Juli 2019

190705

ENERGIE-CHRONIK


 


Das Kraftwerk Emile Huchet in St. Avold (Lothringen) lieferte den größten Teil des Stroms, den E.ON bzw. Uniper in Frankreich erzeugte. Nun übernimmt der tschechische EPH-Konzern die Anlage. Den Steinkohle-Block mit 600 MW (links) wird er bis 2022 stillegen müssen. Die beiden GuD-Blöcke mit jeweils 430 MW (Mitte) sind aber von dem neuen Klimagesetz nicht so betroffen und können weiter betrieben werden.
Foto: E.ON France

EPH kauft abzuschaltende Kohlekraftwerke in Frankreich

Der tschechische Energiekonzern EPH übernimmt das gesamte Frankreich-Geschäft von Uniper. Wie die ehemalige E.ON-Tochter am 4. Juli mitteilte, wurde eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet, nachdem sowohl die EU-Kommission als auch die französische Regierung zugestimmt haben. Der Verkauf umfasse im wesentlichen das französische Vertriebsgeschäft von Uniper, zwei Gaskraftwerke in Saint-Avold (Lothringen), zwei Steinkohlekraftwerke in Saint-Avold und in Gardanne (Provence), das Biomasse-Kraftwerk "Provence 4 Biomasse" in Gardanne sowie sechs Windparks und zwei Solarparks. Eine Verkaufspreis wurde nicht genannt. Es darf aber angenommen werden, dass EPH das gesamte Unternehmen zu einem Schnäppchenpreis bekommt.

"Die von der französischen Regierung beschlossene Schließung unserer beiden Kohlekraftwerke lange vor ihrem technischen Laufzeitende hätte unser gesamtes Geschäft in Mitleidenschaft gezogen", begründet Uniper-Vorstand Eckhardt Rümmler den Verkauf. Die französische Regierung hat nämlich beschlossen, bis 2022 sämtliche Kohlekraftwerke abzuschalten. Die beiden Steinkohle-Blöcke in Lothringen und der Provence werden deshalb nur noch etwa achtzehn Monate am Netz bleiben können. Ende Juni wurde diese Entscheidung von der Nationalversammlung als Bestandteil eines neuen Klimagesetzes bestätigt. Im Juli billigte sie auch der Senat. Die endgültige Verabschiedung des Klimagesetzes ist nach dem Ende der Sommerpause im September geplant (190704). Für Uniper gab dies offenbar den letzten Anstoß, das Übernahmeangebot des EPH-Eigentümers Daniel Kretinsky anzunehmen.

Uniper hatte schon im August 2018 eine "strategische Prüfung des Frankreichgeschäfts" angekündigt. Am 24. Dezember 2018 folgte die Mitteilung über die Aufnahme diesbezüglicher Verhandlungen mit EPH. Ferner hieß es, dass die Uniper France im Jahr 2017 zum gesamten Netto-Ergebnis des Konzerns lediglich mit "einem niedrigen einstelligen Millionen-Euro-Betrag" beigetragen habe. Das konnte als Hinweis auf einen recht niedrigen Kaufpreis gewertet werden, den der EPH-Chef Kretinsky geboten hatte. Der Preis dürfte aber wohl höher sein als bei den deutschen Erwerbungen, die Kretinsky quasi geschenkt bekam. Die beiden Kohle-Kraftwerke, die in Kürze abgeschaltet werden müssen und zusammen über eine Leistung von 1200 MW verfügen, sind schließlich nur Teil eines umfassenderen Pakets. Die beiden Gasblöcke in St. Avold mit jeweils 430 MW, das Biomasse-Kraftwerk mit 150 MW sowie die Windparks mit 84 MW und die Solarparks mit 10,5 MW installierter Nennleistung bieten auch längerfristig noch Gewinnchancen.

Kretinsky hat sich darauf spezialisiert, mit dem Kohleausstieg Kohle zu machen

Der tschechische Milliardär Kretinsky hat sich auf Billigkäufe an der Resterampe der europäischen Energiewirtschaft spezialisiert, indem er Kohle-Kraftwerke übernimmt. In Deutschland gehören ihm inzwischen alle Braunkohlekraftwerke im ost- und mitteldeutschen Revier (161010, 130907, 161009, 130107) sowie das Steinkohlekraftwerk Mehrum (171001), wobei er die Anlagen großteils geschenkt oder sogar mit einer Zuzahlung bekam. Anscheinend spekuliert er auf die Gewinne, die sich in der noch verbleibenden Betriebszeit machen lassen, auf den unterschätzten Vermögenswert von Grundstücken, Gebäuden und Maschinen sowie auf ein generelles Scheitern der Energiewende mit einer daraus resultierenden Verlängerung der Laufzeiten. Außerdem ist es zweifelhaft, ob die ostdeutsche Braunkohlewirtschaft nach ihrer Übernahme durch EPH noch über hinreichend gesicherte Rückstellungen verfügen wird, um die Langzeitlasten des Braunkohleabbaues zu finanzieren (181211). Zugleich ist es sehr wohl möglich, dass der geplante Kohleausstieg über Entschädigungen für die stillzulegenden Kraftwerke zu einem Bombengeschäft für EPH wird.

Wie sich auch mit der Stillegung von Kohlekraftwerken noch Kohle machen läßt, demonstrierte Kretinsky erstmals in Großbritannien: Anfang 2015 kaufte er dort das Kraftwerk Eggborough, von dem sich die französische EDF trennen mußte, um von der EU-Kommission die Genehmigung zur Übernahme des Atomstromproduzenten British Energy (BE) zu erhalten (081214). Eigentlich wollte die EDF das heruntergewirtschaftete Kraftwerk wegen der Verteuerung der britischen Emissionszertifikate (190703) stilllegen, bevor sie es Kretinsky für einen eher symbolischen Preis überließ. Der neue Eigentümer kündigte zunächst die Stillegung bis März 2016 an. Er hat diese Frist dann aber mehrfach verlängert, wobei ihm die herrschende Stromknappheit zugute kam und die Vorhaltung der Anlage als Reservekraftwerk vom staatlichen Netzbetreiber honoriert wurde. Als Eggborough im März 2018 schließlich doch vom Netz ging, kündigte EPH eine Umrüstung auf GuD-Technik an.

