Dezember 2011 |
111211 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die durchstrichenen, grau eingefärbten Passagen dieser ENERGIE-CHRONIK-Notiz vom Dezember 2011wollten die Flexstrom-Anwälte getilgt sehen, weil sie falsch seien und die "Unternehmenspersönlichkeit unserer Mandantin" verletzen würden. |
Der Tarifvergleicher Verivox hat die Vertriebspartnerschaft mit dem Strom-
und Gasanbieter Flexstrom beendet. Wie er am 20. Dezember mitteilte, wird er
zwar weiterhin die Flexstrom-Tarife in den Vergleich aufnehmen, aber darauf
verzichten, Interessenten direkt an Flexstrom weiterzuleiten. Grund der Kündigung
seien "unterschiedliche Auffassungen zum Verbraucherschutz". Klarer
gesagt: Verivox will nicht von enttäuschten Kunden für die Geschäftspraktiken
der Firma Flexstrom mitverantwortlich gemacht werden, und hat deshalb vorsichtshalber
die Zusammenarbeit beendet.
Ganz anders stellt Flexstrom die Sache dar: Man habe bereits am 15. Dezember beim Landgericht Heidelberg gegen Verivox "eine Klage in Millionenhöhe" eingereicht, erklärte der Stromanbieter am selben Tag, an dem Verivox an die Öffentlichkeit ging. Er rechne "bis Jahresende mit einem zweistelligen Millionenbetrag als Schadensersatz". Der Tarifvergleicher habe nämlich die Angebote von Flexstrom "klar benachteilligt" und "überzogene Provisionsforderungen" gestellt. Zum Beispiel werde der Monatstarif "FlexStrom Classic" seit Oktober nicht mehr korrekt eingestuft, nachdem Flexstrom für die Vermittlung von Kunden nur eine "niedrige zweistellige Provision" angeboten habe.
Trau, schau wem: Mit nicht weniger als zwölf "Auszeichnungen" wirbt Flexstrom auf seiner Internetseite (die Anordnung von Text und Emblemen wurde aus Darstellungsgründen verändert) |
Beim Landgericht Heidelberg ist der Kläger bereits bekannt, denn
erst vor einem Jahr wollte Flexstrom den in Heidelberg ansässigen Tarifvergleicher
durch Erlaß einer einstweiligen Verfügung nötigen, seine dubiosen
Geschäftspraktiken zu akzeptieren. Konkret ging es um die Bonuszahlung,
die Flexstrom verspricht, wenn jemand mindestens ein Jahr lang Kunde bleibt.
So hört sich das Versprechen jedenfalls an, wenn man der deutschen Sprache
und der Logik folgt. Flexstrom verweigerte indessen zahllosen Kunden die Zahlung,
weil der einschlägige Passus in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
so zu verstehen sei, daß der Bonus erst zum 13. Monat bzw. zum Ablauf
des zweiten Jahres wirksam werde. Die Kunden wären also gezwungen, einen
ungünstigeren neuen Liefervertrag zu schließen, um den Bonus für
das erste Jahr zu bekommen. Das Gericht sah darin nicht nur eine vertragswidrige
Verweigerung des versprochenen Neukundenbonus, sondern sprach unverblümt
von "versuchter Bauernfängerei".
Trotz dieser juristischen Niederlage hielt Flexstrom
aber an der ertragreichen Masche fest. Und seltsamerweise nutzte
auch Verivox den errungenen Sieg nicht, sondern kehrte zur alten Praxis zurück,
den Flexstrom-Bonus als üblichen Neukunden-Bonus zu werten, der bei einer
Mindestvertragsdauer von einem Jahr fällig wird. Das ging nicht nur zu
Lasten der düpierten Kunden. Es benachteiligte auch andere Bonus-Anbieter
mit korrekterem Geschäftsgebaren und machte den Preisvergleich insgesamt
noch unübersichtlicher. Offenbar wollte der Tarifvergleicher einfach nicht
auf die Provisionen verzichten, die er via "Vertriebspartnerschaft"
für die Vermittlung jedes Kunden an Flexstrom einstrich.
Möglicherweise mußte der Stromanbieter nun sogar einen Aufschlag
für dieses Entgegenkommen bezahlen, nachdem er juristisch so grandios gescheitert
war. Dies würde jedenfalls erklären, weshalb er jetzt mit dem Vorwurf
"überzogener Provisionsforderungen" ausgerechnet jenes Landgericht
anruft, das seine Geschäftspraktiken als Bauernfängerei charakterisierte.
Die längst überfällige Insolvenz des unseriösen Stromanbieters
Teldafax im Juni 2011 (110613) veränderte die
Situation: Plötzlich fielen 700.000 Kunden in die Grund- bzw. Ersatzversorgung
zurück. Ihre Zahlungen an Teldafax waren so gut wie verloren. Der Skandal
schreckte auch andere Stromanbieter sowie Tarifvergleicher auf. Man könnte
fast von einem kleinen Fukushima sprechen, das die endlich eingetretene Kernschmelze
des Branchenführers Teldafax in diesem Sektor auslöste. Vor allem
Flexstrom polierte nun heftig am Image, um nicht für so unseriös wie
Teldafax gehalten zu werden. Auf seiner Internet-Seite
brüstet sich der Stromanbieter inzwischen mit nicht weniger als zwölf
vermeintlichen Gütesiegeln. Darunter befindet sich der "Stromanbietervergleich
2009" der Firma Verivox, die ihrem jetzigen Kontrahenten damals das Prädikat
"gut" verlieh – und das ausgerechnet für die "Servicequalität".
