April 2019

190414

ENERGIE-CHRONIK


Diese Grafik veranschaulicht, wie wenig sich die Gesamthöhe der Treibhausgas-Emissionen in den vergangenen Jahren verändert hat. Rechts sind die regierungsamtlichen Minderungsziele aus dem "Klimaschutzplan 2050" zu sehen. Von der bis 2020 vorgesehenen Minderung um 40 Prozent gegenüber 1990 hat sich die schwarz-rote Koalition inzwischen vorsorglich verabschiedet. Die Minderung um 55 Prozent bis 2030 will sie aber "auf jeden Fall erreichen". Da die Legislaturperiode schon sieben Jahre früher endet, geht sie mit diesem Versprechen kein allzu großes Risiko ein...
Quelle: Umweltbundesamt

Treibhausgas-Emissionen zum ersten Mal seit vier Jahren rückläufig

Die deutschen Treibhausgas-Emissionen sind nach vier Jahren zum ersten Mal wieder zurückgegangen. Dies ergibt sich aus den vorläufigen Zahlen für das Jahr 2018, die das Bundesumweltamt am 4. April veröffentlichte. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 866 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent freigesetzt. Das sind 41 Millionen Tonnen weniger als im Vorjahr. Bestes Ergebnis waren bisher 903 Millionen Tonnen im Jahr 2014. Dieser Wert wird nun um 37 Millionen Tonnen unterboten. Im Vergleich zu 1990 hat Deutschland damit seine Emissionen um 30,8 Prozent gesenkt. Freilich ist das weiterhin viel zu wenig, um jene Minderung von 40 Prozent bis 2020 zu erreichen, die seit 2013 regierungsamtlich als Zielmarke gegolten hat (180104).

Rückgang hat zum großen Teil witterungsbedingte Ursachen

Den größten Beitrag leistete wieder die Energiewirtschaft mit ihrer zunehmenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Aber auch bei Industrie, Gebäuden, Verkehr und Landwirtschaft kam es zu Rückgängen. In den vergangenen Jahren hatten diese Sektoren die CO2-Minderungen der Energiewirtschaft überkompensiert, weshalb sich die Gesamtbilanz sogar verschlechterte. Nun kam es in diesen Bereichen ebenfalls zu Emissionsminderungen gegenüber dem Vorjahr. Mit insgesamt 27 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent waren sie sogar fast doppelt so hoch wie die 14 Millionen Tonnen, welche die Energiewirtschaft einsparte.

Allerdings sind diese Rückgänge weniger auf echte Einsparungen als auf die insgesamt milde Witterung und den trockenen Sommer des vergangenen Jahres zurückzuführen. Dadurch verringerte sich der Bedarf an Heizöl und anderen Brennstoffen. Im Bereich Verkehr dürfte sich auch der Anstieg der Benzinpreise ausgewirkt haben. Trotz der aktuellen Rückgänge lagen die Treibhausgas-Emissionen in den Bereichen Industrie und Verkehr noch immer über dem Stand des Jahres 2005, während sie im Bereich Landwirtschaft stagnierten (siehe Grafik).

Im Nicht-ETS-Bereich sieht es weiterhin trübe aus

Beim Verkehr und in anderen Bereichen, die nicht vom Emissionshandelssystem (ETS) erfaßt werden, haben sich die CO2-Emissionen seit 28 Jahren generell nur wenig verringert. Deutschland wird deshalb seine bis ins Jahr 2030 reichenden Verpflichtungen zur Minderung der CO2-Emissionen außerhalb des ETS-Sektors nicht erfüllen können. Ersatzweise wird die Bundesregierung ab 2020 jährlich Milliarden aufwenden müssen, um anderen Mitgliedsländern ihre ungenutzten Emissionsrechte für teures Geld oder gegen politische Zugeständnisse abzukaufen (181004).

Energiewirtschaft bleibt Schrittmacher bei CO2-Minderungen

Ein regelmäßiger und umfangreicher Rückgang der CO2-Emissionen läßt sich in Deutschland nur im Bereich der Energiewirtschaft feststellen, der seit 2005 vom Emissionshandel erfaßt wird. Die Ursache dafür war freilich nicht der Emissionshandel, wie fälschlicherweise oft unterstellt wird. Bis vor kurzem konnte dieser Handel so gut wie keine klimaschützende Wirkung entfalten, weil die Anzahl der verfügbaren Emissionsberechtigungen viel zu groß und ihr Preis deshalb viel zu gering war (siehe Hintergrund, November 2017). Der Rückgang der CO2-Emissionen war vielmehr ein erfreuliches Nebenprodukt der Energiewende, die den Primärenergieverbrauch von fossil befeuerten Kraftwerken zurückgedrängt hat. Da der Anteil der Erneuerbaren an der Strom- und Wärmeerzeugung tendenziell zunimmt und neuerdings sogar der komplette Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 beabsichtigt wird (190101), kann in diesem Bereich weiterhin zuverlässig mit erheblichen CO2-Minderungen gerechnet werden – möglicherweise nun auch mit Unterstützung durch den Emissionshandel, falls sich der im August vorigen Jahres erreichte Preisanstieg auf über zwanzig Euro pro Zertifikat (180813) fortsetzen sollte. Zuletzt lag er im April bei 24 Euro.

Auch die Klimaschutzziele für 2030 und 2050 stehen vorläufig nur auf dem Papier

Die CO2-Minderungen der Energiewirtschaft reichen allerdings nicht aus, um die Gesamtziele zu erreichen, die sich die schwarz-rote Bundesregierung 2013 in ihrer Koalitionsvereinbarung (131101) und 2016 in ihrem "Klimaschutzplan 2050" (161104) gesetzt hat. Diese sehen vor, die Treibhaus-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Weitere Zielmarken sind 55 Prozent bis 2030 und 70 Prozent bis bis 2040.

Bei ihren erneuten Koalitionsverhandlungen im Januar 2018 verständigten sich Union und SPD auf die fortdauernde Gültigkeit des "Klimaschutzplans 2050". Allerdings war ihnen klar, daß eine 40-prozentige Minderung bis 2020 keinesfalls mehr erreichbar wäre und sich schon in der laufenden Legislaturperiode als Seifenblase herausstellen würde. In ihrem Einigungspapier umschifften sie diesen heiklen Punkt deshalb mit folgender Formulierung: "Wir bekennen uns zu den Klimazielen 2020, 2030 und 2050. Die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 wollen wir so schnell wie möglich schließen. Das Minderungsziel 2030 wollen wir auf jeden Fall erreichen." (siehe Wortlaut)

 

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