Dezember 2012

121205

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Das aus Rußland kommende Erdgas wird in der Anlandestation Lubmin für den Weitertransport aufbereitet. Dazu gehört auch die Erwärmung des Gases, das mit einer Temperatur von etwa 0 Grad in zwei Röhren aus der Ostsee an Land gelangt (links). Für die Erwärmung wurde das Kesselhaus mit dem Pultdach errichtet (Bildmitte). Künftig soll die benötigte Wärme von einer gasbefeuerten KWK-Anlage geliefert werden, die auch Strom erzeugt. Hinter der Anlandestation sieht man die Grundstücke, die sich EnBW und E.ON/Gazprom für den eventuellen Bau von größeren Gaskraftwerken gesichert haben.

Pressefoto Nord Stream

Gazprom-Tochter Wingas baut das erste Kraftwerk in Lubmin – mit Strom als Nebenprodukt

Auf dem Gelände des ehemaligen DDR-Kernkraftwerks Lubmin bei Greifswald wird das erste neue Kraftwerk gebaut: Wie die Kasseler Wingas und E.ON am 18. Dezember mitteilten, errichten sie dort ein gasbefeuertes Industriekraftwerk, das bereits Anfang 2013 fertig sein soll. Es entsteht auf dem Gelände am Anlandepunkt der Ostsee-Pipeline, das Wingas und E.ON gemeinsam gehört. Die elektrische Leistung von 37 MW wird vergleichsweise bescheiden sein. Sie ist auch eher ein Nebenprodukt, weil das Gaskraftwerk in Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) vor allem eine thermische Leistung von rund 47 MW Nutzwärme abgeben soll, mit der das aus Rußland kommende Erdgas für den Weitertransport über Land erwärmt wird. Da Wingas im kommenden Jahr zu einer hundertprozentigen Tochter der russischen Gazprom wird (121101), erfolgt mit diesem Industriekraftwerk aber zumindest symbolisch der Einstieg von Gazprom in die deutsche Stromerzeugung.

Für Bau und Betrieb der Anlage hat Wingas die Projektgesellschaft Industriekraftwerk Greifswald GmbH gegründet, die Anfang Oktober ins Handelsregister eingetragen wurde. Deren Stammkapital beschränkt sich auf die Mindestsumme von 25.000 Euro und wird von ihr als Alleingesellschafter gehalten. Die drei Geschäftsführer sind aber zur Abgabe von Geschäftsanteilen "an die E.ON Ruhrgas AG oder an ein mit ihr im Sinne des Aktiengesetzes verbundenes Unternehmen" bevollmächtigt. Als technischer Partner von Wingas fungiert die E.ON Energy Projects GmbH, die für Industriekunden mit einem Wärmebedarf ab 100 GWh die Realisierung von KWK-Lösungen mit elektrischen Leistungen von 10 bis 250 MW anbietet.

Bisher sind alle Projekte zur Wiederbelebung des Kraftwerksstandorts Lubmin gescheitert

Das Gelände des ehemaligen DDR-Kernkraftwerks wurde schon Ende der neunziger Jahre zur erneuten Nutzung als Kraftwerksstandort ausgeschrieben. Sowohl E.ON als auch EnBW und Vattenfall haben sich dafür längst Grundstücke gesichert (091207). Gazprom plante bereits 2006 den Bau eines GuD-Kraftwerks in Lubmin (060405) und tat sich zwei Jahre später zu diesem Zweck mit E.ON zusammen (080303). Bisher wurde aber keines der Vorhaben verwirklicht, obwohl der vorhandene Direktanschluß an das Gas-Transportnetz sowie die noch aus DDR-Zeiten vorhandene Anbindung an das Strom-Transportnetz eigentlich ideale Voraussetzungen für einen Kraftwerksstandort sind. Der Grund dafür waren die Veränderungen auf dem deutschen Strommarkt, die auch anderenorts dazu führten, daß fossil befeuerte Projekte auf Eis gelegt oder sogar betriebsbereite Anlagen vom Netz genommen wurden (120212, 120406, 120704, 120902). Hinzu kamen der Mangel an Stromnachfrage im strukturschwachen Nordosten Deutschlands und die kritische Situation im Netzbereich des Regelzonenbetreibers 50Hertz, der Gaskraftwerke allenfalls zum Ausgleich der fluktuierenden Windstromerzeugung benötigt (120503). Am weitesten gedieh das Projekt eines Steinkohlekraftwerks mit 1600 MW, das der dänische Energiekonzern Dong bauen wollte, aber vor drei Jahren beerdigte (091207). Alle Vorhaben scheiterten hauptsächlich an der Ungewißheit, ob der Betrieb auch rentabel sein würde. Daß Wingas nun doch ein Gaskraftwerk baut, hat offenbar lediglich mit dem Wärmebedarf für den Erdgastransport zu tun. Darüber hinaus könnte das Industriekraftwerk für Gazprom eine Art Pilotprojekt für den Einstieg in den deutschen Strommarkt sein.

EWN beantragen Genehmigung für ein großes GuD-Kraftwerk, für das es noch keinen Investor gibt

Die bundeseigenen Energiewerke Nord (EWN), die das Gelände des ehemaligen DDR-Kernkraftwerks verwalten, haben inzwischen selber die Genehmigung für ein Gaskraftwerk beantragt. Es soll auf dem Gelände entstehen, auf dem Dong das Steinkohlekraftwerk errichten wollte. Die EWN haben vor zwei Jahren die Planungsunterlagen von Dong übernommen und für das Gaskraftwerk überarbeitet. Es sind drei GuD-Blöcke mit jeweils 600 MW geplant. Die ENW wollen die Anlage aber nicht selber errichten und betreiben, sondern das genehmigte Projekt einem Investor schmackhaft machen, wenn sich infolge der Abschaltung von weiteren Kernkraftwerken die Bedingungen für den Einsatz von Gaskraftwerken wieder verbessern sollten.

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