Februar 2019 |
190202 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Kartellbehörden genehmigten am 26. Februar einen Teil des Tauschgeschäfts, das E.ON und RWE vor knapp einem Jahr vereinbart haben (180301). Die EU-Kommission erlaubte RWE den Erwerb des Erneuerbaren-Geschäfts von E.ON und Innogy ohne Auflagen. Zugleich gab das Bundeskartellamt grünes Licht für die geplante Beteiligung von RWE an E.ON in Höhe von 16,7 Prozent.
Beide Konzerne hatten ihr Vorhaben erst im Januar bei den Kartellbehörden in Brüssel und Bonn angemeldet. Der offiziellen Eröffnung der Genehmigungsverfahren gingen jedoch monatelange Gespräche voraus, bei denen E.ON und RWE sich nach Kräften bemühten, eventuelle Bedenken gegen die geplante Aufteilung ihrer Geschäftsbereiche und des deutschen Energiemarktes auszuräumen. Deshab kamen die jetzigen Entscheidungen geradezu im Blitztempo zustande, nachdem die offizielle Anmeldung erfolgt war. Im Blitztempo scheinen auch die zahlreichen Einwendungen der Wettbewerber geprüft worden zu sein, denn laut "Handelsblatt" (3.2.) hatte die EU-Kommission erst Anfang Februar einen 118 Seiten umfassenden Fragenkatalog verschickt, in dem diese aufgefordert wurden, insgesamt 228 Einzelfragen zu allen Aspekten des Tauschgeschäfts zu beantworten.
Die raschen Genehmigungen lassen sich allerdings auch so interpretieren, dass die Kartellbehörden nur jenen Teil der Absprachen vorab durchgewunken haben, an denen es – isoliert betrachtet – nichts zu beanstanden gibt. Nach Feststellung der EU-Kommission würde die Marktmacht von RWE als Stromerzeuger durch den Erwerb des Erneuerbaren-Geschäfts von E.ON um weniger als ein Prozent zunehmen, und zwar sowohl unter dem Aspekt der Erneuerbaren-Kapazitäten wie der Kraftwerksleistung ingesamt. Dieser Befund erklärt sich daraus, dass RWE im wesentlichen nur die Erneuerbaren-Anlagen seiner Ex-Tochter Innogy zurückbekäme und die Überlassung der drei E.ON-Kernkraftwerke nur kurzfristig zu Buche schlägt, da diese bis Ende 2021 (Brokdorf und Grohnde) bzw. Ende 2022 (Isar 2) allesamt vom Netz gehen werden. Das konventionelle Kraftwerksgeschäft hat E.ON 2016 der neuen Uniper AG übertragen (160111), die inzwischen größtenteils dem finnischem Fortum-Konzern gehört (190204).
Die Übernahme der RWE-Verteilungs- und Einzelhandelssparte durch E.ON will die Kommission dagegen einer gesonderten Prüfung unterziehen, die noch nicht abgeschlossen ist. Falls es dabei zu gravierenden Auflagen oder gar einer Untersagung kommen sollte, würden die jetzt erteilten Freigaben wenig nützen, da dann das gesamte Tauschgeschäft neu aufgedröselt werden müßte oder sogar platzen würde.
Wenn die Kartellbehörden auch dem restlichen Teil des Geschäfts zustimmen, wird der E.ON-Konzern der größte Stromversorger und Stromnetzbetreiber Deutschlands. Diese Karte veranschaulicht, wie er dann – zumindest in jeweils einer der beiden Rollen – flächendeckend zwei Drittel des Landes dominieren würde. Die Angaben beruhen auf einer Analyse, die von der Beratungsgesellschaft LBD im Auftrag von LichtBlick erstellt wurde. (Vergrößern) Grafik: LichtBlick
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Zahlreiche Wettbewerber hatten die Kartellbehörden aufgefordert, die geplante Aufteilung des deutschen Strommarktes zu untersagen oder zumindest von strengen Auflagen abhängig zu machen. Besorgnis löst vor allem der Markt- und Machtzuwachs von E.ON aus. "Es wird leichtfertig von einem nationalen Champion gesprochen, doch wir schaffen uns gerade einen nationalen Dominator", erklärte zum Beispiel der EWE-Chef Stefan Dohler gegenüber der "Welt am Sonntag" (24.2.). Der Vorstandsvorsitzende des fünftgrößten deutschen Energiekonzerns gab zu bedenken, dass E.ON künftig an mehr als 100 deutschen Stromnetzbetreibern beteiligt sein werde und damit Zugriff auf einen Großteil der neuen digitalen Stromzähler bei den Kunden habe. Damit entstehe "im deutschen Strommarkt eine Datenkrake, vergleichbar mit Amazon und Google". Auch in der RWE-Beteiligung an E.ON sah Dohler "eine fragwürdige Verflechtung". Schließlich seien bei einer E.ON-Aktionärsversammlung meistens nur rund 40 Prozent des stimmberechtigten Kapitals anwesend. Mit 16,7 Prozent stelle RWE dann fast die Mehrheit.
