Februar 2010

100201

ENERGIE-CHRONIK


Bundesnetzagentur will finanzielle Risiken des EEG-Ausgleichs begrenzen und verteidigt Negativpreise für Windstrom

Die Bundesnetzagentur hat am 22. Februar eine Durchführungsverordnung zur Neuregelung des EEG-Ausgleichsverfahren erlassen, die am 26. Februar im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde und am folgenden Tag in Kraft trat. Sie will damit zugleich die finanziellen Risiken begrenzen, die sich aus der seit Jahresbeginn geltenden Neuregelung des EEG-Ausgleichsverfahrens für die Stromverbraucher ergeben (091201). Die entsprechenden Kautelen in § 8 gelten aber nur bis Jahresende. Außerdem handelt es sich lediglich um eine Art Notbremse, damit die "Negativpreise" beim Verkauf von Windstrom an der Börse nicht allzu tief in den Keller stürzen und erst bei minus 3000 Euro durch die technische Grenze des Systems gestoppt werden.

Zugleich verteidigte die Behörde die Neuregelung, mit der sie zwar den Wünschen der Stromwirtschaft entspricht, die aber zu Lasten der Verbraucher geht und damit die EEG-Förderung in Mißkredit zu bringen droht. Zusammen mit der neuen Durchführungsverordnung veröffentlichte sie gleich mehrere Papiere, in denen sie die Neufassung des EEG-Ausgleichs samt der "Negativpreise" für Windstrom als sinnvoll und notwendig darstellt (siehe externe Links). Offenbar vertraut sie darauf, daß sich katastrophale Negativpreise wie am zweiten Weihnachtsfeiertag (100101) nicht wiederholen und die jetzt verfügten Preislimits bis Jahresende entfallen können.

Erst bei "erheblich negativen Preisen" braucht nicht mehr angeboten zu werden

Infolge der Neuregelung des EEG-Ausgleichs sind die Übertragungsnetzbetreiber seit Jahresbeginn verpflichtet, die vorhersehbare Einspeisung an EEG-Strom, wie sie sich am Vortag aufgrund der bis dahin vorliegenden (Wind-)Prognosen darstellt, komplett an der Börse anzubieten. Theoretisch könnte dies dazu führen, daß sie den Strom nicht nur gratis abgeben, sondern dem Abnehmer auch noch bis zu 3000 Euro pro Megawattstunde schenken müßten. Tatsächlich erreicht wurden schon minus 500 Euro (091201). Die "Übergangsregelung" in § 8 der Durchführungsverordnung räumt deshalb den Übertragungsnetzbetreibern die Möglichkeit ein, im Falle von "erheblich negativen Preisen" den Bonus für die Abnahme des verschenkten Stroms zu begrenzen und auf dieser Preisbasis nach anderen Möglichkeiten zur Bereitstellung der benötigten Regelenergie zu suchen. Solche "erheblich negativen Preise" sieht die Verordnung dann gegeben, wenn die EEG-Einspeisung mehr als 60 Prozent der gesamten in Deutschland installierten Leistung dieser Anlagen beträgt und gleichzeitig davon ausgegangen werden muß, "daß die Last in diesen Stunden unter 60 Prozent der bundesweiten zeitgleichen Jahreshöchstlast des Jahres 2009 liegen wird". Ferner wird eine solche Ausnahmesituation dann angenommen, wenn die Börse von sich aus eine zweite Auktion durchführt, was derzeit nach dem Börsen-Reglement ab minus 150 Euro möglich ist.

Es obliegt den Übertragungsnetzbetreibern, das Preislimit festzulegen. Sie haben aber der Bundesnetzagentur die Höhe des ersten Preislimits mitzuteilen, sowie den vorgesehenen Rahmen für folgende Preislimits und die Mechanismen, mit denen dieser Rahmen ausgefüllt werden soll. Die wechselnden Preislimits, der Rahmen und die Mechanismen sind "vertraulich zu behandeln".

EEG-Reserve noch bis Jahresende

Vorsorglich wird außerdem in § 1 Abs. 4 der Durchführungsverordnung den Übertragungsnetzbetreibern die weitere Vorhaltung der sogenannten EEG-Reserve gestattet. Es handelt sich dabei um eine zusätzliche Leistungsreserve zur "Abdeckung von Zeiten unzureichender Liquidität des untertägigen Spotmarktes", d.h. um Regelenergie zum kurzfristigen Ausgleich von Schwankungen zwischen Windstromangebot und Nachfrage, die bei der Prognose und dem darauf basierenden Handel am Vortag nicht ausgeglichen werden konnten und auch im sogenannten Intraday-Handel an der Börse nicht zu beschaffen sind. Auch diese Regelung gilt nur bis Jahresende.

