Februar 2014

140215

ENERGIE-CHRONIK


Umsturz in der Ukraine fegt Janukowitsch hinweg

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch ist am 21. Februar aus seiner Residenz geflüchtet und wurde am folgenden Tag vom Parlament für abgesetzt erklärt. Die neue ukrainische Führung hat gegen ihn einen Haftbefehl wegen Mordverdachts erlassen, weil er versucht hat, die seit Ende 2013 andauernden Massenproteste (131210) durch den Einsatz von Polizei und Heckenschützen blutig zu unterdrücken. Dabei kamen über 80 Menschen ums Leben. Ende Februar ließ der Kreml wissen, daß Janukowitsch nach Rußland geflohen sei und dort unter dem Schutz der Behörden stehe.

Offenbar konnte sich Janukowitsch nicht mehr auf die Loyalität von Polizei und Militär verlassen, nachdem es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen gekommen war. Sogar die meisten Gefolgsleute distanzierten sich von dem geflüchteten Machthaber, wie das Umschwenken der Parlamentsmehrheit zeigt, die seinem autoritär-korrupten Regime bisher applaudiert hatte. Die Absetzung Janukowitschs durch das Parlament war freilich nur ein formaler Akt, der vollendete Tatsachen nachvollzog. Treibende Kraft des Umsturzes waren radikale Oppositionsgruppen, die alle Kompromisse mit dem Regime abgelehnt und schließlich sogar den Sturm auf Regierungsgebäude angekündigt hatten. Die Oligarchen und andere "Eliten" des Landes ließen daraufhin Janukowitsch fallen, um ihre eigenen Pfründen zu retten.

Neue Situation ändert nichts an der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen

Der Sturz des verhaßten Machthabers schafft eine neue Situation, löst aber keineswegs die Probleme der Ukraine. Im Innern leidet die ehemalige Sowjetrepublik unter Vetternwirtschaft, Korruption und sonstigem Filz, da sich Angehörige der alten Nomenklatura und neureiche Emporkömmlinge zur Ausplünderung der Bevölkerung verbündet haben. Hinzu kommt die Zerrissenheit zwischen dem europäisch orientierten Westteil des Landes und der eher russophilen Bevölkerung im Osten und auf der Krim. Nach außen macht der Ukraine die fortdauernde Abhängigkeit von Rußland zu schaffen, die in der Energieversorgung besonders ausgeprägt ist. Die vom Kreml gesteuerte Gazprom hat diese Abhängigkeit mehrfach zu Erpressungsmanövern benutzt, um den Gaspreis in die Höhe zu treiben (051204, 060101, 071210, 090101). Auch dem Janukowitsch-Regime wurden nur dann Nachlässe gewährt, wenn es politische Forderungen erfüllte (100402). Zuletzt nötigte der Kreml auf diese Weise Janukowitsch, ein Assoziierungsabkommen mit der EU kurz vor der Unterzeichnung abzusagen. Als Gegenleistung versprach er, der Ukraine den Gaspreis zu ermäßigen und eine Finanzhilfe von 15 Milliarden Dollar zu gewähren. Diese erzwungene Absage an die EU und die Wiederankettung an Rußland waren der Auslöser für die Unruhen, die jetzt zum Sturz von Janukowitsch führten (131210).

Westliche Finanzhilfe würde wahrscheinlich wieder die Bevölkerung treffen

Nach dem Abtritt des Kreml-Günstlings Janukowitsch ist mit der russischen Finanzhilfe und der Reduzierung des Gaspreises nicht mehr zu rechnen. Damit sind die EU und andere westliche Staaten gefordert, dem vor dem Staatsbankrott stehenden Land unter die Arme zu greifen. Allerdings wird sich die Ukraine bei Fortdauer der bisherigen Verhältnisse als Faß ohne Boden erweisen. Die EU verfügt in dieser Hinsicht bereits über einschlägige Erfahrungen mit ehemaligen Ostblock-Staaten wie Bulgarien und Rumänien, in denen Gelder der Gemeinschaft in den Taschen einer korrupt-kriminellen Führungsschicht versickern, ohne daß es gelungen wäre, diese allseits bekannten Mißstände zu beseitigen. Auch im Falle der Ukraine dürften die von westlichen Geldgebern geforderten Vor- und Sicherheitsleistungen eher zu Lasten der Bevölkerung gehen, als daß sie die bestehende Kleptokratie eindämmen. Zum Beispiel will man der ukrainischen Bevölkerung eine Erhöhung der Gaspreise abverlangen, die in Anbetracht der allgemeinen Einkommens- und Lebensverhältnisse eine überaus starke Belastung bedeuten würde.

Julia Timoschenko hat stark an Strahlkraft verloren

Die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die Janukowitsch nach seinem Machtantritt zu sieben Jahren Haft verurteilen ließ (111017), kam sofort nach dem Umsturz frei. Bei ihrem Auftritt auf dem "Platz der Unabhängigkeit" im Zentrum von Kiew wurde ihr von den dort versammelten Menschen aber nur vergleichsweise verhalten applaudiert. Die einstige Ikone der "orangenen Revolution" von 2004 hatte bereits als Regierungschefin stark an Strahlkraft verloren. Ähnlich verhielt es sich mit dem seinerzeitigen Präsidenten Viktor Juschtschenko, mit dem sie im Dauerstreit lag (080215). Am Ende waren die Wähler von beiden so stark enttäuscht, daß es dem zuvor gestürzten Machthaber Janukowitsch mit russischer Hilfe gelingen konnte, sich und seine Gefolgsleute über die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wieder in den Sattel zu schwingen (100402).

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