Der bundesweite Strom- und Gasanbieter lekker Energie warnte in Schreiben an EU-Kommission und Bundeskartellamt ebenfalls vor einer Genehmigung des Tauschgeschäfts. Das Unternehmen befürchtet, dass E.ON die neue Vertriebsmacht ausnutzen könnte, um den Wettbewerb zu Lasten von Verbrauchern und kleinen Energieunternehmen einzuschränken. "Was damals Recht war, muss auch heute gelten", meinte Geschäftsführer Josef Thomas Sepp in einer Pressemitteilung und erinnerte daran, dass seine eigene Firma einst aus einer wettbewerbsfreundlichen Entscheidung der EU-Kommission hervorgegangen war: Die EU-Kommission hatte 2009 die Übernahme der niederländischen Nuon Energy durch den Vattenfall-Konzern nur unter der Auflage erlaubt, dass die damalige Nuon Deutschland GmbH mit ihren Berliner und Hamburger Haushaltskunden an einen dritten Wettbewerber verkauft wurde (090601). Nuon Deutschland gelangte so an die Enervie-Gruppe, die damals noch Sewag hieß (100111) und wurde von dieser in lekker Energie GmbH umbenannt. Seit 2013 ist der Energieanbieter eine hundertprozentige Tochter der Stadtwerke Krefeld (140507) und beliefert seinen Angaben zufolge bundesweit über 320.000 Haushaltskunden.
Besonders heftig protestierte der Ökostromanbieter LichtBlick. "Die Pläne der beiden Energieriesen zielen auf ein Ende des wettbewerblichen Strommarktes in Deutschland", hiess es in seiner Stellungnahme, mit der er am 2. Februar die Kartellbehörden zur Untersagung des "Megadeals" aufforderte. "Leidtragende sind die Stromkunden, die mit höheren Energiepreisen rechnen müssen." Nach der Übernahme der Kunden und Netze der RWE-Tochter Innogy werde der E.ON-Konzern auf zwei Drittel der Fläche Deutschlands zum größten Stromanbieter mit einem Marktanteil von über 70 Prozent der Kunden. In der Regel kontrolliere er dabei auch die Stromnetze (siehe Grafik).
Übervorteilt fühlen sich auch zahlreiche Stadtwerke, an denen RWE beteiligt ist. Durch die geplante Übertragung dieser Beteiligungen an E.ON sehen sie ihre Rechte aus bisherigen Konsortialverträgen verletzt oder zumindest gefährdet. Zum Beispiel hatten die Stadtwerke Frankfurt und andere kommunale Miteigentümer der RWE-Tochter Süwag ein Vorkaufsrecht. Es galt aber nur gegenüber RWE und entfiel deshalb, als sie im Januar 2018 der Übertragung der Süwag-Aktienmehrheit auf Innogy zustimmten. Als RWE und E.ON wenige Wochen später die Zerschlagung von Innogy verkündeten, fühlten sich die kommunalen Aktionäre über den Tisch gezogen. Anscheinend wollen sie nun Schadenersatz geltend machen. Laut FAZ (11.2.) haben die Stadtwerke Frankfurt am 29. Januar vor einem Bezirksgericht im US-Staat Georgia die Innogy-Tochter "Georgia Biomass" verklagt. Sie wollen auf diese Weise mit Hilfe der US-Justiz an Materialien gelangen, die eine Schadenersatzklage gegen RWE oder Innogy begründen könnten.
Falls die Kartellbehörden alles durchwinken, wären E.ON und RWE in den wichtigsten Bereichen keine Konkurrenten mehr. RWE würde sich hauptsächlich nur noch der Stromerzeugung und dem Energiehandel widmen, während E.ON das Netz- und Vertriebsgeschäft mit Strom und Gas dominiert. Wichtigster Bestandteil des Vorhabens ist die Zerschlagung der neuen Innogy SE, in die der RWE-Konzern ab 2016 seinen Strom- und Gasvertrieb, die Verteilnetze und die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien eingebracht hat (151207). Der E.ON-Konzern übernimmt die RWE-Mehrheitsbeteiligung von 76,8 Prozent komplett. Den derzeitigen Minderheitsaktionären bietet er 40 Euro pro Aktie an. Als Gegenleistung gewährt er RWE eine Minderheitsbeteiligung von 16,67 Prozent am eigenen Konzern sowie die Überlassung aller wesentlichen Erneuerbaren-Aktivitäten. Dazu gehört vor allem die Erneuerbaren-Sparte von Innogy, die RWE nach dem Verkauf der Tochter zurückbekommt. Ebenfalls rückübertragen werden das Gasspeichergeschäft und die Innogy-Beteiligung am österreichischen Energieversorger Kelag (120903). Zudem bekommt RWE die Minderheitsbeteiligungen, welche die 2015 gegründete E.ON-Tochter PreussenElektra an den von RWE betriebenen Kernkraftwerken Emsland und Gundremmingen besitzt (150901). Zum Ausgleich der unterschiedlichen Tauschwerte zahlt E.ON zusätzlich einen Kaufpreis von 1,5 Milliarden Euro in bar.
Wie der RWE-Konzern am 22. Februar mitteilte, hat er einen weiteren Schritt bei der Umsetzung des Tauschgeschäfts vollzogen, indem er von der Innogy SE deren Mehrheitsbeteiligung am tschechischen Gasverteilnetzbetreiber Innogy Grid Holding (IGH) erwarb. Über den Kaufpreis sei Stillschweigen vereinbart worden. Die Mehrheitsbeteiligung soll an E.ON weitergereicht werden, sobald die Kartellbehörden grünes Licht gegeben haben. Die IGH ist die Nachfolgerin der RWE Grid Holding, die unter dem Dach der 2013 gegründeten Ceskà republika (130103) ein rund 64.000 Kilometer langes Gasverteilnetz betrieb. Früher gehörte RWE auch der tschechische Gasnetzbetreiber Net4Gas und dessen 3.600 Kilometer langes Gas-Pipelinenetz. Dieser wurde aber 2013 für 1,6 Milliarden Euro an ein Finanzkonsortium aus Allianz und Borealis Infrastructure verkauft (130411).