Februar 2014 |
140202 |
ENERGIE-CHRONIK |
Negative Preise sind im vortägigen Handel am Spotmarkt seit dem 4. September 2008 zulässig. Wegen der gleichzeitig begonnenen Pflicht-Verramschung des EEG-Stroms über die Börse führte dies 2009 zu der absurden Situation, daß die Übertragungsnetzbetreiber den Strom nicht nur verschenken, sondern ihm noch bis zu 500 Euro pro Megawattstunde hinterherwerfen mußten, um ihn überhaupt loszuwerden (091201, 100101). In den beiden folgenden Jahren traten Negativpreise vergleichsweise selten auf. Die Entwicklung in den Jahren 2012 und 2013 (130801) zeigt aber, daß es sich nicht nur um ein vorübergehendes Problem handelt. Davon geht jedenfalls die IZES-Studie aus, der die Zahlen zu dieser Grafik entnommen sind. Im Unterschied zu den Übertragungsnetzbetreibern sind die "Direktvermarkter" zwar nicht zur bedingungslosen Verschleuderung des erzeugten EEG-Stroms verpflichtet. Bei Unterschreitung eines bestimmten negativen Preisniveaus würde es aber für sie vorteilhafter sein, ihre Anlagen abzuschalten, anstatt den Ausgleich durch die "Marktprämie" in Anspruch zu nehmen. Damit würde faktisch der Einspeisevorrang für EEG-Strom wieder beseitigt. Den Nutzen davon hätten Kohle- und Atomkraftwerke. |
Die Umweltorganisation Greenpeace warnte am 15. Februar vor einem zentralen Bestandteil der geplanten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes: Die vorgesehene Verpflichtung zur "Direktvermarktung" des EEG-Stroms (131102) beseitige den bisherigen Einspeisevorrang für Strom aus erneuerbaren Energien. Sie bewirke nämlich, daß bei einem Überangebot an Strom und dem dadurch bewirkten Absinken der Börsenpreise in den Negativbereich zuerst die leicht regelbaren Solar- und Windkraftanlagen abgeschaltet werden, während Kohle- und Kernkraftwerke weiter laufen. Ferner drohe ein neues Oligopol am Energiemarkt, indem die Direktvermarktung zur Domäne einer Handvoll großer Unternehmen wird, die sich auf diese Dienstleistung spezialisiert haben. Damit werde kleineren Erzeugern wie Genossenschaften, Stadtwerken oder privaten Haushalten der Markteintritt erschwert. Greenpeace beruft sich bei diesen Befürchtungen auf eine Studie, die in seinem Auftrag vom Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) in Saarbrücken erstellt wurde.
Die IZES-Studie argumentiert, daß es für die Betreiber von Windkraft- und Solaranlagen bei negativen Preisen im vortägigen Börsenhandel betriebswirtschaftlich sinnvoll würde, die Anlagen einfach abzuschalten, um sonst entstehende Verluste zu vermeiden. Damit werde aber der Einspeisevorrang für EEG-Strom unterminiert. Den Vorteil davon hätten die Betreiber konventioneller Kraftwerke. Generell sei zweifelhaft, ob die fluktuierenden erneuerbaren Energien (FEE) in einem grenzkostenbasierten Markt wettbewerbsfähig werden könnten. Auf dem heutigen "Energy-only-Markt", der ausschließlich die erzeugten Strommengen vergütet, würden sie systematisch benachteiligt. Die von der EEG-Reform beabsichtigte größere Flexibilität der FEE-Anlagen drohe die dringend notwendige Flexibilisierung des konventionellen Kraftwerksparks zu verlangsamen.
Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt an der geplanten EEG-Reform ist, daß sie ein Direktvermarkter-Oligopol begünstige, wie es sich schon jetzt als Folge des Marktprämienmodells abzeichnet. Für kleine Anlagenbetreiber lohne sich der Aufwand der Direktvermarktung kaum. Deshalb hätten sich spezialisierte Dienstleister herausgebildet, die davon profitieren, daß der mit der "Managementprämie" entgoltene Aufwand umso geringer wird, je größer die Zahl der vermarkteten Anlagen ist. Auch etablierte Energieversorger hätten sich dieses Geschäftsfeld erschlossen, indem sie über ihre ohnehin bestehenden Handelsabteilungen nicht nur ihre eigenen Anlagen vermarkten, sondern diese Dienstleistung auch für kleinere unabhängige Betreiber anbieten. Das habe schon im Januar 2013 dazu geführt, daß 50 Prozent des Strom aus landgestützten Windkraftanlagen von nur drei einschlägig spezialisierten Anbietern vermarktet wurden und daß die fünf größten Direktvermarkter einen Marktanteil von 64 Prozent hatten. Damit seien bereits heute die Kriterien erfüllt, die nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen eine unzulässige Marktmacht vermuten lassen.
