Oktober 2010 |
101011 |
ENERGIE-CHRONIK |
Im deutschen Übertragungsnetz häuften sich 2009 die Netzengpässe, weshalb die vier Netzbetreiber insgesamt 40-mal von der Ausnahmeregelung in § 13 Abs. 2 EnWG Gebrauch machen mußten. Dies ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der SPD, die unter anderem wissen wollte, wie oft in den Jahren 2008, 2009 und 2010 die Ausnahmeregelungen nach § 13 EnwG in Anspruch genommen wurden. Die Anfrage lag bereits seit 25. Februar vor und war am 11. Juni Anlaß einer Debatte im Bundestag (100609). Sie wurde aber erst jetzt mit Datum vom 30. September – also nach sieben Monaten – beanwortet (Bundestagsdrucksache 17/3089).
Die Ausnahmeregelung in § 13 Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes berechtigt und verpflichtet die Netzbetreiber, sämtliche Stromeinspeisungen, Stromtransite und Stromabnahmen in ihren Regelzonen so anzupassen, daß die Versorgungssicherheit wieder gewährleistet ist. Außer konventionellen Kraftwerken dürfen dabei auch Windkraftanlagen abgeschaltet werden, denn der in § 8 EEG verankerte Einspeisungsvorrang für erneuerbare Stromquellen wird in diesem Fall durch § 11 EEG außer Kraft gesetzt. Die Betroffenen können in einem solchen Notfall auch keinen Anspruch auf Entschädigung geltend machen.
Die Inanspruchnahme der Notfallregelung nach § 13 Abs. 2 EnWG ist sozusagen die ultima ratio der Netzbetreiber, wenn Netzschaltungen oder der Zukauf von Regelenergie nach § 13 Abs. 1 EnWG nicht ausreichen, um eine Gefährdung der Versorgungssicherheit abzuwenden. Wieviele solcher vorgelagerter Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 EnWG es 2009 gab, ist der Antwort nicht zu entnehmen. Es heißt lediglich, es habe "Meldungen über Sicherheitseingriffe, Countertrading, Redispatch und Hilfen zwischen den Netzbetreibern mit einer maximalen Leistung von 3000 MW und einer betroffenen Arbeit in Höhe von insgesamt 1847 GWh" gegeben.
Insgesamt ergibt sich aus den Angaben der Bundesregierung, die sich ihrerseits auf Daten der Bundesnetzagentur stützt, das folgende Bild:
Jahr | Maßnahmen nach |
Maßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG |
|
maximale Leistung in MW |
betroffene Arbeit in GWh |
Anzahl Anpassungen | |
2008 | k.A. | k.A. | 27 |
2009 | 3000 | 1847 | 40 |
2010 (bis 3. 9.) |
3490 | 853 | 6 |
Trotz Lückenhaftigkeit lassen diese Angaben für das Jahr 2009 eine Häufung von netztechnischen Problemen erkennen. Neben der allgemein höheren Belastung der Netze als Folge der Liberalisierung trug dazu entscheidend die Einspeisung von Windstrom bei, die in lastschwachen Zeiten mitunter ein erhebliches Überangebot erzeugte. Die Netzbetreiber lösten dieses Problem zunächst gemäß § 13 Abs. 1 EnWG durch den Einkauf negativer Regelenergie. In der Praxis bedeutete dies, daß sie den prognostizierten Windstrom an der Börse vorab verschleuderten. Wenn sie ihn nicht einmal geschenkt losbekamen, zahlten sie an manchen Tagen sogar ein millionenschweres Draufgeld (100101). Offenbar reichte dieses Instrumentarium aber nicht aus, um das Netz in der Balance zu halten, wie aus der ungewöhnlich großen Anzahl von 40 Anpassungen nach § 13 Abs. 2 EnWG hervorgeht.
Die bisher für 2010 vorliegenden Angaben zeigen bei den netz- und marktbezogenen
Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 EnWG eine uneinheitliche Entwicklung: Einem
Zuwachs bei der maximalen Leistung in MW steht ein Rückgang bei der Arbeit in
GWh gegenüber. Darüber hinausgehende Notmaßnahmen nach § 13 Abs.
2 EnWG sind aber deutlich weniger ergriffen worden. Das ließe sich damit erklären,
daß solche krassen Überangebote an Windstrom wie im Vorjahr noch nicht
wieder aufgetreten sind (100809). Es kann aber auch mit dem
neuen EEG-Ausgleichsverfahren zu tun haben, das die Verschleuderung von Windstrom
an der Börse seit Anfang des Jahres zum Normalfall macht, der nicht mehr mit
§ 13 Abs. 1 EnWG begründet werden muß. In diesem Fall wäre die
Milderung der netztechnischen Probleme mit einer wesentlich höheren Belastung
der Endverbraucher erkauft worden, denn infolge des Pflichtverkaufs über die
Börse ist die EEG-Umlage geradezu explodiert (101001).