September 2013 |
130907 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der E.ON-Konzern und die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (Mibrag) unterzeichneten am 18. September einen Vertrag zum Verkauf des Braunkohle-Reviers bei Helmstedt. Die Mibrag übernimmt damit das Kraftwerk Buschhaus (390 MW) und den Tagebau Schöningen. Das neue Unternehmen heißt Helmstedter Revier GmbH und ist eine hundertprozentige Mibrag-Tochter. Die Mibrag gehört ihrerseits seit gut einem Jahr zu hundert Prozent dem tschechischen Energiekonzern EP Energy, der eine Minderheitsbeteiligung an den beiden E.ON-Braunkohleblöcken in Schkopau besitzt. Über den Verkaufspreis wurde Stillschweigen vereinbart.
Als die niedersächsische Landesregierung 1978 den Bau des Braunkohle-Kraftwerks Buschhaus genehmigte, glaubte sie die Proteste von Umweltschützern entkräften zu können, indem sie einen besonders hohen Schornstein vorschrieb, der Asche und Rauchgase möglichst weiträumig verteilen sollte. Die Umweltschutzbewegung erkämpfte dennoch den nachträglichen Einbau einer Rauchgasreinigung. Inzwischen ist das, was damals heftig umstritten war, längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Nach wie vor verfügt Buschhaus aber über den größten Schornstein Deutschlands, der mit einer Höhe von 307 Metern sogar die meisten Fernseh- und Fernmeldetürme überragt. Foto: Wikipedia
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Als Folge des Handels wird das Kraftwerk Buschhaus länger betrieben als bisher vorgesehen. Eigentlich sollte es stillgelegt werden, wenn der dazugehörige Tagebau Schöningen erschöpft ist, was voraussichtlich 2017 eintritt. Die Mibrag will es nun über diesen Zeitpunkt hinaus weiterbetreiben und mit Braunkohle aus ihren eigenen Tagebauen versorgen. Zugleich übernimmt sie die bestehenden Rückbau- und Rekultivierungsverpflichtungen im Helmstedter Revier, die bisher die E.ON Kraftwerke GmbH zu erfüllen hatte.
E.ON trennt sich damit ganz von von der unternehmerischen Hinterlassenschaft der ehemaligen Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke AG (BKB), unter deren Dach die Muttergesellschaft E.ON Energie bis 2008 sowohl die Braunkohleverstromung im Helmstedter Revier als auch die Müllverbrennung angesiedelt hatte. Die Müllverbrennung wurde dann durch Umwandlung der BKB in die E.ON Energy from Waste AG (EEW) fortgeführt, während das Kraftwerk Buschhaus, der Tagebau Schöningen und ein Teil der bisherigen BKB-Zentrale als "Revier Helmstedt" zur E.ON Kraftwerke GmbH kamen (080413). Die einst hoffnungsvolle Tochter E.ON Energy from Waste AG ist für den Konzern inzwischen nur noch eine Finanzbeteiligung, nachdem er die Mehrheit an die in Schweden ansässige Investmentgruppe EQT verkauft hat (121208). Seit 1. Juli 2013 hat sie E.ON aus ihrem Namen gestrichen und firmiert als "EEW Energy from Waste GmbH".
Die Braunschweigische Kohlen-Bergwerke AG entstand 1873 aus dem Zusammenschluß von sieben bergbautreibenden Kleinunternehmen im Helmstedter Braunkohlerevier. 1925 übernahmen die Elektrowerke (AEG) und RWE die BKB-Aktien. Ende der zwanziger Jahre gelangten die RWE-Anteile durch einen Aktientausch an die PreussenElektra, auf die 1986 auch die Anteile der Elektrowerke übergingen, so daß BKB zu einer Tochter der PreussenElektra wurde und mit dieser in den Besitz des neuen E.ON-Konzerns überging.
