März 2016

160308

ENERGIE-CHRONIK


 


Auch bei einem außergewöhnlich kalten Winter (Grafik links) könnte die Versorgung der EU-Länder mit der bisherigen Infrastruktur durch Erhöhung der leitungsgebundenen Importe (hellgrün) sowie zusätzliche LNG-Importe (blau) sichergestellt werden.

Die Studie untersucht außerdem die Situation bei einer Unterbrechung der Leitungen aus Norwegen und Nordafrika sowie der russischen Lieferungen über die Ukraine. Auswirkungen auf die Versorgung ergäben sich demnach nur bei einer Blockierung der durch die Ukraine führenden Pipelines (Grafik rechts). Die dann fehlenden 67 Milliarden Kubikmeter (lila) könnten nicht kompensiert werden, sondern würden in Südosteuropa ein gravierendes Gas-Defizit von 26 Milliarden Kubikmeter entstehen lassen (dunkelblau). Andere Regionen der EU wären dagegen nur wenig oder gar nicht betroffen. Hier sei deshalb ein gezielter Ausbau der bestehenden EU-Gasinfrastruktur gerechtfertigt und notwendig.

EU plant Gasleitungen, die größtenteils unnötig sind

Selbst bei hoher Erdgasnachfrage oder größeren Versorgungsengpässen braucht die Europäische Union nur einen geringen Teil der geplanten neuen Gasinfrastruktur, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dies belegt eine Studie der Energieexperten von Artelys und Climact, die im Auftrag der Initiative "Energy Union Choices" erstellt und am 3. März in Brüssel veröffentlicht wurde. Mitglieder der Initiative sind unter anderem Agora Energiewende, E3G, der WWF, das Regulatory Assistance Project (RAP) und die European Climate Foundation (ECF).

"Schon heute sinkt die Erdgasnachfrage und durch Investitionen in Energieeffizienz können 80 Prozent der Kosten neuer Gasinfrastruktur eingespart werden", resümierte die Umweltorganisation E3G. "Das bestehende Gassystem kann einen vorzeitigen Kohle-Ausstieg im Stromsektor ohne signifikante Investitionen in neue Gas-Pipelines oder weitere Gasinfrastruktur bewältigen", meinte auch die deutsche Initiative Agora Energiewende.

Erweiterung der Ostsee-Pipeline liegt keineswegs im "allgemeinen Interesse"

Die Studie stellt gängige Annahmen rund um die Planung neuer Gasinfrastrukturprojekte in Frage. Die Berechnungen zeigen, daß die meisten geplanten Infrastrukturprojekte zwischen europäischen Ländern oder für Gasimporte nicht nötig sind, um die Versorgungssicherheit in der Europäischen Union aufrechtzuerhalten. Ausnahmen sind lediglich einzelne Projekte in Südosteuropa, die die Region bei einer erheblichen russisch-ukrainischen Versorgungsunterbrechung absichern sollen (siehe Grafik).

Die nochmalige Erweiterung der Ostsee-Pipeline Nord Stream (150905) ist dagegen unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit absolut überflüssig. Dieses Großprojekt dient nur dem politischen Interesse des Kreml, die Gaslieferungen an und durch die Ukraine eventuell ganz stoppen zu können. Überflüssig sind nach Ansicht der Studie ferner der "südliche Erdgaskorridor" (090501, 130603) und mehrere kleinere Vorhaben, die in Brüssel als von "allgemeinem Interesse" gelten. Soweit dafür EU-Fördermittel vorgesehen sind, drohen daraus Fehlinvestitionen zu werden. Der Studie zufolge könnten sich diese auf 11,4 Milliarden Euro belaufen.

Schon gegenwärtig werden die Kapazitäten der europäischen Terminals zur Einfuhr von Flüssiggas (LNG) im Durchschnitt lediglich zu 32 Prozent genutzt. Ebenso sind die bestehenden Pipelines nicht ausgelastet. Sie werden nur zu 58 Prozent der Kapazität genutzt. Die Ursache für die Unterauslastung liegt in einer insgesamt rückläufigen Gasnachfrage in Europa, die in den vergangenen fünf Jahren um 23 Prozent sank. Effizientere Gebäude, die zunehmende Elektrifizierung des Wärme- und Verkehrssektors und eine besser integrierte Infrastrukturplanung als Folge des EU-Klima- und Energiepakets für 2030 sowie der Entwicklung der Energieunion werden voraussichtlich zu weiteren Nachfragerückgängen führen. Der Großteil der geplanten Infrastrukturprojekte im Gasbereich wird deshalb noch vor Ende seiner technischen Lebensdauer überflüssig werden, warnt die Studie.

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