Januar 2018 |
180103 |
ENERGIE-CHRONIK |
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Unter den zehn regionalen Netzbetreibern, die in der Studie untersucht werden, ist die vor zwei Jahren neu entstandene "Stuttgart Netze Betrieb GmbH" (140306) für Kleinverbraucher am günstigsten, weil hier zum Arbeitspreis nur noch der Messpreis hinzukommt. Dagegen verlangt die EWE-Netz einen sehr hohen Grundpreis, womit sie geringen Verbrauch quasi bestraft. |
Die Netzentgelte machen ungefähr 30 Prozent der Stromrechnung eines Durchschnittshaushalts aus (161103). Sie sind aber nicht nur von Netzgebiet zu Netzgebiet verschieden. Wo hoch sie tatsächlich pro Kilowattstunde ausfallen, hängt auch von der Menge des verbrauchten Stroms ab. Bei den meisten Netzbetreibern werden sie umso teuerer, je weniger Strom verbraucht wird. Oder anders gesagt: Die meisten Netzbetreiber bestrafen Stromsparen. Zugleich benachteiligen sie sozial schwache Kleinverbraucher, bei denen die Stromrechnung besonders zu Buche schlägt. Darauf machte die Initiative "Agora Energiewende" mit einer Studie aufmerksam, die sie am 12. Januar veröffentlichte.
Die Diskriminierung der Kleinverbraucher bzw. Stromsparer ergibt sich aus der Aufspaltung des Netzentgelts in einen Arbeitspreis pro Kilowattstunde für den tatsächlich verbrauchten Strom und einen Leistungspreis, der als Festbetrag unabhängig vom Jahresverbrauch erhoben wird. In der Praxis gibt es Netzbetreiber, die ganz auf den Grundpreis verzichten und diesen Kostenbestandteil in den Arbeitspreis verpacken, während andere hohe Grundpreise verlangen, aber vergleichsweises niedrigere Arbeitspreise berechnen. Im zweiten Fall wird die Netzentgelt-Belastung für den Kunden umso größer, je weniger er verbraucht.
"Diese Entwicklung geschieht auf Veranlassung der Netzbetreiber, nicht der Politik", heißt es in der Studie. "Die Regulierung schreibt hinsichtlich der Netzentgeltstruktur lediglich vor, dass die Aufteilung in Arbeits- und Grund- beziehungsweise Leistungspreise angemessen erfolgen soll. Ob und in welchem Maße Grundpreise angemessen sind, wurde jedoch nie definiert."
In der Tat ist nach § 17 Abs. 6 der Stromnetzentgeltverordnung lediglich die Erhebung eines Arbeitspreises vorgeschrieben. Weiter heißt es: "Soweit zusätzlich ein monatlicher Grundpreis in Euro pro Monat festgelegt wird, haben Grundpreis und Arbeitspreis in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu stehen. Das sich aus Grundpreis und Arbeitspreis ergebende Entgelt hat in einem angemessenen Verhältnis zu jenem Entgelt zu stehen, das bei einer leistungsgemessenen Entnahme im Niederspannungsnetz auf der Grundlage der Arbeits- und Leistungswerte nach dem Standardlastprofil des Netznutzers entstehen würde."
Nach Ansicht der Initiative Agora Energiewende ist die Erhebung von Grundpreisen "allenfalls bei Eigenstromerzeugern oder flexibel auf den Börsenstrompreis reagierenden steuerbaren Verbrauchern vertretbar". Trotzdem sei eine Tendenz zu immer höheren Grundpreisen festzustellen. Dadurch müßten Haushalte mit unterdurchschnittlichem Stromverbrauch teilweise deutlich mehr je Kilowattstunde zahlen als Durchschnittskunden. Energiesparen werde so unattraktiver. Diese Entwicklung sei weniger gesetzlichen Anforderungen oder den Notwendigkeiten des Betriebes der Stromnetze geschuldet, sondern vor allem "das Ergebnis komplexer Verteilungsmechanismen sowie Regelungslücken".
