März 2017

170312

ENERGIE-CHRONIK


EnBW erwirbt Sperrminorität an MVV Energie

Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) erhöht ihre Beteiligung am Mannheimer Kommunalkonzern MVV Energie zu einer Sperrminorität. Wie sie am 16. März mitteilte, übernimmt sie vom französischen Energiekonzern Engie (vormals GDF Suez) dessen Aktienpaket in Höhe von 6,28 Prozent. Über die Höhe des Kaufpreises sei Stillschweigen vereinbart worden. Wenn die Kartellbehörden zustimmen, gehört die MVV Energie AG damit künftig zu 28,76 Prozent der EnBW. Die restlichen Aktien entfallen weiterhin auf die Stadt Mannheim (50,1 Prozent), die Kölner RheinEnergie (16,3 Prozent) sowie Streubesitz (4,8 Prozent).

Angeblich handelt es sich weiterhin um eine reine Finanzbeteiligung

Wie schon in der Vergangenheit betonte die EnBW, daß sie ihr MVV-Paket lediglich als Finanzbeteiligung betrachte. Sie wolle weiterhin keinen Einfluß auf das operative Geschäft nehmen. Es gehe lediglich um eine "stabile Rendite". Auch der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) ließ mitteilen, daß der Anteilsverkauf die unternehmerische Ausrichtung und das Verhältnis der MVV-Anteilseigner nicht beeinflussen werde.

Das ändert freilich nichts daran, daß die EnBW nunmehr über die Sperrminorität verfügt und damit nach der Stadt Mannheim der einflußreichste Großaktionär ist. Die RheinEnergie, die ihre MVV-Aktien einst erklärtermaßen als "strategische Beteiligung" erworben hat (071009), ist über das gemeinsam betriebene Steinkohlekraftwerk Rostock (110211) sowie als Miteigentümer der EnBW-Tochter Stadtwerke Düsseldorf (051206) ein langjähriger Geschäftspartner.

Vorgeschichte reicht bis zum Kuhhandel um die Ruhrgas

Wenn die EnBW immer wieder betont, daß sie die MVV-Aktien als reine Finanzbeteiligung betrachte, ist dies auch kein freiwilliger Verzicht. Es handelt sich vielmehr um eine Verpflichtung, die sie vor sechzehn Jahren gegenüber dem Bundeskartellamt abgegeben hat, um überhaupt die Erlaubnis zum Einstieg bei der MVV zu erhalten.

Es fing damit an, daß sich der damalige EnBW-Chef Utz Claassen im Zuge der außergerichtlichen Einigung um die Übernahme der Ruhrgas AG durch den E.ON-Konzern (030101) eine Option auf die 15-prozentige Beteiligung der Ruhrgas an der MVV sichern konnte. Diese Option war der EnBW von E.ON für ihr Stillhalten bei der Übernahme der Ruhrgas versprochen worden. Sie gehörte zum geheimen Teil der Absprachen, deren Umfang nie völlig geklärt werden konnte (030607), und war erst im Juli 2004 bekanntgeworden (040709).

Die MVV Energie war über den geplanten Einstieg der EnBW alles andere als entzückt. Die Vorbehalte richteten sich dabei weniger gegen das Unternehmen als dessen Chef Claassen, der in der Branche schon mal mit "Rambo" oder "Idi Amin" verglichen wurde (050618). Am liebsten hätte man es gesehen, wenn die Ausübung der Option durch das Bundeskartellamt untersagt worden wäre (040911). Diese Hoffnung zerschlug sich, als die Behörde Anfang 2004 der EnBW die Übernahme des Ruhrgas-Anteils erlaubte. Die Genehmigung blieb aber mit etlichen Auflagen verbunden: Die EnBW mußte zusichern, keinen unternehmerischen Einfluß auf den Mannheimer Kommunalkonzern auszuüben, keine weiteren MVV-Anteile aus dem Streubesitz zu erwerben und auf einen Sitz im Aufsichtsrat zu verzichten (041205).

"Streubesitz" der MVV gehörte hauptsächlich zwei Großaktionären

Entgegen dieser Zusage erwarb die EnBW ab 2007 soviele Streubesitz-Anteile, daß ihr Aktienpaket, das offiziell 15,1 Prozent betrug, am Ende auf 22,48 Prozent anschwoll. Sie trat dabei nicht selbst in Erscheinung, sondern versteckte sich hinter einer Bank, die in ihrem Auftrag ein entsprechendes "Swap-Geschäft" konstruierte. So blieben die zusätzlich erworbenen 7,4 Prozent vorläufig in den 18,5 Prozent verborgen, die von der MVV als Streubesitz ausgewiesen wurden. Zur Offenlegung der tatsächlichen Aktionärsstruktur kam es erst, als eine Neuregelung des Wertpapierhandelsgesetzes solche Tricks untersagte. Zugleich stellte sich heraus, daß in dem nominellen Streubesitz auch ein Aktienpaket der GDF Suez in Höhe von 6,3 Prozent verborgen gewesen war – nämlich jenes, das jetzt die EnBW von Engie erworben hat (120308).

Durch die korrekte Ausweisung des EnBW-Anteils sowie der GDF Suez als neuem Großaktionär schrumpfte der Streubesitz der MVV plötzlich von 18,5 auf 4,8 Prozent. Er war also größtenteils getürkt gewesen. Der Kommunalkonzern wird seitdem von der Deutschen Börse bei der Berechnung von Index-Statistiken nicht mehr berücksichtigt, da hierfür ein Mindestanteil von zehn Prozent Streubesitz erforderlich ist.

Laut MVV-Geschäftsbericht 2013/2014 versicherte die EnBW schon damals, daß das auf 22,48 Prozent vergrößerte Aktienpaket eine "reine Finanzbeteiligung" sei. Es habe keine Auswirkungen auf die unternehmerische Ausrichtung und das operative Geschäft der MVV Energie. Eine weitere Aufstockung sei nicht vorgesehen. Zumindest die letztere Behauptung hat sich nun als haltlos erwiesen.

 

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