Januar 2008 |
080103 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die EU-Kommission hat das Energie- und Klimapaket, das sie vor einem Jahr ankündigte (070102), zu drei Richtlinien-Entwürfen und weiteren Texten verdichtet, die sie am 23. Januar vorlegte. Die Richtlinien-Entwürfe befassen sich mit den erneuerbaren Energien, dem Handel mit CO2-Zertifikaten sowie der Abtrennung und Speicherung von CO2 (060412). Außerdem macht die Kommission einen Vorschlag, in welcher Weise die Lasten der angestrebten CO2-Minderung auf die insgesamt 27 EU-Mitgliedstaaten verteilt werden sollen (siebe Tabelle).
Die Vorstellungen der Kommission wurden vom Rat bereits grundsätzlich gebilligt (070306). Mit den präzisierten Vorschlägen werden sich nunmehr erneut der Rat sowie das Europäische Parlament zu befassen haben.
Die EU hält weiter an dem Ziel fest, die CO2-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Als Bezugsjahr nennt sie jetzt aber nicht mehr 1990, sondern 2005, wodurch sich entsprechend geringere prozentuale Minderungsziele ergeben und die Vergleichbarkeit mit früheren Zahlen nicht mehr ohne weiteres gegeben ist. Zum Beispiel soll Deutschland nun seine CO2-Emissionen in jenen Bereichen, die nicht vom Emissionshandel erfaßt werden, gegenüber 2005 um 14 Prozent zu senken. Zugleich soll es den Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Endenergieverbrauch, der 2005 bei 5,8 Prozent lag, bis 2020 auf 18 Prozent erhöhen (siehe Tabelle). Beide Vorgaben bleiben innerhalb des Rahmens, den die Bundesregierung im Dezember 2007 bei der Vorlage ihres Gesetzgebungspakets zum Klimaschutz gezogen hat (071204).
Von den insgesamt 25 Artikeln der Richtlinie zur Förderung der erneuerbaren Energien befassen sich fünf mit der Einführung von Herkunftsnachweisen ("guarantees of origin"). Die Mitgliedsstaaten werden demnach verpflichtet, die in ihrem Bereich vorhandenen erneuerbaren Stromquellen auf Antrag zu zertifizieren. Diese Zertifizierungspflicht umfaßt auch Wärme- und Kältelieferungen aus erneuerbaren Quellen, soweit diese eine Leistung von mindestens 5 MW erreichen. Diese Herkunftsnachweise sollen zwischen den Mitgliedsländern gehandelt und auf die jeweilige nationale Quote für den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch angerechnet werden können, ohne daß damit eine physische Lieferung verbunden sein muß. Ferner soll es möglich sein, die nationalen Erneuerbaren-Quoten durch Importe aus Ländern außerhalb der EU zu erhöhen, sofern diese Importe aus Anlagen stammen, die nach Inkrafttreten der Richtlinie in Betrieb genommen und entsprechend der EU-Richtlinie zertifiziert worden sind.
In der ursprünglichen Fassung sah der Richtlinienvorschlag sogar die obligatorische Einführung eines solchen Handels mit Herkunftsnachweisen vor. Zum Beispiel fand sich darin die folgende Erläuterung:
To avoid any interference with support schemes granted to existing installations and to avoid overcompensation of renewable energy producers, only guarantees of origin issued to installations that were commissioned after the date of entry into force of this Directive, or for production from an increased renewable energy capacity of an installation after this date, should be considered for this flexibility regime in relation to national targets; it should however remain possible for guarantees of origin issued for such production to be transferred between Member States for the purpose of proving the renewable origin of electricity.
Im Klartext: Nach Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinie wären die Herkunftsnachweise in Konkurrenz zu den bisherigen Förderprogrammen getreten und hätten diese ausgehebelt. Während beispielsweise in Deutschland die ganze Palette der erneuerbaren Energien durch entsprechend abgestufte Einspeisungsvergütungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gefördert wird, würde der von der EU-Kommission favorisierte Handel mit "grünen Zertifikaten" vor allem den Bau von ohnehin rentablen Anlagen (Wasserkraft) oder dicht an der Schwelle zur Rentabilität befindlichen Stromerzeugungsarten (Windenergie) an billig-günstigen Standorten außerhalb Deutschlands stimulieren. Vorteilhaft wäre dies nur für die großen Energiekonzerne, die ohnehin europaweit agieren und sich dann beispielsweise Anlagen in Norwegen oder Spanien auf die Erfüllung ihres deutschen Solls anrechnen lassen könnten.