Die Kurzanalyse „Netzentgelte 2018: Problematische Umverteilung zulasten von Geringverbrauchern“ wurde vom Regulatory Assistance Project – einem Zusammenschluss von ehemaligen Strommarktregulierern – im Auftrag von Agora Energiewende erstellt.
Für "Hartz IV"-Empfänger ist der Strompreis besonders hochVKU will das Mißverhältnis zwischen Grund- und Arbeitspreisen sogar noch verschärfen (zu 180103)
Seit 1. Januar 2018 bekommt ein alleinstehender Bezieher von Arbeitslosengeld II – besser bekannt als "Hartz IV" – monatlich sieben Euro mehr. Der Regelsatz für den Lebensunterhalt erhöht sich dadurch auf 416 Euro. Davon sind 36,89 Euro aufgrund der amtlichen Bedarfsermittlung für "Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung" vorgesehen. Bei einem Durchschnittspreis von 30,5 Euro für 100 Kilowattstunden, den deutsche Haushaltskunden vor einem Jahr zahlten (171207), könnte der Hartz-IV-Empfänger damit eine Jahres-Stromrechnung für 1450 Kilowattstunden schultern, sofern er auf sämtliche Ausgaben für "Wohnen" und "Wohninstandhaltung" verzichtet. – Zum Beispiel auf einen neuen Fußabtreter vor der Tür, neue Tapeten an der Wand oder auch nur das Entfernen des Schimmels in der Ecke. Schon der Ersatz einer defekten Lampe würde sein monatliches Strom-Budget erheblich schmälern. In Wirklichkeit geht diese Rechnung natürlich hinten und vorne nicht auf. Und das liegt nicht nur an den realitätsfernen Hartz IV-Bedarfssätzen (150213). Der Unterstützungsempfänger zahlt nämlich pro Kilowattstunde erheblich mehr als der Durchschnitt der Haushaltskunden. Da hilft es ihm auch nicht viel, wenn er – obwohl er schon von Amts wegen zum Stromsparen gezwungen wird – seinen Verbrauch noch weiter reduziert. Den Grundpreis muß er nämlich in jedem Fall bezahlen, unabhängig davon wieviel Strom er tatsächlich verbraucht und ihm deshalb als Arbeitspreis berechnet wird. Die Kilowattstunde kostet umso mehr, je weniger verbraucht wirdZum Beispiel verlangt der Kommunalversorger EWE in der Grundversorgung jährlich einen Grundpreis von 167,79 Euro. Das sind schon mal 38 Prozent des oben erwähnten Gesamtbudgets für "Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung", das dem Hartz-IV-Empfänger zugebilligt wird, ohne daß er auch nur eine einzige Kilowattstunde verbraucht hat. Bei einem Arbeitspreis von 25,62 Cent/kWh bleiben ihm so gerade noch 1073 Kilowattstunden für den gesamten Jahresverbrauch. Das bedeutet aber, daß er dann für die Kilowattstunde gut 41 Cent zahlt. Wenn er seinen Verbrauch noch drastischer einschränkt und sich mit dem fahlen Schein einer Energiesparlampe begnügt, wird es sogar besonders teuer: Bei einem Verbrauch bis zu 64 Kilowattstunden verlangt die EWE nämlich einen Grundpreis von 132,43 Euro und einen Arbeitspreis von 41,69 Cent/kWh. Im Endergebnis kostet die Kilowattstunde also – je nach Verbrauch – zwischen 2,50 Euro und 132,80 Euro! Der erwähnte Grundpreis von 167,79 Euro besteht zu mehr als der Hälfte aus einem anderen Grundpreis, nämlich 96,00 Euro für die Netzentgelte. In einer Studie, die das Preisgebaren von zehn Verteilnetzbetreibern untersuchte, lag EWE-Netz damit ganz vorn (siehe oben). Aber auch fast alle anderen Netzbetreiber berechneten mehr oder weniger hohe Grundpreise für Netzentgelte. Die Studie stellte ferner fest, daß die Verteilnetzbetreiber zunehmend die Grundpreise erhöhen und dafür die Arbeitspreise senken. Nur ausnahmsweise werden die Netzentgelte komplett in den Arbeitspreis verpackt (zuzüglich Messpreis). Praktisch bedeutet das einen Mengenrabatt für Stromverbrauch und widerspricht allen Sonntagsreden über Energiesparen. Vor allem werden jene Bedauernswerten benachteiligt, die der Staat zwangsweise zu Stromsparern macht, weil er ihnen nicht genügend Geld zum Bezahlen einer normalen Stromrechnung gibt. Bisher gibt es keine besonderen Vorschriften für die