Behörde räumt Möglichkeit einer "erheblichen Belastung" der Endkunden ein

In einem "Hintergrund"-Papier zu der neuen Verordnung spricht die Bundesnetzagentur einleitend davon, daß es in den vergangenen Monaten an der Strombörse "in einigen Fällen zu negativen Strompreisen" gekommen sei. Das ist zwar nicht falsch, aber doch sehr verharmlosend formuliert: Tatsächlich dürfte es bisher schon an mehr als 130 Tagen zu Negativpreisen gekommen sein, ganz abgesehen von den vielen Stunden und Tagen, an denen Windstrom für ein paar Euro oberhalb der Null-Grenze verramscht wurde.

Die Behörde will nicht bestreiten, daß sich das wiederholen könnte: "Bei einer sehr hohen Windstromeinspeisung und damit eines tendenziell hohen Stromangebots und einer gleichzeitig geringen Last konnte es zukünftig zu deutlich negativen Strompreisen kommen." Sie hält es auch für möglich, daß dies für den Endverbraucher zu unerträglichen Belastungen führen kann: "Sollten die negativen Börsenspreise vermehrt auftreten oder jeweils in extrem negativen Bereichen liegen, könnte dies zu einer erheblichen Belastung der zukünftigen EEG-Umlagezahlungen und damit der Endkunden führen."

Mit Aufgeld verschenkter Strom soll "Signal" für Marktakteure setzen

Dennoch hält die Bundesnetzagentur das neue EEG-Ausgleichsverfahren samt den Negativpreisen an der Börse für notwendig und gerechtfertigt. Die negativen Börsenpreise würden "durch eine noch zögerliche Anpassung der konventionellen Erzeugung hervorgerufen", heißt es in dem Papier. Hinzu komme, daß "zurzeit nur eingeschränkten Speichermöglichkeiten für Strom vorhanden sind". Das werde sich aber ändern, wenn erst die gewünschte "Signalwirkung" eingetreten sei:

"Die erhöhte Volatilität der Börsenpreise wird Auswirkungen auf das Verhalten der Marktteilnehmer und weitere Bereiche der Energiewirtschaft haben. Insgesamt werden die Marktakteure ihr Verhalten an volatileren und auch zeitweise negativen Strompreisen orientieren. (...) Von den negativen Börsenpreisen geht daher ein wichtiges und richtiges Signal für die notwendige Weiterentwicklung der Energiewirtschaft aus. Die dadurch gewünschten kurz- und langfristigen Verhaltensänderungen sollten in der Regel dazu führen, daß die negativen Preise sowohl in ihrer extremen Ausprägung als auch in ihrer Häufigkeit seltener auftreten."

Anders gesagt: Die Bundesnetzagentur will mit Brachialgewalt die notwendigen finanziellen Anreize setzen, damit die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage an der Börse behoben wird. Daß diese Brachialgewalt beim Verbraucher ein dickes blaues Auge hinterlassen wird, nimmt sie gewissermaßen als Kollateralschaden in Kauf.

Alllzu tief will man den Börsenpreis für Windstrom nun aber doch nicht abstürzen lassen. "Ab einem gewissen negativen Börsenpreis gibt es Anzeichen, daß es keine weiteren Anreize zur Verhaltensänderung gibt", schreibt die Bundesnetzagentur in ihrem "Hintergrund"-Papier und fügt zweideutig hinzu: "Ab diesem Zeitpunkt überwiegen die unerwünschten Auswirkungen, die zu einer Erhöhung zukünftiger EEG-Umlagen führen können." Zweideutig ist dieser Satz deshalb, weil er entgegen dem oberflächlichen Anschein die "Erhöhung zukünftiger EEG-Umlagen" nicht zwingend für eine "unerwünschte Auswirkung" hält. Tatsächlich ist die Erhöhung der EEG-Umlagen bei jeder Art von Negativpreisen eine notwendige Folge. Dasselbe gilt für die Verramschung von Windstrom zu Niedrigpreisen im positiven Bereich.

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