November 2015 |
151101 |
ENERGIE-CHRONIK |
Beim Vergleich mit den acht angrenzenden EU-Staaten hat nur Dänemark (braun) noch höhere Strompreise für Haushaltskunden als Deutschland (blau). In Polen und Tschechien zahlen die Stromverbraucher weniger als die Hälfte. Auch in Frankreich ist Haushaltsstrom noch immer relativ billig, obwohl sich dort seit Jahren ein kontinuierlicher Preisanstieg abzeichnet, der auf die Umsetzung von EU-Vorgaben zurückzuführen ist und von 2010 bis 2015 die Stromrechnungen der Kleinverbraucher um 35 Prozent erhöhte (110406, 110203). |
Nach einem geringfügigen Rückgang im ersten Halbjahr 2015 (siehe Grafik 1) tendieren die Strompreise jetzt wieder nach oben. Wie der Tarifvergleicher Verivox am 20. November mitteilte, haben bis zu diesem Zeitpunkt 103 Versorger Preiserhöhungen um durchschnittlich rund 2,8 Prozent angekündigt. Für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 4.000 kWh bedeutet dies eine jährliche Mehrbelastung von etwa 33 Euro.
Nach § 5 Abs. 2 der Stromgrundversorgungsverordnung müssen Preisänderungen mindestens sechs Wochen vor Inkrafttreten bekanntgegeben werden. Sondervertragskunden sind nach § 41 Abs. 3 des Energiewirtschaftsgesetzes "rechtzeitig, in jedem Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode" zu informieren, was in der Praxis ebenfalls als Sechs-Wochen-Frist interpretiert wird. Der 20. November ist deshalb der Stichtag dafür, wie umfangreich die Strompreise zu Beginn des folgenden Jahres steigen.
Im Laufe des nächsten Jahres dürfte es zu noch kräftigeren Preiserhöhungen kommen. Die Mehrzahl der Stromlieferanten hält sich zwar vorläufig noch zurück. Nach Angaben von Verivox wollen sogar 35 Anbieter ihre Preise zum Jahresbeginn um durchschnittlich 2,3 Prozent senken. Möglicherweise handelt es sich dabei um verspätete Weitergaben der gesunkenen Börsenpreise, von denen die Haushaltskunden bisher nicht oder nur sehr unzureichend profitiert haben (141005, 150207). Diesen Spielraum dürften nun manche Anbieter auch deshalb nutzen, um sich wettbewerblich besser zu positionieren, da Preiserhöhungen den Lieferantenwechsel stimulieren. Am allgemeinen Trend nach oben ändert das aber nichts, da dieser durch Abgaben und Steuern verursacht wird, die jeden Anbieter gleichermaßen treffen.
So klettert die EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien im kommenden Jahr um 0,184 Cent auf 6,354 Cent je kWh (151006). Die Umlage zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung wird voraussichtlich um 0,191 Cent auf 0,445 Cent je kWh erhöht, da ihre bisherige Deckelung bei 750 Millionen Euro entfällt (150701). Die Umlage nach § 19 Abs. 2 der Stromnetzentgeltverordnung, die Großverbraucher zu Lasten der Kleinverbraucher weitgehend von den Netzentgelten befreit, steigt um 0,141 Cent auf 0,378 Cent je kWh (150702). Hinzu kommt mit 0,039 Cent die Offshore-Haftungsumlage, die für 2015 überhaupt nicht erhoben bzw. sogar in eine Gutschrift verwandelt wurde (150207). Da auf die Gesamtsumme auch noch die Mehrwertsteuer aufgeschlagen wird, ergibt sich allein schon durch diese Mehrbelastungen – so gering sie im einzelnen wirken mögen – für eine Familie mit einen Jahressverbrauch von 4000 Kilowattstunden eine rechnerische Mehrbelastung von 26 Euro pro Jahr.
Aber das ist sicher nicht alles. Ein Kostenfaktor, der besonders an Bedeutung gewinnt, sind die Netzentgelte. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Kosten für den "Redispatch", mit dem die Übertragungsnetzbetreiber die Überlastung einzelner Netzabschnitte verhindern (121109), auf fast 200 Millionen Euro. Hinzu kamen 209 Millionen Euro als Entschädigung für EEG-Strom, der aus netztechnischen Gründen nicht erzeugt werden konnte (151109). Die Kosten der "Sicherheitsbereitschaft" von acht Braunkohle-Blöcken und der "Kapazitätsreserve", die das neue Strommarktgesetz vorsieht, werden ebenfalls über die Netzentgelte abgewälzt (151103). Nach einer internen Analyse der Bundesnetzagentur ist deshalb im kommenden Jahr mit einem Anstieg der Netzentgelte um knapp sechs Prozent auf 7,27 Cent/kWh zu rechnen. Für einen weiteren kräftigen Anstieg sorgen in den folgenden Jahren die geplanten HGÜ-Trassen, zumal sie nun auch noch vorrangig verkabelt werden sollen, um die Widerstände gegen den Bau von "Stromautobahnen" zu überwinden (151002).
Industrielle Mittel- und Hochspannungskunden mit einem Jahresverbrauch zwischen 2000 und 20000 Megawatt zahlen in Deutschland (blau) weniger als die Hälfte des Strompreises für Kleinverbraucher (siehe Grafik 1). Trotzdem sind in allen acht angrenzenden EU-Staaten die Industriestrompreise nochmals deutlich niedriger. Bemerkenswert ist auch hier die Entwicklung in Frankreich, das bis 2010 konkurrenzlos günstige Industriestrompreise hatte. Inzwischen sind sie aber um 40 Prozent gestiegen und liegen etwa gleichauf mit denen in Dänemark und Österreich. |