Nach heftigem Protest des "Bundesverbands Erneuerbare Energie" (BEE) sowie der von ihm vertretenen Fachverbände und Branchen intervenierte die Bundesregierung und erreichte eine Revision des Richtlinienvorschlags. Nunmehr soll jeder Staat selber entscheiden können, ob er den Handel mit "grünen Zertifikaten" zu Erfüllung seiner Klimaziele zulassen möchte. Eine Nichtzulassung soll allerdings nur dann möglich sein, wenn sie zur Erreichung der eigenen Umweltziele notwendig ist:
Member States should be able to establish systems of prior authorisation for the transfer of guarantees of origin to or from other Member States if they need to do so to ensure a secure and balanced energy supply, to achieve the environmental objectives that underlie their support scheme, or to comply with the targets laid down in this Directive. Such systems should be limited to what is necessary and proportionate and should not constitute a means of arbitrary discrimination.
Vom geplanten EU-Handel mit "grünen Zertifikaten" zu unterscheiden ist das bereits bestehende Renewable Energy Certificate System (RECS), das europaweit erneuerbare Energiequellen erfaßt und zertifiziert. Dieses System ermöglicht ebenfalls den Handel mit rein virtuellen Herkunftsnachweisen und funktioniert ganz ähnlich. Es ist aber eine Veranstaltung der beteiligten Unternehmen und antizipiert auf nicht-amtlicher Ebene, was jetzt die Kommission als Handel mit Herkunftsnachweisen einführen möchte. Der Handel mit RECS-Zertifikaten lebt hauptsächlich von den Vorschriften zur Stromkennzeichnung und den weitverbreiteten Illusionen über "Ökostrom", die er für eine Art Etikettenschwindel ausnutzt (080102).
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CO2-Minderung im Vergleich mit 2005 in solchen
Sektoren, die nicht vom EU-Emissionshandel erfaßt werden |
Anteil der Erneuerbaren an der Endenergie-Nachfrage
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Stand 2005 |
bis 2020 |
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AT (Österreich) | -16.0% |
23,3% |
34% |
BE (Belgien) | -15.0% |
2,2% |
13% |
BG (Bulgarien) | 20.0% |
9,4% |
16% |
CY (Zypern) | -5.0% |
2,9% |
13% |
CZ (Tschechien) | 9.0% |
6,1% |
13% |
DK (Dänemark) | -20.0% |
17,0% |
30% |
EE (Estland) | 11.0% |
18,0% |
25% |
FI (Finnland) | -16.0% |
28,5% |
38% |
FR (Frankreich) | -14.0% |
10,3% |
23% |
DE (Deutschland) | -14.0% |
5,8% |
18% |
EL (Griechenland) | -4.0% |
6,9% |
18% |
HU (Ungarn) | 10.0% |
4,3% |
13% |
IE (Irland) | -20.0% |
3,1% |
16% |
IT (Italien) | -13.0% |
5,2% |
17% |
LV (Lettland) | 17.0% |
34,9% |
42% |
LT (Litauen) | 15.0% |
15,0% |
23% |
LU (Luxemburg) | -20.0% |
0,9% |
11% |
MT (Malta) | 5.0% |
0,0% |
10% |
NL (Niederlande) | -16.0% |
2,4% |
14% |
PL (Polen) | 14.0% |
7,2% |
15% |
PT (Portugal) | 1.0% |
20,5% |
31% |
RO (Rumänien) | 19.0% |
17,8% |
24% |
SK (Slowakei) | 13.0% |
6,7% |
14% |
SI (Slowenien) | 4.0% |
16,0% |
25% |
ES (Spanien) | -10.0% |
8,7% |
20% |
SE (Schweden) | -17.0% |
39,8% |
49% |
UK (Großbritannien) | -16.0% |
1,3% |
15% |