Um die Errichtung des Kraftwerks Buschhaus, das 1985 ans Netz ging, gab es Anfang der achtziger Jahre heftige Auseinandersetzungen, weil es noch vor Inkrafttreten der ersten Großfeuerungsanlagenverordnung vom Juni 1983 (040706) ohne Rauchgasentschwefelungsanlage genehmigt worden war. Umweltschützer liefen dagegen Sturm und sprachen von der "Dreckschleuder der Nation", zumal Buschhaus die schwefelhaltige "Salzkohle" aus dem neuen Tagebau Schöningen verfeuern sollte. Die BKB erklärte sich schließlich zum nachträglichen Einbau einer Entschwefelung bereit, wollte aber nicht bis zu deren Fertigstellung warten, sondern das Kraftwerk schon vorher ohne Rauchgasreinigung in Betrieb nehmen. Die fortdauernde Protestbewegung ließ schließlich sogar die CDU/FDP-Koalition in Bonn kriseln und beschäftigte zweimal den Bundestag, der am 31. Juli 1983 in einer Sondersitzung die Inbetriebnahme mit der Auflage genehmigte, daß bis zur Fertigstellung der Entschwefelung nur Normalbraunkohle aus dem alten Tagebau bei Helmstedt verwendet werden durfte. Die Rauchgasentschwefelungsanlage wurde dann 1987 in Betrieb genommen.
Die Mibrag, die jetzt das Helmstedter Revier übernimmt, ist nach RWE Power (bis 2003 Rheinbraun) und Vattenfall Europe Mining (bis 2003 Laubag) der drittgrößte Braunkohleförderer in Deutschland. Sie beliefert vor allem die Großkraftwerke in Schkopau (E.ON) und Lippendorf (Vattenfall). Daneben betreibt sie die drei Industriekraftwerke Mumsdorf (85 MW), Deuben (86 MW) und Wählitz (37 MW), die hauptsächlich Strom für den Eigenbedarf der Tagebaue erzeugen und außerdem Wärme auskoppeln. So versorgt das Kraftwerk Mumsdorf die Orte Meuselwitz, Lucka, Mumsdorf, Staschwitz, Prößdorf, Falkenhain mit Fernwärme und den Industriepark Zeitz mit Prozeßdampf. Alle drei Kraftwerke stammen noch aus DDR-Zeiten. Sie wurden seitdem zwar hinsichtlich der Rauchgasreinigung modernisiert, erreichen aber nicht den Wirkungsgrad moderner Braunkohlekraftwerke. Als die Emissionszertifikate nicht mehr kostenlos abgegeben wurden, machte das Unternehmen deshalb eine besonders hohe Kostenbelastung geltend und bemühte sich vergebens um eine Ausnahmeregelung (090713). Ein Neubau zur Ersetzung der Altanlagen war seit Jahren geplant (061113), wurde aber nie in Angriff genommen. Offenbar schließt nun der Erwerb von Buschhaus diese Lücke.
Zu DDR-Zeiten beschäftigte die Mibrag, die heute noch rund 2.500 Personen auf der Gehaltsliste hat, fast 60.000 Menschen. Bei ihrer Privatisierung durch die Treuhand wurde sie zunächst an zwei US-Unternehmen verkauft (931204). Als diese sich 2008 zum Rückzug entschlossen, galten zunächst Vattenfall oder RWE als natürliche Anwärter für die Nachfolge (080913). Im Februar 2009 erwarb dann aber ein tschechisches Konsortium aus dem Staatskonzern CEZ und der Finanzgruppe J&T jeweils die Hälfte der Anteile (090713). Der Kaufpreis, der offiziell nicht genannt wurde, soll bei mehr als 400 Millionen Euro gelegen haben. Nach Genehmigung durch die EU-Kommission übernahmen die Tschechen im Juni 2009 offiziell die unternehmerische Führung der Mibrag. Seit Juli 2012 gehört das Unternehmen zu hundert Prozent dem tschechischen Energiekonzern EP Energy, der vom US-Unternehmen NRG Energy auch die Saale Energie GmbH kaufte, die 41,9 Prozent am Braunkohlekraftwerk Schkopau besitzt. Die EP Energy wurde so neben E.ON zweiter Miteigentümer des Kraftwerks, das seinen Brennstoff aus ihren Tagebauen bezieht. Damit verbunden sind Bezugsrechte für einen Leistungsanteil von 400 MW.
Nach dem Verkauf von Buschhaus betreibt E.ON innerhalb Deutschlands nur noch in Schkopau die Verstromung von Braunkohle. Die Mehrheitsbeteiligung an den beiden Blöcken in Schkopau mit insgesamt 900 MW hat E.ON von der früheren Veba Kraftwerke Ruhr (VKR) geerbt (960706). Nach Abzug der 400 MW, die dem tschechischen Miteigentümer EP Energy gehören, verbleiben davon noch 500 MW.