Auch ein "Bonitätszertifikat" des Vereins Creditreform taucht
auf. Es soll wohl belegen, daß Flexstrom – ganz anders als Teldafax
– sämtlichen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann.
Verivox mußte allmählich ebenfalls um sein Image bangen. Der Tarifvergleicher ist zwar so etwas ähnliches wie Google unter den Suchmaschinen. Als die Stiftung Warentest ihn 2008 als einzigen mit "sehr gut" bewertete (080815), war das die verdiente Anerkennung einer technischen und organisatorischen Leistung. Wie Google hat Verivox aber auch eine kommerzielle Seite, die weniger schön ist und sich weitgehend dem Einblick entzieht. So soll der Tarifvergleicher von Teldafax besonders hohe Provisionen kassiert haben, die der Stromanbieter pünktlich bezahlte, obwohl er sonst zahllosen Kunden und Lieferanten das Geld schuldig blieb. Er soll mit seinen intimen Marktkenntnissen sogar behilflich gewesen sein, die Teldafax-Tarife so zu konstruieren, daß sie den Konkurrenten stets eine Nasenlänge voraus waren und an der Spitze der Vergleichsleisten rangierten (110909).
Nach der Insolvenz von Teldafax war Verivox endlich bereit, in seinen Tarifrechnern
für Strom und Gas die Voreinstellungen zu entfernen, die bisher automatisch
Angebote mit Vorkasse und Kautionszahlungen einbezogen und dadurch an die Spitze
der vermeintlich günstigsten Angebote beförderten (111018).
Verbraucherschützer kritisierten schon lange, daß solche Voreinstellungen
den Vergleich intransparent machen. Bei Vorkasse-Angeboten kommt hinzu, daß
sie die Gewährung eines zinslosen Kredits und bei Insolvenz den Verlust
des Geldes bedeuten. Daß es sich dabei nicht nur um ein theoretisches
Risiko handelt, führte der Teldafax-Skandal eindringlich vor Augen. Verivox
begründete die Entfernung der Voreinstellungen für Vorkasse und Kaution
mit einer Umfrage auf der hauseigenen Internet-Seite, bei der rund zwei Drittel
die bisherige Praxis abgelehnt hatten. Dagegen habe sich bei einer ähnlichen
Umfrage, die 2008 durchgeführt wurde, die Mehrheit noch für die automatische
Berücksichtigung von Vorkasse und Kautionszahlungen ausgesprochen.
Allerdings hielt sich auch bei Verivox die Bußfertigkeit in Grenzen: Der
alt-neue Pferdfuß ist seitdem eine Voreinstellung, die automatisch einmalig
gewährte Boni einbezieht, sofern das entsprechende "Häkchen"
in der Filterliste nicht entfernt wird. Dadurch sinken die ausgewiesenen Kosten,
die immer nur auf der Basis eines Jahres inklusive der Boni errechnet werden.
Besonders hoch sind die Boni für Paketangebote, bei denen der Kunde für
die Überschreitung einer bestimmten Strombezugsmenge den Mehrverbrauch
besonders teuer bezahlt, während er für die Nichtausschöpfung
des Limits keine Erstattung erhält. Die Vergleichbarkeit der einzelnen
Angebote wird ferner wie bisher durch unterschiedliche Vertragslaufzeiten oder
Preisgarantien erschwert. Die einzige Veränderung besteht darin, daß
nun Angebote mit Boni an der Spitze rangieren und immer mehr Anbieter solche
Einmalzahlungen versprechen, die für den Zweck einer optimalen Plazierung
auf der Vergleichsliste zurechtgeschneidert sind. Auch zahlreiche Stadtwerke
bieten Tarife mit Boni an, um beim Ranking mithalten zu können. Deutlich
rückläufig sind dagegen Angebote mit Vorkasse und Kautionszahlungen,
die früher demselben Zweck dienten.
Immerhin scheint sich Verivox anläßlich dieser Veränderung
der Voreinstellungen endlich dazu durchgerungen zu haben, den Bonus von Flexstrom
nicht mehr als normalen Neukunden-Bonus zu werten, der auf den Preis für
die Vertragsdauer von einem Jahr umgerechnet wird. "Mehrere tausend Verbraucherbeschwerden
weisen eindeutig darauf hin, dass Flexstrom den Neukundenbonus nicht gewährt,
wenn die Verbraucher nach 12 Monaten Vertragslaufzeit wieder wechseln wollen",
erklärte der Tarifvergleicher jetzt zur Begründung. Nebenbei
verriet er auch, wie Flexstrom mit Kunden umspringt, die auf dem versprochenen
Bonus bestehen oder deshalb ihre Abschlagszahlungen kürzen: "Sie bekommen
sehr schnell Post vom Inkassounternehmen Syllego Inkasso GmbH, das ebenfalls
zur Flexstrom AG gehört."
Auf seinen Internetseiten präsentiert sich Flexstrom dagegen weiterhin als eine Art Robin Hood der Stromwirtschaft: "Als mittelständisches Familienunternehmen wollen wir den Strommarkt bewegen und die Vorherrschaft von Stromkonzernen und Stadtwerken brechen."