April 2018 |
180406 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Innogy-Konzern gibt sich zuversichtlich und sogar kämpferisch, nachdem RWE und E.ON seine Zerschlagung und Aufteilung beschlossen haben (180301). Solange diese Transaktion nicht abgeschlossen sei, bleibe man "ein wirtschaftlich eigenständiges, starkes Energieunternehmen", erklärte der Vorstandsvorsitzende Uwe Tigges auf der Hauptversammlung am 24. April. "Wir bei Innogy konzentrieren uns daher auf das, was wir beeinflussen können. Wir konzentrieren uns auf unser Geschäft. Und das tun wir im Interesse unserer Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre. Wir gehen mit Selbstbewusstsein die Herausforderungen an, vor denen wir stehen."
Dieses demonstrative Selbstbewusstsein unterstrich Innogy am 20. April mit einer Ad-hoc-Mitteilung, wonach ein nicht näher bezeichnetes Unternehmen an der Übernahme seiner Geschäftsaktivitäten in Tschechien interessiert sei. Der Vorstand habe beschlossen, dem Interessenten eine "Due Diligence" zu ermöglichen und ihm ausgewählte Informationen zu den fraglichen Geschäftsbereichen zur Verfügung zu stellen. Außerdem gebe es Interessebekundungen für bestimmte Aktivitäten in den Bereichen Erneuerbare Energien, Vertrieb/Netz und Infrastruktur.
Bei dem Interessenten handelt es sich offenbar um den australischen Finanzkonzern Macquarie, der seit 2012 am tschechischen Gasnetzbetreiber Innogy Grid Holding – früher RWE Grid Holding – beteiligt ist und seit drei Jahren 49,69 Prozent der Anteile besitzt. Das Unternehmen betreibt in Tschechien ein rund 64.000 Kilometer langes Gasverteilnetz (150306).
In Presseberichten hieß es, dass der Verkauf an Macquarie auch gegen den Widerstand des Mehrheitseigentümers RWE möglich sei, weil der Mutterkonzern seiner neuen Tochter vor dem Börsengang weitgehende Unabhängigkeit bei den unternehmerischen Entscheidungen zugesichert habei. Zudem könne Macquarie gegenüber E.ON auf eine Art Vorkaufsrecht pochen.
Der Innogy-Vorstand erweckte so den Eindruck, als wolle er RWE und E.ON in die Suppe spucken, nachdem sie ohne sein Wissen die Zerschlagung des Energieunternehmens beschlossen haben (180301). Der Vereinbarung zufolge übernimmt E.ON alle Netz- und Vertriebsaktivitäten, während RWE den Bereich Erneuerbare bekommt. Ein Verkauf des tschechischen Gastransportnetzbetreibers an Macquarie würde somit den Besitzstand von E.ON schmälern und eine Revision der Abmachungen erfordern.
Indessen hat die abrupte Entlassung des Vorstandsvorsitzenden Peter Terium erst vor kurzem deutlich gemacht, wer bei Innogy im Zweifelsfall das Sagen hat: Terium wurde vom Innogy-Aufsichtsrat in die Wüste geschickt, wobei Vorstand und Aufsichtsrat des RWE-Konzerns unverhohlen Beifall spendeten (171203). Dagegen handelte der kommissarische Innogy-Chef Uwe Tigges offensichtlich im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat, als er Macquarie die "Due Diligence" ermöglichte. Es darf deshalb darüber gerätselt werden, weshalb der Innogy-Vorstand nun die Überlassung des tschechischen Gasnetzbetreibers an Macquarie auf diese Weise ins Spiel bringt. Eine der Vermutungen lautet, dass er von E.ON nachträglich eine Garantie erhalten möchte, den geplanten Abbau von 5000 Arbeitsplätzen ohne betriebsbedingte Kündigungen durchzuführen. Es gab wohl eine Zusage dieser Art, weshalb die Vertreter der Gewerkschaften in den Aufsichtsräten beider Konzerne zugestimmt haben. Sie scheint aber nicht schriftlich fixiert worden zu sein.
Am 24. April wurde Tigges vom Innogy-Aufsichtsrat auch offiziell zum neuen Vorstandsvorsitzenden ernannt. "Uwe Tigges genießt das uneingeschränkte Vertrauen des Aufsichtsrats", erklärte bei dieser Gelegenheit der Vorsitzende Erhard Schipporeit. "Ich bin sicher, dass er das Unternehmen umsichtig zum Wohle der Mitarbeiter, Anteilseigner und Kunden in diesen herausfordernden Zeiten führt." Tigges Vertrag läuft bis 31. März 2021und damit ein paar Monate länger, als RWE und E.ON veranschlagt haben, um die Aufteilung von Innogy unter Dach und Fach zu bringen.
Der Aufsichsrat ernannte ferner Arno Hahn anstelle von Tigges zum Personalvorstand und Arbeitsdirektor. Zugleich verlängerte er die Verträge der Vorstände Hildegard Müller (Netz & Infrastruktur), Hans Bünting (Erneuerbare Energien) und Martin Herrmann (Vertrieb) jeweils bis zum 31. März 2022 . Sie werden somit nach der Zerschlagung von Innogy für E.ON bzw. RWE weiter tätig sein oder eine entsprechende Abfindung erhalten. Finanzvorstand bleibt Bernhard Günther, auf den am 4. März ein rätselhafter Säure-Anschlag verübt wurde (180314). Günther konnte inzwischen das Krankenhaus verlassen und beteiligt sich telefonisch wieder an der Vorstandsarbeit. Ansonsten werden seine Aufgaben weiterhin von Hans Bünting kommissarisch übernommen.
Der frühere Innogy-Chef Peter Terium, dessen Vertrag noch bis Ende März 2021 gelaufen wäre, erhält als Entschädigung für seinen erzwungenen Abgang rund zwölf Millionen Euro. Nach Angaben des Aufsichtsratsvorsitzenden Schipporeit handelt es sich um eine Zahlung von knapp acht Millionen Euro zuzüglich Aktienoptionen im Umfang von rund vier Millionen Euro. Das seien aber noch immer 5,3 Millionen weniger, als Terium bis zum Ablauf seines Vertrag bekommen hätte.