Juli 2012 |
120704 |
ENERGIE-CHRONIK |
Neben dem stillgelegten Kernkraftwerk Brunsbüttel (rechts) hatte die Südweststrom die Option für ein Kraftwerksgelände erworben, auf dem zwei Steinkohle-Blöcke mit insgesamt1800 MW errichtet werden sollten. Links von diesem Gelände und im dahinterliegenden Industriepark Bayer planten GDF Suez und GETEC zwei weitere Blöcke mit 800 MW. Nun haben sich alle drei Kraftwerksvorhaben zerschlagen. Foto: Südweststrom/egeb
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Die Südweststrom Kraftwerk GmbH & Co. KG beschloß am 19. Juli auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung in Tübingen, den Bau eines Steinkohlekraftwerks in Brunsbüttel nicht weiter zu verfolgen. Damit wird von insgesamt drei geplanten Steinkohlekraftwerken in Brunsbüttel keines verwirklicht. Die von Südweststrom geplante Doppelblock-Anlage mit 1800 MW war das größte Vorhaben. Außerdem wollten GDF Suez (Electrabel) und die GETEC Energie AG jeweils einen Steinkohle-Block mit 800 MW errichten. Alle drei Kraftwerke hätten sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Kernkraftwerks Brunsbüttel befunden, das im März 2011 endgültig stillgelegt wurde (120302). Zusammen hätten sie mehr als das vierfache der KKW-Leistung erbracht. Wie das Kernkraftwerk sollten sie keine Kühltürme erhalten, sondern direkt durch das Wasser der Elbe gekühlt werden. Sowohl GDF Suez als auch GETEC haben aber schon vor einiger Zeit auf die Verwirklichung ihrer Pläne verzichtet. In der Liste der Kraftwerksneubauten, die der BDEW im April dieses Jahres veröffentlichte (120406), tauchte deshalb für Brunsbüttel nur noch das Vorhaben von Südweststrom auf.
Das Projekt der Südweststrom war auf 3,2 Milliarden Euro veranschlagt. Bisher sind bereits Planungskosten in Höhe von knapp zwanzig Millionen Euro entstanden. Den letzten Anstoß für den Abbruch der weit gediehenen Vorarbeiten gab der Beschluß der neuen schleswig-holsteinischen Landesregierung, den Optionsvertrag für das Kraftwerksgrundstück in Brunsbüttel nicht zu verlängern. Als weitere Gründe nannte Südweststrom die "fehlenden bundespolitischen Gesetze mit Aussagen zur Zukunft der Stromerzeugung aus fossilen Energiequellen" sowie "die aktuell mangelnde Wirtschaftlichkeit".
Foto: Südweststrom
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Nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein hatte die neue Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW (dänische Minderheit) am 11. Juni einen Koalitionsvertrag unterzeichnet, der neben dem Verbot von CCS-Vorhaben (120604) und der Schiefergas-Gewinnung per "Fracking" (110810) ausdrücklich die Verhinderung des Baues neuer Kohlekraftwerke vorsieht. "Konkret werden wir in Brunsbüttel die Option für den Grundstücksverkauf an SWS auf keinen Fall verlängern, und die Landesregierung wird gegenüber dem Investor deutlich machen, daß Kohlekraftwerke nicht in die aktuelle Energiestrategie des Landes passen", heißt es in der Koalitionsvereinbarung wörtlich.
Dieser massive politische Widerstand und der plötzlich erzeugte Zeitdruck besiegelten das Ende des Projekts, aus dem sich bereits etliche Gesellschafter verabschiedet hatten, weil sie entweder Zweifel an der Wirtschaftlichkeit hegten oder als kommunale Unternehmen durch die Proteste von Umweltverbänden in besonderem Maße unter Druck gerieten. Mit der schweizerischen Rätia Energie (jetzt "Repower"), die 36 Prozent der Anteile hielt, schied im März 2010 der wichtigste Kapitalgeber aus. Wenig später verzichtete auch die schweizerische "Groupe E" auf ihre vereinbarte Beteiligung an dem Kraftwerk (100711). Eine weitere wichtige Weichenstellung besorgte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne), der im November 2011 öffentlich kundtat, daß er für Kohlekraftwerke keine Perspektive mehr sähe. Palmer ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der Stadtwerke Tübingen, der jetzt am 6. Juli den förmlichen Beschluß faßte, bei der bevorstehenden Gesellschafterversammlung der Kraftwerksgesellschaft die Beendigung des Projekts zu verlangen.
Zunächst wollte die Südweststrom das Kraftwerk in Brunsbüttel mit Hilfe der spanischen Iberdrola errichten (061209). Die Spanier verabschiedeten sich aber schon im Frühjahr 2008 aus der Steinkohle-Kooperation, um die Errichtung von GuD-Kraftwerken in alleiniger Regie anzustreben. Als neuer Partner wurde daraufhin die schweizerische Rätia Energie gewonnen, die eineinhalb Jahre später aber ebenfalls ausstieg. Die von Iberdrola geplanten GuD-Anlagen in Nordhessen und Brandenburg (090110) sind inzwischen wieder von der Liste der Kraftwerksneubauten verschwunden (120406).
In der 2005 gegründeten Südweststrom Kraftwerk GmbH & Co KG hatten sich rund 90 kommunale Energieversorger zusammengeschlossen, um gemeinsam Kraftwerke zu errichten. Einziges Projekt war bisher das Steinkohlekraftwerk in Brunsbüttel. Der Gesellschafterkreis ist zum Teil identisch mit dem der 1999 gegründeten Südwestdeutschen Stromhandelsgesellschaft Südweststrom (990216) und wird wie diese vor allem durch Stadtwerke aus Baden-Württemberg geprägt. Inzwischen hat er sich auf 61 Mitglieder verringert. Daneben gibt es die 2009 gegründete Südweststrom Windpark GmbH & Co. KG, die Stadtwerken Beteiligungen an dem Nordsee-Windpark "Bard Offshore 1" anbietet.