Januar 2013

130108

ENERGIE-CHRONIK


 

 

In Kürze wird das E.ON-Logo vom Dach der Hauptverwaltung in Erfurt verschwinden. Das kommunalisierte Unternehmen heißt dann nur noch "Thüringer Energie AG".

Pressefoto E.ON Thüringer Energie AG

Kommunen übernehmen E.ON Thüringer Energie AG

Die mehrheitliche Übernahme der E.ON Thüringer Energie AG durch die Kommunen des ostdeutschen Bundeslandes scheint gesichert. Wie der E.ON-Konzern am 2. Januar mitteilte, wird er dem neu gegründeten Kommunalen Energiezweckverband Thüringen (KET) ein Aktienpaket von 43 Prozent überlassen. Die verbleibenden zehn Prozent seiner bisherigen Mehrheitsbeteiligung von 53 Prozent will er ebenfalls "kurzfristig veräußern". Der mit KET vereinbarte Kaufpreis beträgt rund 900 Millionen Euro. Darin inbegriffen sind 400 Millionen Euro für Darlehen, die E.ON dem Tochterunternehmen gewährt hat. Die Transaktion bedarf noch der Genehmigung durch die Thüringer Landesregierung.

Über den Verkauf der restlichen zehn Prozent der bisherigen Mehrheitsbeteiligung verhandelt E.ON mit dem Kommunalkonzern Thüga. Außerdem interessiert sich die Thüga für die 8,2-Prozent-Beteiligung der Stadt Suhl, die den Verkauf dieses Aktienpakets beschlossen hat. Möglicherweise gibt die Thüga aber noch drei Prozent an KET ab.

Nicht alle Kommunen sind zur Übertragung ihrer KEBT-Aktien auf den neuen Zweckverband KET bereit


Den Anti-Korruptionsbeauftragten Wickler erstaunt, daß die nicht an der Börse gehandelte Aktie der E.ON Thüringer Energie AG im aktuellen Wertgutachten um ein Drittel höher als 2008 bewertet wird, obwohl sich die Börsennotierung der Konzernmutter im selben Zeitraum halbiert hat.

Der Thüringer Regionalversorger wird demnach künftig drei großen kommunalen Anteilseignern gehören: Dem neu gegründeten Zweckverband KET, der alten Beteiligungsgesellschaft KEBT AG und der Stadtwerke-Holding Thüga. Die KEBT besaß schon bisher 36 Prozent. Sie hat auch die Verhandlungen mit E.ON geführt, bis am 3. Dezember KET als neuer Ansprech- und Vertragspartner gegründet wurde. Zugleich hat die alte Beteiligungsgesellschaft kräftig dafür geworben, daß sich möglichst alle ihrer 809 Mitglieder an dem neuen Zweckverband beteiligen. Mit dem Beitritt müssen die Kommunen ihre Aktien an der KEBT AG dem Zweckverband KET überlassen. Bis Ende Januar sind allerdings erst knapp 400 Gemeinden dem neuen Zweckverband beigetreten und haben ihm so rund 1,1 Millionen der 2,1 Millionen KEBT-Aktien eingebracht. Mindestens fünfzig Kommunen haben eine solche Übertragung definitiv abgelehnt. Offenbar befürchten sie ein erhöhtes finanzielles Risiko, wenn sie ihre KEBT-Aktien in die KET einbringen, anstatt sie weiterhin direkt zu halten. Auch gab es Kritik an dem Zweckverbandsmodell. So monierte das thüringische Wirtschaftsministerium, daß es den Kommunen keine Gelegenheit gebe, die Zinsen für die aufgenommenen Kredite steuermindernd geltend zu machen. Bemängelt wurden ferner unzureichende Information und unzumutbarer Zeitdruck (E.ON hatte das Vorkaufsrecht und die Höhe des vereinbarten Kaufpreises bis Ende 2012 befristet).

Anti-Korruptionsbeauftragter beschwert sich über Behinderung seiner Arbeit

Der Anti-Korruptionsbeauftragte des thüringischen Innenministeriums, Peter Wickler, beschwerte sich am 14. Januar in einem Schreiben an Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) darüber, daß er von der Leitung seines eigenen Hauses an der Überprüfung des Geschäfts mit E.ON gehindert worden sei. Der Beamte hatte aus der zuständigen Abteilung des Innenministeriums die Akten angefordert, diese aber auf Anweisung des Staatssekretärs Bernhard Rieder wieder zurückgeben müssen. Innenminister Jörg Geibert (CDU) verteidigte das Verhalten des Staatssekretärs damit, daß Wickler ohne Rechtsgrundlage gehandelt habe. Der Anti-Korruptionsbeauftragte dürfe nur tätig werden, wenn ihm tatsächlich Hinweise auf Unregelmäßigkeiten vorliegen. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen. Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) sprang seinem CDU-Kabinettskollegen bei, indem er alle Beteiligten aufforderte, "zu einem konstruktiven Verfahren und zur Zusammenarbeit zurückzukehren". Die Chancen der Kommunen zur Übernahme der E.ON Thüringer Energie AG dürften nicht "durch Kompetenzgerangel und persönliche Eitelkeiten gefährdet werden".

