März 2020 |
200301 |
ENERGIE-CHRONIK |
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In der zweiten März-Hälfte war der Stromverbrauch aus dem Netz der allgemeinen Versorgung deutlich geringer als in den entsprechenden Kalenderwochen des Vorjahres – eine Folge der verstärkten Bemühungen um Eindämmung der Corona-Epidemie. Vor allem Geschäftsschließungen und Produktionsbeschränkungen verringerten den Strombedarf von Gewerbe und Industrie. Dagegen waren die regelmäßig an Wochenenden auftretenden Verbrauchsrückgänge nur geringfügig kleiner, was auf gleichbleibenden Strombedarf im privaten Bereich verweist. |
Die Schutzmaßnahmen gegen die in China entstandene Corona-Pandemie, die sich weltweit ausgebreitet hat und im März ihren Schwerpunkt auf Europa und die USA verlagerte, haben zu bisher beispiellosen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der wirtschaftlichen Betätigung geführt. In Deutschland ist mit der Fortdauer dieses Ausnahmezustandes zumindest bis in den April zu rechnen. Trotz milliardenschwerer Hilfsprogramme werden die angeordneten Geschäftsschließungen und Produktionseinschränkungen voraussichtlich die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik zur Folge haben. Die Finanzplanung des Bundes ist bereits obsolet geworden.
Diese allgemeine Krise hatte und hat auch Auswirkungen auf die Energiewirtschaft. Die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser war zwar zu keiner Zeit gefährdet. Die verschärften Schutzmaßnahmen belasten die Branche und ihre Dienstleister dennoch intern wie extern. Zum Beispiel wird die rechtzeitige Umstellung der L-Gas-Anschlüsse auf H-Gas gefährdet, die besonders dringlich ist, weil die Niederlande ihre L-Gasförderung beenden wollen (181109). Ferner verzögert sich die Installierung von "smarten" Zählern bei größeren Niederspannungs-Stromverbrauchern, die jetzt anlaufen sollte (200205). Sogar Deutschlands größter Energiekonzern E.ON geht davon aus, dass die Corona-Krise "sichtbare Spuren" in seiner Bilanz hinterlassen werde, wie Konzernchef Johannes Teyssen am 25. März bei der Bilanzpressekonferenz für das Geschäftsjahr 2018 mitteilte.
Bereits in der ersten Monatshälfte war der Stromverbrauch aus dem Netz der allgemeinen Versorgung etwas geringer als in den zwei Vergleichswochen des Vorjahres. Noch deutlicher wurde diese Diskrepanz in den folgenden Wochen, als der gewerbliche und industrielle Stromverbrauch weiter zurückging. Im vortägigen Börsenhandel sank der Großhandelspreis für alle fünf März-Sonntage unter null (200306). Am 22. März mußte für die Abnahme einer Megawattstunde ein Aufgeld bis zu 55 Euro gezahlt werden. Auch die Preise für längerfristige Lieferungen im April sanken innerhalb einer Woche um fast 30 Prozent. Das änderte freilich nichts an den Endverbraucherpreisen, die nach Angaben des Tarifvergleichers Verivox mit 30,14 Cent pro Kilowattstunde ein neues Rekordhoch erreichten.
Anders beim Rohöl: Hier konnten die Endverbraucher von einem Überangebot profitieren. Hauptursache war ein neu entbrannter Kampf um Marktanteile zwischen Saudi-Arabien, Russland und den USA. Die weltweite Ausbreitung des Corona-Virus "Covid 19" hat die absichtlich herbeigeführte Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage aber noch um einiges verschärft. Das Ergebnis waren stark sinkende Preise für Benzin, Diesel und Heizöl (200302).
