November 2018 |
181111 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die von der EU erzwungenen gemeinsamen Ausschreibungen für Wind- und Solarstrom haben sich erneut als neoliberaler Unsinn erwiesen. "Faktisch wirkt die gemeinsame Ausschreibung wie eine zusätzliche PV-Ausschreibung" konstatierte die Bundesnetzagentur, als sie am 19. November das Ergebnis der zweiten Ausschreibungsrunde bekanntgab, die zum 1. November stattfand. Dieses Mal hat sich nur noch ein einziger Windkraft-Bieter an dem aussichtslosen Rennen beteiligt. In der ersten Runde waren dagegen 18 Windkraft-Projekte gegen die kostengünstigere Photovoltaik angetreten, ohne einen Zuschlag zu bekommen (180401).
Ausgeschrieben waren 200 MW. Die eingegangenen Gebote hatten einen Umfang 307 MW. Den Zuschlag bekamen 36 Gebote im Umfang von 201 MW. Der Förderanspruch liegt dabei zwischen 4,65 und 5,79 ct/kWh. Mengengewichtet beträgt er im Durchschnitt 5,27 Cent/kWh. Er liegt damit höher als bei der ersten Runde (4,67 Cent/kWh). Ein Drittel des Fördervolumens entfällt auf zehn Solar-Projekte in Brandenburg mit insgesamt 65 MW.
Die gemeinsamen Ausschreibungen für Wind- und Solaranlagen, die mit dem EEG 2017 in § 39i eingeführt wurden, sind eine Konzession an die 2014 in Kraft getretenen EU-"Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 - 2020". Diese sehen Ausschreibungen für jeweils eine bestimmte Technologie nur noch als Ausnahme vor, die begründet werden muss, um aus Brüssel die beihilferechtliche Genehmigung zu erhalten (siehe Hintergrund, April 2018). Aufgrund der Ausführungsverordnung, die dazu das Bundeswirtschaftsministerium im August 2017 erlassen hat, muss die Bundesnetzagentur in den Jahren 2018 bis 2020 jährlich zweimal solche gemeinsamen Ausschreibungen für Wind- und Solaranlagen durchführen. Sie finden am 1. April und 1. November statt und haben jeweils einen Umfang von 200 Megawatt zu installierender Leistung. Mithin sind jetzt noch vier solcher Veranstaltungen im Umfang von 800 MW durchzuführen, obwohl es sich auch künftig um reine Photovoltaik-Ausschreibungen handeln dürfte, bei denen Windkraft-Bieter keine Chance haben.
Die unsinnige Richtlinie kam seinerzeit unter dem deutschen EU-Energiekommissar Günther Oettinger zustande, dem auch in anderer Hinsicht simpelstes Grundlagenwissen über das wichtige europapolitische Ressort fehlte, mit dem ihn die CDU für den Rückzug vom Amt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten entschädigte (101104). Oettinger drängte auf eine Ersetzung der nationalen Fördersysteme durch eine EU-einheitliche Regelung, was damals nicht nur die Grünen auf die Palme brachte, sondern auch von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) als "Kampfansage an die deutsche Energiepolitik" gewertet wurde (110102). Zu der von Oettinger gewünschten europaweiten "Harmonisierung" der Fördersysteme kam es zwar nicht, aber die 2014 in Kraft getretenen Beihilfe-Leitlinien zur Erneuerbaren-Förderung zielten in dieselbe Richtung, indem sie die technologieneutrale Ausschreibung zum Normalfall erklärten. Damit gab die EU-Bürokratie den Einflüsterungen einer Lobby nach, die sich optimale Profite erhoffte, wenn Wind- und Solaranlagen innerhalb Europas nur an den jeweils günstigsten Standorten die Zuschläge erhalten würden. Vor allem sollte damit der vermehrte Zubau von Windkraftanlagen erreicht werden, die damals pro Kilowatt Nennleistung noch kostengünstiger war als Solaranlagen.
Der rapide Preisverfall bei der Photovoltaik hat dazu geführt, dass das Ergebnis nun genau umgekehrt aussieht. Das ist insofern erfreulich, als die Photovoltaik langfristig das höhere Ausbaupotential und vor allem größere Akzeptanz besitzt. Trotzdem bleibt es eine falsche Weichenstellung, dass jeder nationalen Förderung die Beihilfe-Genehmigung versagt werden kann, wenn sie dem Geßlerhut der "technologieneutralen" Ausschreibung nicht die gebührende Reverenz erweist. Die Leitlinie läßt zwar auch technologiespezifische Ausschreibungen zu. Diese müssen aber begründet und von der EU-Kommission anerkannt werden. Zum Beispiel war man in Brüssel nicht bereit, grundsätzlich getrennnte Ausschreibungen für Wind- und Solarstrom zu akzeptieren, wie dies von Deutschland gewünscht und mit guten Argumenten begründet wurde. Nur deshalb kam im EEG 2017 der § 39i zustande. Er war der Preis, den Berlin dafür zahlen mußte, dass Brüssel die getrennten Ausschreibungen für Wind- und Solarstrom durch die Bundesnetzagentur vorerst weiterhin duldet. Ein weiteres Zugeständnis war der § 39j, der die sogenannten Innovationsausschreibungen einführte. Unter den Gründen, die eine Ausnahme von der technologieneutralen Ausschreibung rechtfertigen können, nennt die EU-Leitlinie nämlich "längerfristiges Potenzial einer bestimmten neuen, innovativen Technologie".