Indessen scheint sich ein Anfangsverdacht auf Unregelmäßigkeiten nicht so einfach wegwischen zu lassen. Presseberichten zufolge gibt es ein 57-seitiges Gutachten, in dem der Anti-Korruptionsbeauftragte Wickler persönliche Interessenkollisionen der Beteiligten und andere Punkte unter die Lupe nimmt. So nimmt er Anstoß daran, daß der Wirtschaftsprüfer Klemens Bellefontaine, der im Auftrag der KEBT das Zweckverbandsmodell entworfen hat, zugleich für die Thüga tätig ist, und daß der KEBT-Vorsitzende Herbert Rüben zugleich dem Thüga-Aufsichtsrat angehört. Bellefontaines Tätigkeit für die Kommunen werde "de facto von der E.ON AG bezahlt". Ferner findet Wickler es seltsam, daß der Thüga eine Dividende von 28,03 Euro pro Aktie zugesichert werde, während die Thüringer Gemeinden nur 4,25 Euro bekommen. Angesichts der Talfahrt der E.ON-Aktie sei es auch erstaunlich, daß der Wert der E.ON Thüringer Energie AG in dem aktuellen Wertgutachten mit rund 400 Euro pro Aktie veranschlagt werde, während es im Jahr 2008 nur etwa 300 Euro waren.

Seit 2005 sind Strom und Gas wieder unter einem Dach vereinigt

Die E.ON Thüringer Energie AG wird nach Abschluß der Transaktion auf die ersten drei Buchstaben verzichten und als "Thüringer Energie AG" firmieren. Sie versorgt fast alle Teile des Bundeslandes mit Strom und Gas. Sie beschäftigt knapp 1400 Mitarbeiter, die 2011 einen Umsatz von 1352 Millionen Euro erwirtschafteten. Beim Strom belief sich der Absatz auf 7983 Gigawattstunden (GWh), bei Gas auf 3770 GWh und bei Wärme auf 508 GWh. Trotz bescheidener Eigenerzeugung ist das Unternehmen auch bei Strom im wesentlichen ein Verteiler.

Historisch entstand das heutige Unternehmen aus den früheren Energiekombinaten in den DDR-Bezirken Erfurt, Gera und Suhl. Nach der "Wende" wurden diese Energiekombinate von der Treuhand in den Gasversorger GVT und drei kleinere Stromversorger aufgespalten. Bei letzteren handelte es sich um die Energieversorgung Nordthüringen AG (Enag), die Südthüringer Energieversorgung AG (Seag) und die Ostthüringer Energieversorgung (Otev). Aufgrund des Stromvertrags, den die letzte DDR-Regierung mit den westdeutschen Stromkonzernen geschlossen hatte, übernahm das damalige Bayernwerk bei diesen drei Stromversorgern zunächst die Geschäftsbesorgung und ab 1994 die Aktienmehrheit. Die thüringischen Kommunen wurden mit Minderheitsbeteiligungen abgefunden, sofern sie nicht von der neu erkämpften Möglichkeit Gebrauch machten, eigene Stadtwerke zu gründen (921201). Zeitgleich mit der Übernahme durch das Bayernwerk fusionierten die drei Unternehmen zur TEAG Thüringer Energie AG (931208). Mit der Eingliederung des Bayernwerks in den neuen E.ON-Konzern wurde die TEAG zu einer Tochter der E.ON Energie (000704). Fünf Jahre später fusionierte sie mit der Gasversorgung Thüringen GmbH (GVT) zur E.ON Thüringer Energie AG, wodurch die Geschäftsbereiche Strom und Gas wieder in einem einzigen Unternehmen zusammengeführt wurden (050802).

Wegen der starken Stellung der Kommunen, die insgesamt über 47 Prozent der Aktien verfügten, konnte E.ON über den Thüringer Regionalversorger nie so unumschränkt verfügen wie über andere Töchter. So machten die kommunalen Anteilseigner dem Hauptaktionär einen Strich durch die Rechnung, als er die TEAG mit der Tochter EAM zusammenlegen wollte (001005). Als der Konzern 2008 die Zentralisierung des Strom- und Gasvertriebs beschloß, widersetzten sie sich erneut, weshalb die E.ON Thüringer Energie AG als einziger der sieben E.ON-Regionalversorger alle Geschäftsbereiche ungeschmälert behielt (081008).

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