März 2020

200309

ENERGIE-CHRONIK


EnBW und Rheinenergie verkaufen ihre MVV-Beteiligungen

In einer aus drei Sätzen bestehenden Investoren-Mitteilung bestätigte der Mannheimer Kommunalkonzern MVV Energie AG am 25. März, dass seine Großaktionäre Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Rheinenergie (früher GEW bzw. Stadtwerke Köln) ihre Anteile in Höhe von insgesamt 45,1 Prozent einem nicht näher bezeichneten Erwerber überlassen wollen, mit dem bereits eine grundsätzliche Einigung erzielt worden sei. Das Verkaufsverfahren erfolge weiterhin in Abstimmung mit der MVV und der Stadt Mannheim als Mehrheitsaktionär. Der Abschluss des Verkaufsvertrags bedürfe noch der erforderlichen Genehmigungen durch zuständige Gremien und Behörden.

Käufer ist der australische Infrastrukturinvestor First State

Nach Informationen des "Handelsblatts" handelt es sich bei dem ungenannten Käufer um den in Australien beheimateten Infrastrukturinvestor First State. Dieser hat schon 2014 die Erdgasversorgungsgesellschaft Thüringen-Sachsen (EVG) komplett übernommen (141012). Zwei Jahre später gehörte er zu den Bietern für den Ferngasnetzbetreiber Thyssengas (160611).

Börsenpreis liegt bei 750 Millionen Euro

Der ausgehandelte Kaufpreis wurde bisher nicht bekannt. Als Anhaltspunkt kann immerhin der Börsenwert des Aktienpakets dienen, der bei ungefähr 750 Millionen Euro liegt. Die MVV Energie ist der einzige börsennotierte Kommunalversorger Deutschlands. Der Streubesitz ist mit 4,8 Prozent freilich minimal. Bei der Berechnung von Index-Statistiken, für die ein Mindestanteil von zehn Prozent Streubesitz erforderlich ist, wird das Unternehmen deshalb von der Deutschen Börse nicht berücksichtigt (170312).

EnBW stieß bei MVV immer auf Ablehnung, und aus dem strategischen Bündnis mit Rheinenergie ist nichts geworden

Mit dem nun beschlossenen Verkauf endet ein jahrelanger Konflikt zwischen den beiden größten Energiekonzernen im Südwesten Deutschlands: Die EnBW war bei der MVV als zweitgrößter Eigentümer immer auf Mißtrauen und Widerstand gestoßen. Ganz anders verhielt es sich bei der Kölner Rheinenergie: Deren Einstieg war von vornherein und erklärtermaßen als strategische Beteiligung gedacht. Ihr Aktienpaket von 16,1 Prozent erwarb sie mit Einverständnis und Unterstützung des Mannheimer Kommunalkonzerns. Die Stadt Mannheim verringerte dafür ihre damals noch 66,2 Prozent betragende Mehrheitsbeteiligung so weit wie nur möglich auf 50,1 Prozent (070509). Aus der beabsichtigten strategischen Partnerschaft der beiden Untenehmen ist dann allerdings nichts geworden.

Geheime Absprache mit E.ON verhalf EnBW zum Einstieg

Die EnBW schlich sich dagegen sozusagen durch die Hintertür in den Aktionärskreis. Sie nutzte dafür eine Geheimabsprache mit dem E.ON-Konzern, als dieser sich 2003 die Ruhrgas AG einverleibte. Die Untersagung dieser Fusion durch das Bundeskartellamt war von der damaligen Schröder-Regierung mit einer ministeriellen Sondererlaubnis ausgehebelt worden, deren Vollzug aber von den Gerichten zweimal gestoppt wurde (020701, 021201). E.ON sah sich deshalb zu einer außergerichtlichen Einigung mit den klagenden Konkurrenten gezwungen (030101). Bei diesem großangelegten Kuhhandel, dessen Details weitgehend geheim blieben, überließ E.ON der EnBW als Gegenleistung für deren Klageverzicht eine Option auf das Aktienpaket von 15 Prozent, das die Ruhrgas an der MVV besaß (001109). Diese Option war bis Ende 2004 befristet und wurde erst kurz vor Ablauf dieser Frist bekannt (040709). Den daraufhin vollzogenen Anteilserwerb genehmigte das Bundeskartellamt allerdings nur mit Auflagen: Die EnBW mußte zusichern, keinen unternehmerischen Einfluß auf die MVV auszuüben, keine weiteren MVV-Anteile zu erwerben und auf einen Sitz im Aufsichtsrat zu verzichten (041205).

