Euro. Noch etwas größer – im Vergleich mit den Platzhirschen der Branche aber ebenfalls gering – sind mit 0,39 Millionen Euro die Ausgaben des Stadtwerke-Verbunds Trianel, der eine Vielzahl von kleineren kommunalen Unternehmen vertritt, die über keine eigenen Lobbyisten verfügen.

Die großen Energiekonzerne und Netzbetreiber sind ebenfalls Mitglieder des BDEW oder eines anderen Verbands und erwarten für ihre Beiträge eine entsprechende Gegenleistung. Zur Durchsetzung ihrer spezifischen Interessen verfügen sie aber zusätzlich über eine oder sogar mehrere eigene Lobby-Kompanien. Zum Beispiel investiert E.ON nicht nur auf Konzernebene mehr als drei Millionen Euro in seine politische Interessenvertretung. Daneben verfügen auch die Konzerntöchter Westenergie und Westnetz jeweils über kleinere Lobby-Stäbe mit einem Gesamtaufwand von etwa 0,7 Millionen Euro (in der Tabelle sind solche Konzerntöchter aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht mitaufgeführt).

Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Kirchen gelten nicht als Lobbyisten

Die jetzige Regelung ist noch stark reformbedürftig, zumal sie in der schwarz-roten Koalition gegen anfänglichen Widerstand der Union durchgesetzt werden musste. Zum Beispiel wurden auf Drängen von CDU/CSU die Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Kirchen von der Registrierung als Lobbyisten ausgenommen, obwohl sie durchaus eifrig in diesem Bereich tätig sind. Deshalb findet man im Register zwar den Bundesverband der Deutschen Industrie und auch die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM), nicht aber die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände oder den Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie (Gesamtmetall), der vor mehr als zwanzig Jahren die Propagandaschleuder INSM gegründet und mit dicken Finanzpolstern ausgestattet hat.

Bei der CDU darf die Unternehmer-Lobby sogar ohne Mandat im Parteivorstand mitwirken

Immerhin wird wenigstens der sogenannte "Wirtschaftsrat der CDU" zutreffend als Lobby-Organisation eingestuft, obwohl dieser aufgrund seiner Bezeichnung und seiner Hofierung durch die Parteioberen fälschlicherweise den Eindruck erweckt, ein Parteigremium der CDU zu sein. Der sauberen Abgrenzung von Exekutive und Legislative gegenüber der Lobby dient auch die Einbeziehung der"Deutschen Energie-Agentur", die zwar letztendlich der Bundesregierung untersteht und von dieser alimentiert wird, aber aufgrund ihres zweifelhaften Geschäftsgebarens zu Rechts ins Visier der Initiative Lobby Control geriet (210314).

Am 15. Februar kündigte Lobby Control übrigens eine Klage gegen die CDU an, weil diese mit der Gewährung eines ständigen Gast- und Rederechts für den erwähnten "Wirtschaftsrat" im Parteivorstand schon seit Jahren gegen das Parteiengesetz verstoße. Es handele sich bei diesem Gremium um einen außerparteilichen Unternehmer-Lobbyverband, dem die demokratische Legitimation zur Mitwirkung bei Beratungen des Parteivorstandes fehle. Dies habe der neue CDU-Vorstand unter Friedrich Merz klar mißachtet, als er am 7. Februar gemeinsam mit der "Wirtschaftsrat"-Vorsitzenden Astrid Hamker seine Arbeit aufnahm.

Laut Koalitionsvertrag soll das Lobbyregistergesetz "nachgeschärft" werden

Aus Sicht der Initiative Lobby Control wären folgende weitere Schritte nötig, um das deutsche Lobbyregister auch im internationalen Vergleich vorbildlich zu machen:

In ihrem Koalitionsvertrag haben die derzeit regierenden Parteien SPD, Grüne und FDP vereinbart, das Lobbyregistergesetz "nachzuschärfen". Dazu gehört, dass Kontakte zu den Ministerien ab der Referentenebene einbezogen werden (bisher enden sie beim Unterabteilungsleiter). Der Kreis der eintragungspflichtigen Interessenvertretungen soll erweitert werden. Vor allem sollen alle Gesetzentwürfe einen "Fußabdruck" bekommen, der nachvollziehen lässt, welchen Einfluss Lobbyisten auf die Vorbereitung und Erstellung des Textes genommen haben. Außerdem will man den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer ausgestalten, das Parteiensponsoring ab einer Bagatellgrenze veröffentlichungspflichtig machen, die Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung von Zuwendungen an Parteien auf 35.000 Euro herabsetzen und die jährliche Veröffentlichung aller Spenden und Mitgliedsbeiträge vorschreiben, die in der Summe 7.500 Euro überschreiten.

 

Links (intern)

(Beispiele für mehr oder weniger erfolgreiche Lobbyarbeit)



Die größten Lobbyisten der deutschen Stromwirtschaft

(jeweils nach Höhe der für 2020 angegebenen Lobby-Ausgaben)

 

  Lobby-Ausgaben in Millionen Euro* Im Lobby-Bereich tätige Personen**

Verbände der Stromwirtschaft

   
VKU - Verband Kommunaler Unternehmen
7.88
81-90
BDEW - Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
7.19
101-110
ZVEI - Verband der Elektro- und Digitalindustrie
4.91
51-60
ZVEH - Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke
1.82
11-20
Fachverband Biogas
1.21
31-40
Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband
1.14
1-10
VIK - Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft
1.02
1-10
Bundesverband WindEnergie
1.02
11-20
BSW - Bundesverband Solarwirtschaft
0,66
11-20
AGFW - Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK
0.55
11-20
Trianel GmbH
0,39
1-10
8KU GmbH
0.27
1-10

Stromkonzerne

 
 
E.ON
3.04
11-20
Uniper
2.80
11-20
RWE
2.20
51-60
EnBW
2.20
51-60
Steag
1.40
1-10
Thüga
1.30
11-20
Vattenfall
1.00
11-20
EWE
0.48
11-20

Übertragungsnetzbetreiber

 
 
Amprion
1.60
61-70
TenneT TSO
1.10
31-40
50Hertz
0.97
31-40
TransnetBW
0.64
31-40

Große Stadtwerke

 
 
Stadtwerke München
0.96
31-40
N-Ergie (SW Nürnberg)
0.67
1-10
Mainova (SW Frankfurt)
0.47
1-10
MVV (SW Mannheim)
0.46
1-10
enercity (SW Hannover)
0.29
11-20
Rheinenergie (SW Köln)
0.24
1-10
entega (Darmstadt/Südhessen)

0.19

1-10
Stadtwerke Leipzig
0.16
1-10


* Nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 des Lobbyregistergesetzes erfolgen die "Angaben zu den jährlichen finanziellen Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung in Stufen von jeweils 10.000 Euro". Angegeben ist jeweils der untere der beiden Stufenwerte.

** Nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Lobbyregistergesetzes erfolgt die Angabe zur "Anzahl der Beschäftigten in Stufen von jeweils zehn Beschäftigten im Bereich der Interessenvertretung".
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