PreisgestaltungWie kommt das? Weshalb berechnen sowohl die Stromvertriebe als auch die Netzbetreiber mehr oder weniger hohe Grundpreise, anstatt die gesamten Kosten in den Arbeitspreis zu verpacken? – An den gesetzlichen Vorschriften kann es nicht liegen, denn nach § 36 des Energiewirtschaftsgesetzes sind die Grundversorger lediglich verpflichtet, "Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen". Eine naheliegende Vermutung wäre, daß die Stromvertriebe möglichst viel Strom verkaufen wollen und deshalb einen Mengenrabatt gewähren, während sie an Mini-Verbrauchern und finanzschwachen Kunden wenig interessiert sind. Daß die formal entflochtenen Verteilnetzbetreiber dabei mitspielen, verwundert nicht weiter, denn normalerweise handelt es sich bei ihnen noch immer um Töchter jener etablierten Stromversorger, deren Netze sie übernommen haben. Der einzige Netzbetreiber, der in der erwähnten Studie auf einen Grundpreis verzichtete, war deshalb wohl nicht zufällig die neu entstandene "Stuttgart Netze Betrieb GmbH" (140306). Verteuerung von geringem Stomverbrauch soll Hürden für Eigenversorgung erhöhenAllerdings sind auch Verteilnetzbetreiber an einer Verteuerung des Kleinverbrauchs interessiert. Das hat mit dem Vordringen der Eigenstromversorgung zu tun. Vor allem der Solarstrom vom Dach ist zu einer erschwinglichen Alternative geworden. Schon 2012 hat der Gesetzgeber den früher gewährten Bonus für Eigenverbrauch gestrichen, weil er davon ausging, dass Solarstrom die "Netzparität" erreicht und überschritten hat (120301). Anders gesagt: Die Eigenversorgung mit Solarstrom kann jetzt schon günstiger sein als der Strombezug aus dem Netz, und sie wird voraussichtlich noch günstiger werden. Der Netzanschluß bleibt zwar weiterhin notwendig, um Defizite abzudecken. Die Strombezüge aus dem Netz verringern sich aber erheblich. Der bisherige Stromkonsument wird so teilweise zum Produzenten bzw. "Prosumer". Dieser Wandel kann weder Stromvertrieben noch Netzbetreibern gefallen. Die Stromvertriebe sehen ihren Absatz geschmälert. Aus Sicht der Netzbetreiber werden die Kosten des Netzanschlusses mit den anfallenden Netzentgelten nicht hinreichend honoriert. Deshalb haben beide ein Interesse an möglichst hohen Grundpreisen sowohl für den Strombezug insgesamt als auch speziell für die Netzentgelte, denn durch möglichst hohe Fixkosten werden die Vorteile des Eigenverbrauchs geringer. VKU dringt auf "entnahmemengenunabhängige" NetzentgelteSehr deutlich brachte diese Sichtweise der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) zum Ausdruck, als er im April vorigen Jahres von der Bundesregierung eine gesetzliche Regelung verlangte, damit "die Netzentgelte auf der Ebene der Niederspannung zukünftig entnahmemengenunabhängig gebildet werden". Im Energiewirtschaftsgesetz gibt es nämlich auch noch den § 39, der die Bundesregierung ermächtigt, "Bestimmungen über Inhalt und Aufbau der Allgemeinen Preise" zu erlassen. Nun soll diese Ermächtigung, die es seit 2005 gibt, in einer absolut verbraucherfeindlichen Weise angewendet werden. Mit der vom VKU verlangten entnahmemengenunabhängigen Preisbildung für Netzentgelte würde jedenfalls der Willkür, die schon jetzt bei der Festsetzung der Grundpreise bzw. ihres Verhältnisses zu den Arbeitspreisen zu beobachten ist, vollends Tür und Tor geöffnet. Nach § 17 Abs. 6 der Stromnetzentgeltverordnung ist bisher lediglich die Erhebung eines Arbeitspreises vorgeschrieben. Die zusätzliche Erhebung eines Grundpreises ist zwar erlaubt, muß aber "in einem angemessenen Verhältnis" zum Arbeitspreis stehen. Es wurde in den gut zwölf Jahren seit Inkrafttreten der Stromnetzentgeltverordnung allerdings nie präzisiert, was eigentlich unter "angemessen" zu verstehen ist. Nun wollen die Verbandsvertreter diese Lücke ausnutzen, um eine in jeder Hinsicht unangemessene Regelung zu erreichen.
