Dezember 2013 |
131202 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die EU-Kommission beanstandet die weitgehende Befreiung von der EEG-Umlage, die stromintensiven Betrieben seit Anfang 2012 durch die "besondere Ausgleichsregelung" in den §§ 40 - 44 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gewährt wird. Am 18. Dezember eröffnete sie deshalb ein entsprechendes Beihilfeverfahren. Anscheinend will sie den immer größer gewordenen Kreis von "privilegierten Letztverbrauchern" zumindest auf solche Unternehmen beschränkt sehen, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen. Formal wird das Verfahren "ergebnisoffen geführt".
EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia begründete die Einleitung des Verfahrens mit "zahlreichen Beschwerden von Verbrauchern und Wettbewerbern". Infolge verschiedener Änderungen im seit 2012 geltenden EEG stelle der damit verbundene Förderungsmechanismus eine staatliche Beihilfe im Sinne der EU-Vorschriften dar. Das Gesetz schreibe in der neuen Fassung eine Umlage auf den Stromverbrauch vor. Die frühere, seit 1998 geltende Regelung habe dagegen auf eine Abnahmeverpflichtung beruht und sei vom Europäischen Gerichtshof nicht als staatliche Beihilfe eingestuft worden (010302, 020511).
Die Mitteilung der EU-Kommission klingt an dieser Stelle etwas konfus, weil die Abnahmeverpflichtung bereits 1991 mit dem Stromeinspeisungsgesetz eingeführt wurde. Sie wurde auch schon 2009 faktisch beseitigt und 2010 durch die neue "Ausgleichsmechanismusverordnung" ersetzt. Bei den entsprechenden Änderungen im seit 2012 geltenden EEG handelte es sich lediglich um eine nachholende Novellierung (120701). Bemerkenswert ist aber, daß die Kommission der Beseitigung der Absatzgarantie für EEG-Strom, die damals als nebensächliche Modifizierung des EEG-Abrechnungsverfahrens dargestellt wurde, eine derart gravierende Bedeutung beimißt (091201).
Trotz des nunmehr eingeleiteten Beihilfeverfahrens wird die Begünstigung der Industrie zu Lasten der Kleinverbraucher im kommenden Jahr noch größere Ausmaße annehmen. Die Kommission hatte nämlich die Eröffnung des Verfahrens auf Wunsch der Bundesregierung solange hinausgeschoben, bis der Bundestagswahlkampf vorbei war und die Genehmigungsbescheide für 2014 ihre Empfänger erreicht hatten. Das für die Durchführung der "besonderen Ausgleichsregelung" zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (Bafa) verschickt diese Bescheide üblicherweise erst nach Weihnachten. Nun gingen sie bereits Anfang Dezember raus. Fraglich ist auch, ob die Kommission nach Abschluß des Verfahrens auf der Rückzahlung jener EEG-Entlastungen bestehen wird, die nach ihrer Ansicht eine verbotene Beihilfe darstellten.
Die neue Bundesregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung bereits eine "Konzentration der Besonderen Ausgleichsregelung auf stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb" angekündigt. Damit soll die Privilegierung von Großstromverbrauchern "europarechtlich abgesichert" werden. Ferner will sie ohnehin das "Grünstromprivileg" in § 39 EEG streichen, das die Kommission ebenfalls beanstandet, weil es "eine Diskriminierung zwischen inländischem und importiertem erneuerbarem Strom aus vergleichbaren Anlagen" darstellen könnte. (131101)
Ein weiteres Beihilfe-Verfahren hatte die Kommission am 6. März 2013 wegen der völligen Befreiung der Großstromverbraucher von den Netzentgelten eingeleitet, die im Juli 2011 unter ziemlich mysteriösen Umständen zustande gekommen war (111109). Dieses Verfahren wurde bisher offiziell noch nicht eingestellt. Am 1. August 2013 begrüßte die Kommission jedoch die damals vorgenommene Änderung in § 19 Abs. 2 der Stromnetzentgeltverordnung, mit der die Totalbefreiung durch eine minimale Beteiligung an den Netzentgelten ersetzt wurde (130714). Die Neufassung des Paragraphen war notwendig geworden, weil der Totalbefreiung die Rechtsgrundlage fehlte und das Oberlandesgericht Düsseldorf die entsprechenden Ausführungsbestimmungen der Bundesnetzagentur für nichtig erklärt hatte (130303). Auch in seiner neuen Fassung begünstigt der Paragraph große Stromverbraucher viel stärker als früher. Das so entstehende Defizit geht in den Normalsatz der Netzentgelte ein und wird auf die Kleinverbraucher umgelegt (120404).