März 2022 |
220311 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 16. März den Referentenentwurf für ein Artikelgesetz zur Änderung mehrerer energiewirtschaftlicher Gesetze vorgelegt. Im Bereich des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) soll vor allem der Streit um die zulässigen Preise für Strom- und Gaskunden in der Ersatzversorgung beigelegt werden, der bisher von den damit befassten Gerichten unterschiedlich beurteilt wurde (220210). Die Lösung sieht grundsätzlich so aus, dass die bisher in § 36 Abs. 1 EnWG enthaltene Koppelung der Preise für Grund- und Ersatzversorgung aufgehoben wird.
Die Koppelung zwischen beiden Preisen besteht schon seit der Einführung von Grund- und Ersatzversorgung im Jahr 2005. Bis vor kurzem galt sie als sinnvoll und unproblematisch. Ab Herbst vorigen Jahres ergab sich aber eine völlig neue Situation: Wegen einer noch nie dagewesenen Explosion der Preise am Spotmarkt sahen sich zahlreiche Strom- und Gasanbieter veranlasst, ihre Kunden so schnell wie möglich loszuwerden, indem sie einfach deren Belieferung einstellten und sie so in die Ersatzversorgung fallen ließen. Dies belastete dann aber die jeweils zuständigen Grundversorger mit zusätzlichen und in dieser Ausnahmesituation extrem teuren Energieeinkäufen. Um diese unvorhergesehenen Kosten trotz der vorgeschriebenen Preiskoppelung dennoch weitergeben zu können, führten sie deshalb häufig eine zeitliche Tarifspaltung ein: Für die Bestandskunden der Grundversorgung galt weiter der alte Tarif, während alle neuen (Zwangs-)Kunden deutlich höhere Preise zahlen mussten. Für die Ersatzversorgten konnte so die Strom- oder Gasrechnung sogar mehrfach größer werden als bisher, zumal es sich bei ihnen meistens um frühere Kunden von "Energiediscountern" handelte (211202). Dies wurde dann auch von Verbraucherschützern angeprangert (220103) .
Die beabsichtigte Neuregelung streicht nun diese Koppelung. Stattdessen schreibt sie ausdrücklich vor, dass die Lieferanten "bei den Allgemeinen Bedingungen und Preisen nicht nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Grundversorgungsvertrages unterscheiden" dürfen. Zugleich wird aber den Grundversorgern erlaubt, "die Allgemeinen Preise der Ersatzversorgung jeweils zum ersten Tag eines Kalendermonats neu zu ermitteln und ohne Einhaltung einer Frist anzupassen". Die Änderung wird dann nach Veröffentlichung auf der Internetseite des Grundversorgers wirksam. Der Grundversorger ist ferner berechtigt, bei der Ermittlung der Allgemeinen Preise der Ersatzversorgung einen Aufschlag für erhöhte Vertriebskosten und einen besonderen Beschaffungskostenanteil vorzusehen. Die Beschaffungskosten der Ersatzversorgung dürfen indessen "kalkulatorisch nicht höher angesetzt werden, als sie sich für den Grundversorger im Falle einer kurzfristigen Beschaffung der für die durch ihn durchgeführte Ersatzversorgung erforderlichen Energiemengen über Börsenprodukte ergeben würden".
Neu ist ferner die allgemeine Einschränkung, dass die Pflicht zur Grundversorgung entfällt, "wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist". Die Ersatzversorgung endet wie bisher spätestens drei Monate nach deren Beginn oder auch früher, sofern der Kunde über einen neuen Energieliefervertrag verfügt. Falls er keinen neuen Lieferanten findet, kann er aber erst nach drei Monaten beanspruchen, aus der Ersatzversorgung in die Grundversorgung übernommen zu werden.
Die Neuregelung verbessert außerdem die Beaufsichtigung der rund 1.600 registrierten Strom- und Gasanbieter durch die Bundesnetzagentur. Künftig müssen diese eine Beendigung ihrer Tätigkeit spätestens drei Monate vor dem geplanten Termin anzeigen und dabei darlegen, "wie bis zur geplanten Beendigung der Tätigkeit die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen des Energielieferanten gegenüber Haushaltskunden sichergestellt ist". Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Energielieferanten und den betroffenen Haushaltskunden – also eventuelle Schadenersatzansprüche – bleiben unberührt. Gleichzeitig mit dieser Anzeige bei der Bundesnetzagentur "hat der Energielieferant die von der Beendigung betroffenen Haushaltskunden und die Netzbetreiber, in deren Netzgebiete er Haushaltskunden beliefert, in Textform über das Datum der Beendigung seiner Tätigkeit zu informieren". Hinzu ist er verpflichtet, diese Anzeige "gut auffindbar auf seiner Internetseite zu veröffentlichen".
Die schwarzen Schafe unter den Strom- und Gasanbietern müssen sich darauf gefasst machen, künftig nicht mehr so zögerlich angefasst zu werden, wie das bisher geschah. Die Behörde kann ihnen nun "die Ausübung der Tätigkeit jederzeit ganz oder teilweise untersagen, wenn die personelle, technische oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gewährleistet ist". Sie ist ferner "berechtigt, das Vorliegen der personellen, technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung jederzeit unter Nutzung der behördlichen Aufsichtsrecht nach diesem Gesetz zu überprüfen". Auf Anforderung haben Energielieferanten zum Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit insbesondere ein Wirtschaftsprüfertestat über den ordnungsgemäßen Jahresabschluss des letzten Geschäftsjahres vorzulegen.
Die betroffenen Wirtschaftskreise hatten bis 22. März Gelegenheit, sich zu diesen und anderen Neuregelungen des Energierechts zu äußern. Diese Stellungnahmen werden aber nur dann zur Kenntnis genommen und auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht, "wenn der Urheber bzw. die Institution, die der Urheber der Stellungnahme vertritt, im Lobbyregister vollständig registriert ist oder unter eine Ausnahme des Lobbyregistergesetzes fällt". Damit wird das seit 1. März geöffnete Lobby-Register (220309) zum ersten Mal angewendet, um die Konsultation eines Gesetzentwurfs im wesentlichen auf solche Interessenvertreter zu beschränken, die in diesem Register eingetragen sind.