November 2019 |
191110 |
ENERGIE-CHRONIK |
Drei Jahre lang lauerte die Stadt Düsseldorf auf eine einigermaßen günstige Gelegenheit, um den Rest ihrer RWE-Aktien zu verkaufen. |
Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf hat ihre restlichen RWE-Aktien für 155,4 Millionen Euro verkauft. Wie die Stadt am 27. November mitteilte, konnte sie für die insgesamt 5.671.380 RWE-Stammaktien einen gemittelten Verkaufskurs von 27,44 Euro je Aktie erzielen. Der Buchwert der Aktien war dagegen nur mit 53,3 Millionen Euro veranschlagt, was 9,4 Euro pro Aktie entsprach und die pessimistischen Einschätzungen zu Ende des Jahres 2016 widerspiegelte.
Die Stadtverwaltung wartete schon seit drei Jahren auf eine passende Gelegenheit, ihre RWE-Aktien zu einem einigermaßen günstigen Preis loszuwerden. Die Ermächtigung dazu bildete ein Beschluss, den der Stadtrat am 7. November 2016 gefasst hatte. Der Kurs der RWE-Aktie, der im Januar 2008 mit 100 Euro seinen Höhepunkt erreicht hatte, war bis dahin auf etwa 14 Euro gesunken, und anschließend sank er noch weiter bis auf nicht viel mehr als 11 Euro. Der Konzern schockte seine Aktionäre sogar zweimal mit der kompletten Streichung der immer magerer gewordenen Dividende (160205, 170211). Aus diesem Grund wurde der Verkauf des Aktienpakets, das die Stadt intern der Rheinbahn AG übertragen hatte, vorerst auf Eis gelegt.
Erst nach knapp drei Jahren, am 22. Oktober 2019, erhielt die Stadtsparkasse Düsseldorf jetzt den Verkaufsauftrag. "Wir gehen mit dem Vermögen der Stadt verantwortungsvoll um und haben diese Finanzanlage mit großem Erfolg gemanagt", ließ sich der amtierende Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) in der Pressemitteilung zitieren. Das Selbstlob bezog sich auf frühere Forderungen von FDP und Grünen im Stadtrat, die Aktien bereits zu einem niedrigeren Kurs abzustoßen.
Ursprünglich besaß Düsseldorf 15,7 Millionen RWE-Aktien. Der größte Teil wurde aber bereits unter dem vormaligen Oberbürgermeister Erwin (CDU) bis 2007 verkauft, was beim damaligen Kurs einen Erlös von 1,1 Milliarden erbrachte.
Mit dem Verkauf der restlichen Aktien scheidet Düsseldorf aus dem Verband der kommunalen RWE-Aktionäre GmbH (VKA) aus, bei dem der Düsseldorfer OB Geisel noch im Juli 2017 den Verwaltungsratsvorsitz übernahm. Nach letzten Angaben verfügte der VKA im September 2018 noch über 63 Mitglieder, darunter 25 Städte und 28 Kreise (siehe PDF). Die mit ihm verschwisterte RW Energie-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co.KG hielt nach VKA-Angaben eine Beteiligung von mehr als 15 Prozent am Grundkapital der RWE AG und war "mit weitem Abstand der größte Einzelaktionär der RWE AG".
Am 5. September hatte bereits die Stadt Bochum mitgeteilt, dass sie ihre restlichen 2,2 Millionen RWE-Aktien "erfolgreich veräußert" habe. Auch hier hatte der Stadtrat 2016 beschlossen, sich in drei Tranchen zu jeweils 2,2 Millionen Stück vom Gesamtbestand an 6,6 Millionen RWE-Aktien zu trennen. Die erste Tranche wurde im Oktober 2016 mit einem Erlös von 15,25 Euro pro Stück verkauft. Im Juni 2017 folgte eine weitere, in zwei Teilmengen gegliederte Tranche mit Erlösen von 19,73 und 19,60 Euro pro Stück. Die dritte und letzte Tranche wurde an mehreren Handelstagen zwischen Juli und September dieses Jahres veräußert, wobei die Kurswerte im Bereich von etwa 25 bis 27 Euro lagen (siehe Grafik).