Trotz kartellrechtlicher Auflagen erhöhte die EnBW ihre Beteiligung heimlich

Das vom Kartellamt erzwungene Keuschheitsgelübde, die MVV-Aktien nur als Finanzbeteiligung zu betrachten, blieb indessen ein Lippenbekenntnis. Bis 2012 erhöhte die EnBW die von der Ruhrgas übernommenen 15,1 Prozent klammheimlich auf 22,48 Prozent. Außerdem wurde nun bekannt, dass auch die französische GDF Suez seit 2007 über eine bisher verschwiegene Beteiligung verfügte, die ihr 6,29 Prozent der MVV-Stimmrechte sicherten. Das war deshalb von besonderem Belang, weil die GDF Suez als Nachfolgerin der Gaz de France (GDF) das staatliche Schwesterunternehmen des französischen Strommonopolisten EDF war, der damals bei der EnBW als Großaktionär auch über die unternehmerische Führung verfügte (120308). Zwei Jahre später übernahm die EnBW die von ihr heimlich erworbenen MVV-Aktien offiziell und wurde nach der Stadt Mannheim (51,1 Prozent) zum größten Aktionär des börsennotierten Kommunalkonzerns (140410). Es folgten die Rheinenergie mit 16,1 Prozent und die GDF Suez mit 6,29 Prozent.

Kurz vor dem Verkauf kam es zum Streit um die Erlangung der Sperrminorität

Im März 2017 erhöhte der südwestdeutsche Energiekonzern seinen Einfluß noch weiter, indem er von der GDF Suez, die jetzt Engie hieß, deren Aktienpaket übernahm und so eine Sperrminorität von 28,67 Prozent erlangte (170312). Die Stadt Mannheim und der Gemeinderat wehrten sich gegen diese Aufstockung, weil sie dadurch die Handlungsfreiheit der MVV beschränkt sahen. Sie appellierten an die Politik, den Managern in Karlsruhe zu zeigen, wo es langzugehen habe. Die EnBW gehört nämlich seit 2011 zu hundert Prozent der öffentlichen Hand (101201). Über grundsätzliche Fragen der Unternehmenspolitik entscheidet seitdem nicht mehr die EDF, sondern die Landesregierung. Der Stuttgarter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) akzeptierte indessen die Versicherung des Karlsruher Managements, "dass die EnBW kein strategisches Interesse verfolgt , sondern nur Geld anlegen will". Sie strebe nur deshalb nach der Sperrminorität, um das gesamte MVV-Aktienpaket anschließend zu einem höheren Preis weiterverkaufen zu können. Das empfanden die Stadt Mannheim und der Gemeinderat nun freilich gar nicht als Beruhigung, weil gerade unter diesen Umständen der Weiterverkauf an aggressive Finanzinvestoren zu befürchten sei (170908).

Die Proteste halfen nichts: Im Dezember 2017 genehmigte das Bundeskartellamt die weitere Aufstockung des EnBW-Aktienpakets (171210). Als das Oberlandesgericht Düsseldorf ein halbes Jahr später diese Entscheidung bestätigte, legte die MVV Beschwerde beim Bundesgerichtshof ein (190811). Dort liegt sie bis heute, ohne dass darüber entschieden wurde. Schon kurz darauf ergab sich aber eine neue Situation: Sowohl die EnBW als auch die Rheinenergie kündigten an, sich ganz von ihren MVV-Anteilen trennen zu wollen. Und auch die MVV beteiligte sich nun aktiv an den Verhandlungen mit möglichen Erwerbern (191009).

 

Links (intern)

zur EnBW-Beteiligung an MVV

zur Rheinenergie-Beteiligung an MVV