Juni 2011

110614

ENERGIE-CHRONIK


Aus Saulus wird Paulus: Energiekonzerne fordern Verschärfung der CO2-Minderungsziele

Die Vorstandsvorsitzenden der Energiekonzerne Vattenfall, EnBW und EWE gehören zu den Mitgliedern der sogenannten "Initiative 2 Grad - Deutsche Unternehmer für Klimaschutz", die sich neuerdings zu Wort meldet, um den "zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien und zielgerichtete Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz" zu fordern. Die Namensgebung bezieht sich auf den 2009 in Kopenhagen erzielten Minimalkonsens der 15. Weltklimakonferenz, die globale Erwärmung auf maximal 2°C gegenüber dem vorindustriellen Wert zu begrenzen (091206). Gemäß dem vom 30. Mai 2011 datierten Grundsatzpapier will die Initiative "glaubwürdige Strategien" für ein "kohlenstoffarmes Wachstum" propagieren. Dazu gehört ein "unkonditioniertes EU-Vermeidungsziel von 30 Prozent", was auf Deutsch heißen soll, daß die EU-Länder ihre CO2-Emissionen bis 2020 bedingungslos um 30 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 mindern müßten. Das "unkonditionierte Vermeidungsziel" für sämtliche Industrieländer wird mit 80 bis 95 Prozent im Zeitraum von 1990 bis 2050 ebenfalls sehr hoch gehängt.

"Unterstützung für politische Entscheider auf nationaler und internationaler Ebene"

Auf den ersten Blick erweckt der ganze Katalog von Forderungen den Eindruck, als ob er von einer Umweltschutzorganisation stammen würde. Hinter verbalem Radikalismus, der zu nichts verpflichtet, sind die Ziele der Initiative aber in vielem deckungsgleich mit dem, was unter dem Etikett "Klimapolitik" aus Berlin und Brüssel kommt und teilweise eher Lobby-Interessen als vernünftigem Umweltschutz dient. So wird im Einklang mit EU-Energiekommissar Oettinger die "europäische Weiterentwicklung des EEG" und die "Festschreibung verbindlicher Energieeinsparziele auf EU-Ebene" gefordert. Das Energiesparen sei dabei so auszugestalten, "daß es unternehmerische und investive Chancen eröffnet".

Der neuen Initiative gehören bisher die Chefs von einem Dutzend Großunternehmen an, die in der Klimapolitik eine andere Geschäftsstrategie verfolgen als die vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vertretene Mehrheitsposition. Weitere Mitglieder sind Michael Otto (Otto Group), Jan Buck-Emden (Xella), Hubert Burda (Burda Media Group), Joachim Faber (Allianz), Rüdiger Grube (Deutsche Bahn), Dirk U. Hinrichs (Schüco), René Obermann (Telekom), Jürgen Wild (M+W Group) und Jochen Zeitz (Puma). Im Februar gründete die Mehrheit dieser Mitglieder zudem eine "Stiftung 2 Grad" mit einem Jahresbudget von 500.000 Euro.

Initiative und Stiftung sind wohl als eine Art Mischung aus PR- und Lobby-Arbeit zu sehen. In der Selbstdarstellung liest sich das so: "Über die 2-Grad-Initiative unterstützen wir die Bundesregierung und die politischen Entscheider auf nationaler und internationaler Ebene bei einer erfolgreichen Politik zum Schutz des Weltklimas. Gleichzeitig wollen wir durch unser unternehmerisches Handeln und mit technologischen Innovationen einen direkten Beitrag für den Klimaschutz leisten. Dies tun wir im Zusammenspiel mit der Politik, unseren Geschäftspartnern und den Bürgern."

Schon bisher präsentierten sich die Energiekonzerne gern als Klimaschützer

Teile der Energiewirtschaft springen damit auf einen Zug auf, dessen Abfahrt sie ohnehin nicht zu verhindern vermögen. Schon bisher hatten sich die Kernkraftwerksbetreiber gern als Klimaschützer dargestellt, wobei anstelle der unpopulären Reaktoren möglichst Wasserkraft und Windmühlen in den Vordergrund gerückt wurden. Die EnBW veranstaltete sogar drei hauseigene sogenannte Deutsche Klimakongresse (071014, 081121). Seitdem die Grünen in Stuttgart den Ministerpräsidenten stellen, hat die mittlerweile landeseigene EnBW noch mehr Grund, sich als Klimaschützer zu präsentieren.

Der Vattenfall-Konzern will im Zuge seiner im September 2010 bekanntgegebenen strategischen Neuausrichtung ausdrücklich auch die eigene "CO2-Bilanz verbessern, die derzeit über dem Branchendurchschnitt liegt" (100907). Da er mit der jetzt erfolgten Änderung des Atomgesetzes in Deutschland aus dem Kreis der Kernkraftwerksbetreiber ausscheidet (110601), wird er das nun noch nötiger haben. Allerdings ist er zugleich Vorreiter bei der umstrittenen Entwicklung und Propagierung von CCS-Techniken zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid. Seine Beteiligung an der "Initiative 2 Grad" wird deshalb wohl vor allem in diese Richtung zielen.

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