Dezember 2010

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ENERGIE-CHRONIK




Die EnBW-Zentrale an der Durlacher Allee in Karlsruhe
Pressefoto EnBW

EnBW gehört jetzt fast hundertprozentig der öffentlichen Hand

Die Electricité de France (EDF) hat ihre bisherige Beteiligung von 45,01 Prozent an der Energie Baden-Württemberg (EnBW) für 4,67 Milliarden Euro an das Land Baden-Württemberg verkauft. Dies teilten beide Seiten am 6. Dezember überraschend mit, nachdem der Verwaltungsrat der EDF in Paris und das Kabinett in Stuttgart den bis dahin geheimgehaltenen Handel abschließend gebilligt hatten.

Die EnBW wird damit zu einem Energiekonzern, der fast hundertprozentig der öffentlichen Hand gehört. Schon bisher besitzt der kommunale Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) eine Beteiligung von 45,01 Prozent. Der Rest von knapp zehn Prozent entfällt auf drei weitere kommunale Zweckverbände, eigene Aktien und Streubesitz. Die OEW wollen ihre Beteiligung von 45,01 Prozent unverändert behalten. Den kleineren Aktionären hat die Landesregierung die Übernahme ihrer Anteile zum selben Preis wie der EDF (41,50 Euro pro Stück) angeboten.

Landesregierung will Aktien "mittelfristig" wieder privatisieren

Wie Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) erklärte, will seine Landesregierung die Mehrheit an der EnBW aber nicht behalten, sondern "mittelfristig in erheblichen Teilen oder komplett an die Börse bringen". Sie verfolge damit das Ziel, die EnBW nach Daimler, HeidelCement und SAP zum vierten Dax-Konzern in Baden-Württemberg zu machen. Die vorübergehende Verstaatlichung des Konzerns sei lediglich der besonderen Situation entsprungen, die sich aus dem bevorstehenden Auslaufen des Konsortialvertrags zwischen OEW und EDF ergeben habe. Dieser Vertrag garantierte bisher beiden Seiten die Kapitalparität bei der EnBW sowie der EDF die unternehmerische Führung. Er wäre Ende 2011 ausgelaufen. An einer Verlängerung zeigte vor allem die EDF kein Interesse. Das Verhältnis zwischen den Partnern war noch nie sonderlich gut. Besonders schlecht und perspektivlos wurde es, nachdem die ebenfalls vom französischen Staat kontrollierte GDF Suez ihre VNG-Aktien der russischen Gazprom verkaufte, anstatt die EnBW beim Ringen um die ostdeutsche Gasversorgung zu unterstützen (siehe Hintergrund).

Landtag billigt Garantien in Höhe von 5,9 Milliarden Euro

Die Kosten des Handels sollen mit einer vom Land verbürgten Anleihe finanziert werden, wobei die Erträge aus den gekauften EnBW-Anteilen angeblich ausreichen, um die Zinsbelastung zu decken. Hinzu kommen allerdings noch erhebliche Transaktionskosten. Am 15. Dezember bewilligte der Stuttgarter Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP die Haftung des Landes für eine Summe von insgesamt 5,9 Milliarden Euro. Die Oppositionsparteien Grüne und SPD beteiligten sich nicht an der Abstimmung, sondern verließen unter Protest den Saal.

Opposition empört sich über Mißachtung des Parlaments

Grundsätzlich ist auch die Opposition mit dem Kauf der EnBW einverstanden. Sie wirft der Landesregierung aber vor, daß sie mit dem rechtskräftigen Abschluß des Kaufvertrags, dem nur noch die Kartellbehörden zustimmen müssen, das Parlament vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Nach Feststellung der SPD wird damit das Parlament "nur noch als Abnicker für ein sowieso schon gelaufenes, fragwürdiges Geschäft mißbraucht". Ministerpräsident Mappus behauptete demgegenüber, die EDF habe es kategorisch abgelehnt, die Verbindlichkeit des Kaufvertrags von der nachträglichen Genehmigung der erforderlichen Gelder durch den Landtag abhängig zu machen. Außerdem berief er sich auf Artikel 81 der Landesverfassung, der es in Fällen höherer Gewalt der Regierung erlaubt, außerplanmäßige Ausgaben ohne bzw. erst mit nachträglicher Zustimmung des Parlament zu tätigen.

Da die nachträgliche Genehmigung des Handels durch die schwarz-gelbe Mehrheit des Landtags als mindestens so sicher gelten konnte wie die Zustimmung der Kartellbehörden, klingt das alles nicht sonderlich überzeugend. Nach Feststellung der Grünen verstößt ein solches Vorgehen vor allem gegen die Landesverfassung: "Wo sind wir denn, daß ein Unternehmen verlangen kann, die Landesverfassung und die Landeshaushaltsordnung außer Kraft zu setzen?" Mappus mißhandele die Landesverfassung noch zusätzlich, wenn er sich auf Artikel 81 berufe, der auf Notlagen wie Naturkatastrophen und Seuchen zugeschnitten sei.

Kritik an politischen Hintergründen des Handels

Weitere Kritikpunkte sind die Höhe des Kaufpreises, die zusätzlichen Transaktionskosten, politische Verfilzungen der Akteure und die Absicht der Reprivatisierung. Wie sich der Mitteilung der EDF entnehmen ließ, zahlt das Land einen um 18,6 Prozent höheren Preis, als dem Kurs der EnBW-Aktie am 3. Dezember entsprochen hätte. Nach Ansicht der Grünen hat die Landesregierung voreilig auf das übliche Bewertungsverfahren verzichtet, indem sie der Bewertung der Investmentbank Morgan Stanley folgte, wonach 41,50 Euro pro Aktie ein "fairer" Preis seien. Diese Investmentbank war von der Landesregierung mit der Abwicklung des Geschäfts beauftragt worden. Daß keine Ausschreibung der Dienstleistung erfolgte, kann die Landesregierung mit der notwendigen Geheimhaltung der Verhandlungen begründen. Anrüchig bleibt aber, daß der Deutschland-Chef von Stanley Morgan, Dirk Notheis, ein enger Freund von CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus und Mitglied im CDU-Landesvorstand ist. Die Investmentbank dürfte für ihr Dienstleistungen eine dreistellige Millionensumme kassieren.

Die Opposition verweist ferner darauf, daß die von Mappus behauptete Eilbedürftigkeit des Kaufs gar nicht gegeben gewesen sei. Schließlich laufe der Konsortialvertrag zwischen EDF und OEW erst Ende nächsten Jahres aus. Eilbedürftig sei die Angelegenheit lediglich aus Sicht des Ministerpräsidenten Mappus, weil er sich mit dem Kauf der EnBW als Wirtschaftspolitiker profilieren wolle, um die Chancen der regierenden CDU bei den bevorstehenden Landtagswahlen am 27. März 2011 zu erhöhen.

 

 

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