"Le Monde" sieht seine journalistische Unabhängigkeit durch Kretinsky bedroht

Kretinsky betätigt sich auch in anderen Geschäftsbereichen. So ist er in Deutschland gegenwärtig dabei, die Mehrheit am Handelskonzern Metro zu erlangen. In Frankreich hat er sich unter anderem an der Tageszeitung "Le Monde" beteiligt, indem er dem klammen Bankier Matthieu Pigasse, der 26,66 Prozent an der Mehrheitsgesellschafterin "Le Monde libre" (LMR) besaß, 49 Prozent von dessen Beteiligungsgesellschaft "Le Nouveau Monde" (LML) abkaufte (181007).

Inzwischen strebt Kretinsky sogar ziemlich offen die Beherrschung von Frankreichs führender Qualitäts-Tageszeitung an. Das befürchten zumindest die Redakteure und engagierten Unterstützer des Blattes, seitdem die LML mit der spanischen Mediengruppe Prisa ("El Pais") über deren 20-Prozent-Beteiligung an der LMR verhandelt. Als Folge könnten Pigasse und Kretinsky ihren Einfluß an der LMR von 26 auf 46 Prozent erhöhen. Die LMR besitzt drei Viertel des Kapitals der "Société éditrice du Monde" (SEM), die unter anderem auch das in mehreren Sprachen erscheinende Monatsblatt "Le Monde diplomatique" herausgibt. Den Redakteuren, Mitarbeitern und anderen "historischen Aktionären" gehören dagegen nur noch 19 Prozent, nachdem sie 2010 – getrieben von Finanznöten – auf ihre Mehrheit zugunsten der LMR mit vier privaten Kapitalgebern verzichtet haben. Dank einer speziellen Konstruktion verfügen sie allerdings trotzdem über ein Drittel der Sitze im Aufsichtsrat und über eine Sperrminorität von 33,34 Prozent. Diese Privilegien sehen sie allerdings durch Kretinsky ebenfalls gefährdet. Sie verlangen nun zusätzliche Garantien, die das Auftauchen eines neuen Mehrheitsaktionärs ohne Zustimmung der im "Pole d'indépendance" zusammengeschlossenen Aktionäre verhindern.

Am 17. Juli veröffentlichte "Le Monde" eine Erklärung seiner Redakteure, in der sich diese äußerst besorgt über Kretinskys Einstieg bei ihrem Blatt zeigen. Die Kaufverhandlungen der LML mit dem spanischen Aktionär Prisa bezeichnen sie als "feindseligen Akt". Eine unmittelbare Veränderung der Herrschaftsverhältnisse innerhalb des Unternehmens ergäbe sich daraus zwar noch nicht. Sie widersprächen aber den Zusicherungen, die Kretinskys Kompagnon Pigasse 2010 gegeben habe, als die Redakteure und anderen Altaktionäre notgedrungen auf die Kapitalmehrheit an dem Unternehmen verzichteten. Pigasse wird aufgefordert, sich endlich an diese Vereinbarungen zu halten. Ob er das tun wird, ist freilich sehr die Frage, da er anscheinend dringend auf die Finanzspritze angewiesen ist, die ihm Kretinsky mit dem Erwerb von 49 Prozent an der Beteiligungsgesellschaft "Le Nouveau Monde" zukommen ließ.


Wie aus dem Kohleverstromer "Charbonnages de France"
eine Tochter des E.ON-Konzerns wurde

Bei Uniper France handelt es sich um die frühere E.ON France. Den neuen Namen bekam das Unternehmen 2016, als der E.ON-Konzern sein konventionelles Kraftwerksgeschäft in die neu gegründete Uniper AG einbrachte (160111). Die E.ON France war ihrerseits die Fortführung der 1994 gegründeten Société nationale d'électricité et de thermique (Snet), die das Erbe des staatlichen Kohlekonzerns "Charbonnages de France" antrat. Die Snet ergänzte den nuklearen Kraftwerkspark Frankreichs vor allem durch Bereitstellung von Mittel- und Spitzenlast. Nach der Einstellung der französischen Kohleförderung (040408) wurden ihre Kohlekraftwerke mit Importsteinkohle befeuert. Seit 2004 gehörte Snet mehrheitlich dem spanischen Energiekonzern Endesa. In den Besitz des E.ON-Konzerns gelangte das Unternehmen, nachdem dieser in einem ruinösen Bieterwettbewerb um die Endesa gescheitert war. Ersatzweise einigten sich die Konkurrenten E.ON und Enel auf die Zerschlagung von Spaniens größtem Stromversorger (070403). Die Endesa-Tochter Snet wurde dabei Bestandteil eines umfangreiches Pakets mit Beteiligungen in Spanien, Italien, Frankreich, Polen und der Türkei, für das E.ON insgesamt rund zwölf Milliarden Euro ausgab (080309). Die so erworbene Mehrheit an Snet baute E.ON bis 2009 auf hundert Prozent aus (091005). Die neue Konzerntochter E.ON France verfügte über eine Erzeugungskapazität von 3500 MW. Schon 2012 kam es aber zur Stillegung von fünf Steinkohlekraftwerken mit einer Leistung von insgesamt 1193 MW (110611).

 

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