Mai 2014

140502

ENERGIE-CHRONIK


 


Unter dem Motto "Energiewende nicht kentern lassen" demonstrierten am 10. Mai im Berliner Regierungsviertel mehr als 10.000 Menschen gegen die geplanten Abstriche am Erneuerbare-Energien-Gesetz. Auf der Spree paradierten dazu mehr als 120 bunt geschmückte Boote und Flöße. Aufgerufen hatten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Campact und die Naturfreunde.

Für Großstromverbraucher sinkt die EEG-Umlage auf bis zu 0,1 Cent

Das Bundeskabinett beschloß am 7. Mai einen weiteren Gesetzentwurf zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Er betrifft die "Besondere Ausgleichsregelung", die industrielle Großstromverbraucher wiederum weitgehend von der Zahlung der EEG-Umlage befreit. Die einschlägigen §§ 60 - 65 sind im ersten Gesetzentwurf nur rudimentär enthalten, weil die EU-Kommission die entsprechenden Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien erst am 9. April beschlossen hat. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben wird nun der erste Gesetzentwurf ergänzt und geändert. Die Entlastung der Großstromverbraucher wird dabei völlig neu strukturiert, dürfte aber im Endergebnis wiederum zu einer zusätzlichen Belastung der Normalverbraucher in der Größenordnung von fünf Milliarden Euro führen, wie sie für das laufende Jahr erwartet wird (140204). Von einer Kostendämpfung spricht selbst die Bundesregierung nur perspektivisch: Sie argumentiert, daß die Neuregelung auf Dauer geringere Mehrkosten verursachen werde als die bisher geltenden Bestimmungen.

Ab 1 GWh Jahresverbrauch sind nur noch 15 Prozent des Normalsatzes fällig


Das EEG ist bisher mit jeder "Reform" umfangreicher und unübersichtlicher geworden. Das neue EEG macht da keine Ausnahme (wobei diese Grafik nur den vorläufigen Umfang aufgrund des bisher vorliegenden Gesetzentwurfs darstellt). Entsprechend größer werden Bürokratie und Arbeitsaufwand: Allein zur Durchführung der "Besonderen Ausgleichsregelung" , wie sie das neue EEG vorsieht, sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und beim Bundeswirtschaftsministerium insgesamt 114 Planstellen des gehobenen und höheren Dienstes erforderlich.

Nach § 41 der seit 2012 geltenden EEG-Fassung müssen Großstromverbraucher den Normalsatz der EEG-Umlage nur bis zu einem Jahresverbrauch von 1 Gigawattstunde (GWh) entrichten. Für den Mehrverbrauch sinkt die EEG-Umlage stufenweise bis auf unter ein Prozent des Normalsatzes: Zwischen 1 und 10 GWh beträgt die Belastung nur noch zehn Prozent des Normalsatzes, ab 10 GWh sinkt sie auf ein Prozent und jenseits von 100 GWh wird sie bei 0,05 Cent pro Kilowattstunde eingefroren.

Nach § 61 des neuen EEG ist bis zu einem Jahresverbrauch von einer Gigawattstunde ebenfalls der Normalsatz fällig. Das heißt, daß beim momentan gültigen Satz von 6,24 Cent pro Kilowattstunde ein Sockelbetrag von 62.400 Euro ohne Abstriche zu zahlen wäre. Für den darüber hinausgehenden Verbrauch wird die EEG-Umlage grundsätzlich auf 15 Prozent ermäßigt, was im laufenden Jahr einer Höhe von 0,94 Cent entspräche. Die so entstehenden Kosten dürfen aber nicht mehr als 4 Prozent der Bruttowertschöpfung betragen. Falls die Stromkostenintensität des Unternehmens mehr als 20 Prozent beträgt, sinken sie auf 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung. Die auf 15 Prozent reduzierte EEG-Umlage kann sich so weiter stark ermäßigen. Das Gesetz schreibt deshalb eine Untergrenze vor: Im Endergebnis darf sie nicht geringer als 0,1 Cent pro Kilowattstunde sein. Das entspräche momentan 16 Promille des Normalsatzes.

Jedes Unternehmen muß einer Liste von 219 Branchen zugeordnet werden können

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der "Besonderen Ausgleichsregelung" ist in jedem Fall, daß das Unternehmen einem Produktionsbereich nach Anlage 4 des Gesetzes zuzuordnen ist. Diese Anlage enthält insgesamt 219 Branchen, die in zwei Listen unterteilt sind. Bei Unternehmen der Liste 1 muß die Stromkostenintensität 16 bzw. 17 Prozent betragen (für 2015 bzw. ab 2016). Bei Unternehmen der Liste 2 müssen es mindestens 20 Prozent sein.

