Dezember 2014 |
141212 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der niedersächsische Kommunalkonzern EWE will bis Ende 2017 rund 500 Arbeitsplätze abbauen. Derzeit sind bei dem Energieversorger noch mehr als 9000 Mitarbeiter beschäftigt. Wie die Oldenburger "Nordwest-Zeitung" (19.12.) berichtete, wurden die Beschäftigten von ihren Vorgesetzten sowie via Intranet darüber informiert, daß es bei dem Versorger erstmals in der Unternehmensgeschichte einen Personalabbau in größerem Stil geben werde. Einen entsprechenden Beschluß habe der Konzernvorstand kurz vor Weihnachten getroffen.
Vor vier Monaten hatte die EWE bekanntgegeben, daß ihr operatives Ergebnis im ersten Halbjahr 2014 mit 186,5 Millionen Euro rund 50 Prozent unter dem Wert des Vorjahres gelegen habe. Der Konzernumsatz sei mit etwa 4,1 Milliarden Euro um elf Prozent geringer gewesen. Der im Vergleich zum Vorjahr deutlich wärmere Winter und das außergewöhnlich warme Frühjahr hätten zu einem deutlich geringeren Absatz vor allem von Erdgas, aber auch von Strom und Wärme geführt. Außerdem habe eine Tarifsenkung für Stromkunden zum rückläufigen Umsatz beigetragen.
Auf Nachfrage der "Nordwest-Zeitung" bestätigte die EWE ferner, daß sie ihre Tochter swb – die früheren Stadtwerke Bremen – ab dem kommenden Geschäftsjahr nur noch als Finanzbeteiligung führen wolle. Die Doppelmandate auf Vorstandsebene würden aufgelöst. Zudem werde es keine weiteren gemeinsamen Gesellschaften zwischen EWE und swb mehr geben. Bestehende Projekte wie die gemeinsame Ökostromgesellschaft "proNaturwatt" oder die interne Shared-Services-Gesellschaft "EWE swb ISIS" würden aufgelöst. Man werde jedoch "an der Integration von SWB langfristig festhalten", sagte ein EWE-Sprecher.
Mit der demonstrativen Erklärung, die swb nur noch als Finanzbeteiligung zu betrachten, rudert die EWE zurück, nachdem sie seit knapp zwei Jahren die Eingliederung der swb in den Oldenburger Kommunalkonzern betrieben hat. Anfang 2012 wurde ein vertrauliches Informationspapier bekannt, wonach die Zwischenholdings EWE Energie und sbw entfallen und der Gesamtkonzern zentral gesteuert werden sollte. In dem Ende 2009 geschlossenen Konsortialvertrag hatten die Stadt Bremen und der quasi hundertprozentige Mehrheitsaktionär EWE jedoch vereinbart, daß die swb AG "als eigenständiges Unternehmen" weitergeführt wird. Der swb-Betriebsrat befürchtete, daß die geplante "Restrukturierung" zum Abbau von Arbeitsplätzen führen würde und die Bremer Beschäftigten die finanziellen Schwierigkeiten ausbaden müßten, in die EWE durch das Engagement bei VNG (141016) und in anderen Bereichen geraten war.
Die Stadtwerke Bremen waren ab 1995 auf Betreiben der regierenden SPD privatisiert worden (950712, 950407, 950311, 940211). Zunächst übernahmen die Veba-Tochter PreussenElektra 24,9 Prozent sowie die Ruhrgas und die belgische Tractebel jeweils 12,5 Prozent. Der Einspruch des Bundeskartellamts gegen die PreussenElektra-Beteiligung (960608) wurde durch die Liberalisierung des Energiemarktes irrelevant (990505). Die Stadt Bremen verkaufte dann die knappe Mehrheitsbeteiligung, die ihr noch verblieben war, im Jahr 2000 dem niederländischen Konzern Essent (000606). Aktionäre waren damals die Bremer Landesbank (31,57 %), die Bremer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbh (25,11 %), Veba/PreussenElektra (22,54 %), Ruhrgas (11,32 %) und swb AG (9,46 % eigene Anteile).
Als im September 2002 der E.ON-Konzern die Ministererlaubnis für die beabsichtigte Übernahme der Ruhrgas AG erhielt, wurde ihm unter anderem auferlegt, sich von der 32,36-prozentigen swb-Beteiligung zu trennen, die sich aus der von Veba/PreussenElektra geerbten Beteiligung und den von Ruhrgas gehaltenen Aktien ergab (020901). Die Oldenburger EWE, die sich schon früher für swb interessiert hatte, nutzte diese Chance und erwarb die E.ON-Anteile für 305 Millionen Euro (031110). Etwas später stockte sie diese Beteiligung auf 49 Prozent auf (040914). Zugleich bereitete sie sich auf die Übernahme der Mehrheit vor, da der damalige Mehrheitsaktionär Essent nun vom RWE-Konzern übernommen wurde und sich von der Bremer Tochter trennen mußte, um kartellrechtliche Bedenken auszuräumen (090410). Die Stadt Bremen hätte zwar ein Vorkaufsrecht gehabt, verzichtete aber darauf (090601). Da sich sonst kein weiterer Interessent für eine Minderheitsbeteiligung fand, wurden die ehemaligen Bremer Stadtwerke Ende 2009 zu einer hundertprozentigen Tochter der EWE. Lediglich eine einzige Aktie verblieb - quasi symbolisch - bei der Stadt Bremen (091008).