Februar 2019

190208

ENERGIE-CHRONIK


 


Bei nur einer deutschen Stromhandelszone (links) beträgt der effektive Strompreis durchschnittlich 75,12 Euro pro Megawattstunde (weißer Strich auf der Preisskala). Bei zwei Stromhandelszonen (rechts) sinkt er in beiden auf durchschnittlich 68,05 Euro/MWh (roter Strich auf der Skala). Diese Differenz wäre der "Wohlfahrtsgewinn" in Höhe von jährlich gut einer Milliarde Euro und käme den Verbrauchern zugute. Die vertikalen Linien symbolisieren die fünf HGÜ-Trassen, die der Netzentwicklungsplan vorsieht. (Die Originalgrafiken sind in der Studie auf den Seiten 22 /23 zu finden und wurden hier aus Darstellungsgründen etwas vereinfacht.)

Zwei Strompreiszonen in Deutschland würden Einsparung von einer Milliarde Euro ermöglichen

Die Einführung von zwei Stromhandelszonen in Deutschland würde einen volkswirtschaftlichen "Wohlfahrtsgewinn" von rund einer Milliarde Euro ermöglichen, der den Stromverbrauchern zugute käme. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Untersuchung von Mathematikern und Volkswirten der Universität Trier und des Energie Campus Nürnberg, die jetzt veröffentlicht wurde (siehe Link). Sie berücksichtigt nicht nur die unterschiedlichen Preise am Spotmarkt, wie sie sich beispielsweise durch die Auftrennung der deutsch-österreichischen Handelszone ergeben haben (181003), sondern auch alle anderen Kosten, die über die Netzentgelte in die Strompreise miteingehen. Demnach würden bei der Einführung von zwei Handelszonen die Kosten im Durchschnitt beider Zonen um fast zehn Prozent sinken. Das heißt, dass auch die Verbraucher in Süddeutschland profitieren würden, obwohl sich für ihre Zone höhere Spotmarktpreise ergäben als für die Zone im Norden.

Drei Zonen wären weniger ergiebig

Die Autoren haben noch andere mögliche Aufteilungen des deutschen Strommarkts untersucht - mit drei, vier oder mehr Gebieten. Zum Beispiel errechneten sie für drei Handelszonen einen noch etwas höheren "Wohlfahrtsgewinn" (1036 statt 1007 Millionen Euro). Der zusätzliche Aufwand würde hier allerdings weniger lohnen. Vor allem sind schon zwei Handelszonen in Deutschland politisch kaum durchsetzbar, weil Stromhändler, Börse, Industrie, Branchenverbände und Netzbetreiber strikt gegen eine solche Lösung zur Behebung der chronischen Netzengpässe sind.

Lobby polemisiert gegen "künstlich gezogene Grenze"

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bezeichnete die Aufteilung in zwei Strompreiszonen sogar als "brandgefährlich für das Gelingen der Energiewende", denn dadurch würde "der trügerische Schein erweckt, daß der Netzausbau nicht mehr so dringend sei". Hinzu würde dann "die Höhe der Stromrechnung maßgeblich davon abhängen, ob man nördlich oder südlich einer künstlich gezogenen Grenze wohnt". Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) warnte davor, daß Verbraucher in Süd- und Norddeutschland unterschiedliche Strompreise zahlen müssten.

Ungeteilte Strompreiszone muss von Verbrauchern finanziert werden

Das klang sehr verbraucherfreundlich, ignorierte aber die Tatsache, daß die Verbraucher schon heute je nach Region mit unterschiedlich hohen Netzentgelten belastet werden, die selbstverständlich auf die Strompreise durchschlagen (siehe Hintergrund, Mai 2016). Ein riesiger und absolut entbehrlicher Brocken sind dabei die Milliardenkosten, die das Engpaß-Management durch "Redispatch" und Abregeln von Erzeugungsanlagen verursacht (181202, 170507, 151201). Insofern wird die ungeteilte Strompreiszone bisher zwangsweise von den Verbrauchern finanziert. Oder anders gesagt: Zwei Handelszonen ohne Milliardenkosten für "Redispatch" und Abregelung wären für die deutschen Stromverbraucher günstiger als die Festschreibung einer ungeteilten Strompreiszone, von der mit Sicherheit nur die Börse und der Stromhandel profitieren.

Verordnung schreibt neuerdings "einheitliche Stromgebotszone" innerhalb Deutschlands vor

Sogar in Brüssel und bei der europäischen Regulierungsbehörde hält man die Aufteilung der deutschen Stromhandelszone in eine nördliche und südliche Hälfte – zusätzlich zu der bereits erfolgten Abtrennung Österreichs – für eine sinnvolle Lösung. Bislang hat sich aber die Lobby durchgesetzt. Die Bundesregierung ist ihr zu Diensten und tut so, als ob die Einführung von zwei Stromhandelszonen etwas ähnliches wie die erneute Teilung Deutschlands wäre: Im November 2017 hat sie eine Änderung der Stromnetzzugangsverordnung beschlossen, die durch den neu eingefügten § 3a ausdrücklich eine "einheitliche Stromgebotszone" innerhalb Deutschlands vorschreibt (171101). Damit will sie verhindern, daß ein Neuzuschnitt der EEX-Stromhandelszonen auf quasi technokratischem Wege über EU-Kommission, Regulierungsbehörden und Übertragungsnetzbetreiber zustande kommt.

Der Traum von der "europäischen Kupferplatte" ist eher ein Alptraum

Dabei wäre es nur vernünftig, den wirtschaftlichen Überbau den Realitäten des technischen Unterbaues anzupassen, anstatt Unsummen zu verpulvern, damit aus den Reibungsverlusten zwischen beiden Bereichen kein Kolbenfresser wird. Dazu kommt es aber sehr schnell, wenn man sich den europäischen Strommarkt weiterhin idealerweise als eine einzige Stromhandelszone von Lissabon bis Warschau vorstellt, in die jedes Kraftwerk an jedem beliebigen Ort einspeisen kann, solange es an einer anderen Stelle für den Strom einen Abnehmer gibt. Wer ein bißchen Ahnung von Physik und Stromwirtschaft hat, wird diesen Traum von der "europäischen Kupferplatte" eher für einen Alptraum halten. Irgendwann könnte diesem Traum von Stromhändlern und technikfernen Konzernbossen ein böses Erwachen folgen. Vor kurzem gab es – so gut wie unbemerkt von der Öffentlichkeit – schon mal einen kleinen Vorgeschmack: Am 10. Januar um 21 Uhr stürzte die Netzfrequenz des kontinentaleuropäischen Verbundnetzes kurzzeitig bis auf die Abschaltgrenze von 49,800 Hertz, ohne dass man dafür bis heute die Ursache finden konnte (190214).

 

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