Unbefristete Härtefallregelung für bisher Anspruchsberechtigte

Wegen der veränderten Kriterien kann es sein, daß etliche Unternehmen, die bisher in den Genuß der Besonderen Ausgleichsregelung kamen, künftig nicht mehr antragsberechtigt sein werden, weil sie keiner Branche nach Anlage 4 zuzuordnen sind oder ihre Stromkostenintensität unterhalb der vorgeschriebenen Schwelle liegt. Für solche Fälle gibt es in § 99 eine Härtefallregelung: Sie zahlen ab 2015 wie bisher für die erste Gigawattstunde die volle EEG-Umlage und für den Mehrverbrauch - im Unterschied zur bisher abgestuften Regelung – einheitlich 20 Prozent des Normalsatzes. Diese Regelung ist nicht befristet. Sie gilt aber nur für solche Unternehmen, die 2014 die Besondere Ausgleichsregelung nach dem alten EEG in Anspruch nehmen konnten.

Bei Schienenbahnen sinkt die Verbrauchsschwelle, während die EEG-Umlage steigt

Der § 62 senkt für Schienenbahnen die Schwelle für die Inanspruchnahme der Besonderen Ausgleichsregelung, die bisher 10 GWh beträgt, auf 2 GWh. Dadurch werden mehr Schienenbahnen entlastet. Die bisherige Regelung hat zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen großen und kleinen Schienenbahnen geführt. Zugleich wird aber die EEG-Umlage, die bisher 0,05 Cent/kWh beträgt, auf 20 Prozent des Normalsatzes erhöht.

Bundesrat verlangt Fristverlängerung für Windkraftanlagen

Die beiden Gesetzentwürfe zum neuen EEG wurden am 8. und 23. April vom Bundestag in erster Lesung beraten. Am 23. Mai befaßte sich der Bundesrat damit. Unter anderem möchten die Bundesländer die in § 96 enthaltene Bestimmung ändern, wonach die abgesenkten Sätze des neuen EEG für alle Windkraftanlagen gelten, die bis zum 22. Januar 2014 noch nicht immissionsschutzrechtlich genehmigt sind. Dies sei mit dem Vertrauensschutz für Investoren nicht zu vereinbaren. In besonderem Maße betroffen seien Bürgerwindparks, für die es bereits konkrete Planungen gibt. Die genannte Frist müsse deshalb bis zum Ende des Jahres 2014 verlängert werden. Ferner wünschen die Bundesländer eine Erhöhung der in § 58 vorgesehene EEG-Ermäßigung für Eigenstromerzeuger, die nicht dem produzierenden Gewerbe zuzurechnen sind, von 50 auf 85 Prozent. Die Erhöhung der EEG-Umlage für Schienenbahnen wird kritisiert, weil die daraus resultierenden Fahrpreiserhöhungen zu Lasten der Verbraucher gehen und ausgerechnet das Angebot des umweltfreundlichsten Verkehrsträgers in Mitleidenschaft ziehen würden. Das Gesetz bedarf aber nicht der Zustimmung der Ländervertretung. Am 26. Juni soll es in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag verabschiedet werden.

Geplantes Holzheizkraftwerk würde "komplett unwirtschaftlich"

Die Kölner Rheinenergie, die seit zweieinhalb Jahren ein Holzheizkraftwerk mit einer Wärmeleistung von 5,2 MW (1,9 MW elektrisch) plant und dabei von der bisherigen Gesetzeslage ausging, will dieses Projekt stoppen, falls es bei den vorgesehenen Änderungen für Biomasse bleibt oder nicht gelingt, die Genehmigung noch nach dem alten EEG vornehmen zu lassen. Wie sie am 8. Mai mitteilte, würde das 15 Millionen Euro teure Projekt, für das bereits Aufträge vergeben wurden, aufgrund der neuen Gesetzeslage "komplett unwirtschaftlich". Durch die Streichung der Zusatzvergütung, die bisher das EEG in § 27 Abs. 2 für die Verwendung von Landschaftspflege- und Waldrestholz gewährt, werde die EEG-Vergütung "in erheblichem zweistelligem Umfang reduziert".

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