Mengenbasierte Abrechnung ist für Haushaltskunden weiterhin am sinnvollstenDer VKU versucht also, den Arbeitspreis als "historisch bedingtes" Relikt der Vergangenheit erscheinen zu lassen, das heute den Veränderungen "durch Mieterstrommodelle oder Eigenverbrauch" nicht mehr gerecht werde. Dadurch entstünden Einnahmeausfälle, würden die Netzentgelte unsachgerecht erhöht und Fehlanreize geschaffen. Nun ist es aber trotz Mieterstrommodellen und zunehmendem Eigenverbrauch weiterhin so, daß die übergroße Mehrheit der Haushalte ausschließlich aus dem Netz versorgt wird. Die Umlagebasis wird deshalb gar nicht nennenswert reduziert. Und sie kann sich auch weiterhin auf den Arbeitspreis gründen, weil Haushaltskunden ihren Strom genau wie früher ohne Leistungsmessung beziehen bzw. nach standardisierten Lastprofilen abgerechnet werden. Das ist nicht etwa "historisch bedingt", sondern gängige Praxis. Daran ändert auch die Einführung von "Smart-Metern" nicht viel, zumal die technischen Voraussetzungen für eine viertelstündliche Leistungsmessung erst bis zum Jahr 2032 und nur für eine kleine Minderheit der Niederspannungs-Kunden (mit einem Jahresverbrauch von mehr als 6000 Kilowattstunden) erfüllt sein müssen (170902). Aber auch dann wäre beim Gros der Haushaltskunden die Ersetzung der Standardlastprofile durch individuelle Leistungsmessung ungefähr so sinnvoll wie der Einzelverkauf von Streichhölzern. Es mag ja sein, daß die Zunahme der Eigenversorgung von den kommunalen Stromunternehmen, die der VKU vertritt, als Störfaktor empfunden wird. Weshalb soll aber deshalb für 95 Prozent der Haushaltskunden die mengenbasierte Abrechnung entfallen? Da wird doch mit Kanonen auf Spatzen geschossen. – Wobei die Kollateralschäden, unter denen jetzt schon Hartz-IV-Empfänger oder freiwillige Stromsparer leiden, noch unerträglicher und unübersichtlicher würden. Sinnvoller und realistischer wäre eine maßgeschneiderte Lösung, die Eigenverbrauchern – und nur diesen – einen besonderen Grundpreis abverlangt, wenn sie den Großteil ihres Bedarfs selber decken und der Netzanschluß hauptsächlich nur noch der Absicherung dient. So ließe sich ein vernünftiger Interessenausgleich zwischen Eigenversorgern und anderen Stromnetzkunden erreichen, ohne daß daraus gleich eine Kampfansage an einen durchaus zukunftsträchigen Trend wird. Es wäre sowieso eine Illusion, die Ausbreitung der Eigenversorgung durch schikanöse Gestaltung der Netzentgelte stoppen oder auf längere Sicht behindern zu können. Stattdessen tut der VKU so, als ob durch die bisher noch sehr kleine Anzahl von "Prosumern" die mengenbasierte Abrechnung für Haushaltskunden schlechthin unzeitgemäß geworden wäre. Man kann nur hoffen, daß die neue schwarz-rote Bundesregierung dieser Sichtweise nicht folgt.
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