Bisher haben alle Erzeuger von EEG-Strom die Wahl zwischen der herkömmlichen Einspeisevergütung und der "Direktvermarktung". Letztere kann nach § 33 b EEG in dreierlei Form erfolgen: Durch Inanspruchnahme der "Marktprämie", durch Nutzung des "Grünstromprivilegs" oder durch den Verkauf des Stroms auf eigene Rechnung. Derzeit werden noch ungefähr 36 Prozent des EEG-Stroms über die fixe Einspeisevergütung gefördert. Den weitaus größeren Anteil hat mit ungefähr 60 Prozent das Subventionsmodell "Marktprämie" errungen, das sich überaus rasch durchsetzen konnte, nachdem es 2012 eingeführt wurde (130201). Auf das Subventionsmodell "Grünstrom" entfallen dagegen nur 2 Prozent. Die nichtsubventionierte "sonstige Direktvermarktung" spielt mit 0,2 Prozent so gut wie keine Rolle. Die restlichen knapp 2 Prozent des erzeugten EEG-Stroms sind Photovoltaik-Eigenverbrauch. (131006)
Die Marktprämie wird wie die Einspeisevergütung aus der EEG-Umlage gezahlt. Sie gleicht die Differenz aus, die beim Verkauf des Stroms an der Börse zwischen dem Erlös und der Einspeisevergütung entsteht, die andernfalls hätte beansprucht werden können. Allerdings bemißt sich diese Differenz nicht nach dem individuell erzielten Verkaufspreis, sondern nach dem durchschnittlichen Vermarktungserlös, der in einem Monat für alle Einspeisungen eines bestimmten Energieträgers - zum Beispiel Windkraftanlagen – erzielt wurde. Wenn der Direktvermarkter einen über dem Monatsdurchschnitt liegenden Verkaufserlös erzielt, kann er somit einen über der Einspeisevergütung liegenden Gesamterlös erzielen. Hinzu kommt bisher noch eine "Managementprämie", die den Erlös weiter erhöht, wenn die tatsächlichen Transaktionskosten der Direktvermarktung geringer sind, und die ebenfalls aus der EEG-Umlage finanziert wird (120811). Diesem kumulierten Gewinnanreiz steht insofern ein gewisses Risiko gegenüber, als der Gesamterlös auch unter der regulären Einspeisungsvergütung liegen kann. Insgesamt ist die Marktprämie aber für die meisten Erzeuger attraktiver als die Einspeisevergütung, obwohl sie die Direktvermarktung in der Regel nicht selber besorgen, sondern einem dafür bezahlten Dienstleister übertragen. Das zeigt der Erfolg, den dieses Subventionsmodell in kurzer Zeit hatte. Außerdem kann der Erzeuger monatlich wechseln und zur fixen Einspeisevergütung zurückkehren, wenn ihm die Direktvermarktung nicht lohnend erscheint.
Die geplante EEG-Reform, wie sie auch von der Bundesnetzagentur (131007) und vom Verband der Energiewirtschaft (130905) unterstützt wird, will die bisherige Wahlmöglichkeit zwischen Marktprämie und Festvergütung beseitigen. Stattdessen wird die Direktvermarktung für alle Erzeuger von EEG-Strom zur Pflicht. Ferner wird die "gleitende Marktprämie" nur noch als schrittweise sinkender Festbetrag gewährt und auf den Absatz einer bestimmten Strommenge begrenzt (131102). Zugleich müssen alle neuen EEG-Anlagen sowohl vom Betreiber als auch vom Direktvermarkter ferngesteuert werden können. Durch dieses Instrumentarium will man erreichen, daß die EEG-Einspeisung, die bisher unabhängig von der Nachfrage vergütet wird, künftig unter Berücksichtigung des tatsächlichen Strombedarfs bzw. der daraus resultierenden Marktpreise erfolgt. – Wie die IZES-Studie zu bedenken gibt, könnten damit aber auch durchaus negative Folgen verbunden sein, die den Ausbau der erneuerbaren Energien zugunsten von Kohle- und Atomstrom bremsen.