Die immer strengeren Abstandsgebote und andere Vorschriften zum Schutz vor Ansteckung veranlaßten auch Energieunternehmen, alle direkten persönlichen Kontakte im Interesse von Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern so weit wie möglich zu vermeiden. Viele Mitarbeiter vertauschten den normalen Arbeitsplatz mit Bildschirmarbeit im "Home Office". In sicherheitsempfindlichen Bereichen wurde darauf geachtet, hinreichend Ersatz für möglicherweise ausfallendes Personal zu haben. Persönliche Zusammenkünfte fanden nur noch unter Einhaltung von Sicherheitsabständen statt. Kongresse und ähnliche Versammlungen wurden kurzfristig gestrichen.
So hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) am 13. März seine Branchen-Jahrestagung "Treffpunkt Netze" abgesagt, die am 24. und 25. März in Berlin stattfinden sollte. Zur Begründung hieß es: "In Anbetracht der zunehmenden Verbreitung des neuartigen Coronavirus Covid-19 ist die Durchführung einer BDEW-Veranstaltung für Betreiber Kritischer Infrastrukturen mit mehr als 500 Teilnehmern weder vermittelbar noch verantwortbar." Ebenso entfielen kurzfristig die Veranstaltung "Erneuerbare Energien – wir investieren" am 2. April und die Wasserwirtschaftliche Jahrestagung am 2. und 3. April. Neue Termine sind noch nicht in Sicht. Die Energie Baden-Württemberg AG strich am 23. März ihre diesjährige ordentliche Hauptversammlung, die am 12. Mai 2020 stattfinden sollte. Ein neuer Termin werde "in Abhängigkeit vom weiteren Verlauf der Infektionswelle" festgelegt.
Das von der Bundesregierung vorgelegte Kohleaussstiegsgesetz (200102) hat der Bundestag am 6. März noch wie vorgesehen in erster Lesung beraten. Eine für den 25. März geplante Anhörung wurde dann aber verschoben. Ursprünglich wollte der Bundestag das Gesetz am 23. und 24. April in zweiter und dritter Lesung verabschieden. Der Bundesrat sollte dann am 15. Mai zustimmen. Obwohl das Parlament weiterhin tagt, ist die Einhaltung dieses Zeitplans fraglich geworden, zumal Länder und Kommunen Nachbesserungen verlangt haben, die noch eingearbeitet werden müssten (200201). Mitte März waren bereits sechs der 709 Bundestagsabgeordneten vom Corona-Virus infiziert. Um die Gefahr weiterer Ansteckungen zu mindern, einigten sich die Fraktionen auf die vorübergehende Einführung eines Verfahrens, bei dem die Anzahl der im Plenum und in den Ausschüssen anwesenden Abgeordneten unter Aufrechterhaltung der Mehrheitsverhältnisse paritätisch verringert wird.
Die seit September 2019 versprochene Abschaffung des "Solardeckels" (190903) kam noch immer nicht zustande, da der Wirtschaftsflügel der Union sie als Druckmittel für Zugeständnisse der SPD bei den Abstandsvorschriften für Windkraftanlagen verwenden will. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Thomas Bareiß, bemühte am 14. März die Corona-Krise, um auf dem Kurznachrichtendienst "Twitter" die Dringlichkeit dieser längst überfälligen Massnahme zu bezweifeln: "Nur weil hier immer noch manche glauben, dass der Solardeckel oder die Windabstand-Regelung die dringendsten Probleme sind: Wir haben gerade noch ein paar andere drängendere Themen zu bewältigen, die unser ganzes Land betreffen."
Vertagt wurde auch ein Kabinettschluss zur
Wasserstoffstrategie, den die Regierung ursprünglich am 18. März
bekanntgeben wollte. Der von Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU)
vorgelegte Entwurf war regierungsintern ohnehin umstritten. Sowohl das
Bundesumweltministerium von Svenja Schulze (SPD) als auch das
Forschungsministerium von Anja Karliczek (CDU) hatten Änderungswünsche.
Dann wurde auch noch der für Ende März geplante "Berlin Energy
Transition Dialog" abgesagt, in den die Regierung dieses Papier
einbringen wollte.