Kommunale RWE-Aktionäre in der Zwickmühle(siehe oben)
Die Kommunen spielten bei der Entstehung des "Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks" (RWE) eine wichtige Rolle und besaßen seit 1920 sogar die Kapitalmehrheit. Um trotz des Kapitalmangels nach der Inflation die Expansion des Unternehmens zu ermöglichen, verzichteten sie 1924 auf die Aktienmehrheit, behielten aber ihren beherrschenden Einfluß durch Namensaktien mit Mehrfachstimmrecht. Nach einer jahrelangen Seelenmassage durch Konzernvorstände und Finanzwelt (920508) ließen sie sich ihre Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung schließlich 1997 abhandeln (970905). Im folgenden Jahr wurden die kommunalen Namensaktien mit mehrfachem Stimmrecht in normale Stammaktien umgewandelt. Zum Ausgleich für den Verzicht erhielten die Kommunen eine Entschädigung von mindestens 1,15 Milliarden Mark (980202). Im Jahr 2003 kam es zu einem weiteren Konflikt zwischen dem damaligen RWE-Chef Harry Roels und den kommunalen Aktionären der RWE Gas, die auf einer höheren Gegenleistung für die Einbringung dieses Unternehmens in die neue "RWE Energy" bestanden (030712). Die kommunalen Gas-Aktionäre erhielten einen Einmalbetrag von 100 Millionen Euro, eine jährliche Garantiedividende von 48 Millionen Euro für die Geschäftsjahre 2004 bis 2008 sowie weitere 800 Millionen Euro für die komplette Abtretung ihrer Geschäftsanteile an die RWE Energy im Jahr 2009 (031108). Im Jahr 2010 wollte der damalige RWE-Chef Jürgen Großmann den Konzern in zwei Teile spalten: In eine internationale, börsennotierte Holding und eine daran angehängte Deutschland AG für das nationale Geschäft mit Strom und Gas. Die kommunalen Anteilseigner sollen nur noch an der Deutschland AG beteiligt werden. Die Kommunen hätten zwar an dieser eine höhere Beteiligung als bisher an der Holding bekommen, ihren Einfluß auf den Gesamtkonzern aber weitgehend verloren (100512). Großmann konnte diese Aufspaltung indessen nicht gegen den Widerstand der kommunalen Aktionäre durchsetzen (100906). Die Kommunen, deren Beteiligung an der RWE AG die Monopolkommission im Jahre 2007 mit exakt 16,752 Prozent errechnete (071102), blieben so trotz ihres schwindenden Einflusses ein gewichtiger Aktionär des Konzerns. Zugleich wurde RWE für sie aber immer mehr zu einer reinen Finanzbeteiligung. Ab 2004 entwickelte sich dieser Goldesel zunächst überaus erfreulich. Im Januar 2008 erreichte die RWE-Aktie mit bis zu 100 Euro pro Stück eine absoluten Höchststand. Seitdem ging es aber bergab. Im Jahr 2003 kostete die RWE-Aktie weniger als die Hälfte des Börsenwerts, den sie 1998 bei Beginn der Liberalisierung erreicht hatte (151207). Für die Kommunen war das ein schwerer Schlag ins Kontor,
da nicht nur ihre Beteiligungen an Wert verloren, sondern auch die Dividenden
sanken und am Ende sogar ganz ausblieben (170211).
Entsprechend wuchs die Bereitschaft, sich von den RWE-Aktien zu trennen.
Falls nun deren Börsenkurs im Gefolge der Marktaufteilung zwischen
RWE und E.ON noch weiter steigen sollte, ergibt sich daraus für die
verbliebenen kommunalen Aktionäre des Konzerns eine Zwickmühle:
Einerseits war die Situation für einen Verkauf seit langem nicht
so günstig. Andererseits könnte sie ja noch immer besser werden
und dann einen noch höheren Erlös bescheren... |