Januar 2012

120104

ENERGIE-CHRONIK


Kommunen wollen E.ON-Westfalen-Weser übernehmen

Die bisherigen kommunalen Minderheitsgesellschafter der E.ON Westfalen Weser AG wollen den Regionalversorger komplett übernehmen. Am 26. Januar veröffentlichten die Städte Herford und Paderborn mit E.ON Energie eine gemeinsame Pressemitteilung über die Aufnahme von Sondierungsgesprächen. Nach dem spektakulären Verkauf der Thüga an deren kommunale Beteiligungsunternehmen (090801) verhandelt der E.ON-Konzern damit erstmals auch über den Verkauf eines Regionalversorgers. Von seinen insgesamt sieben Regionaltöchtern gehört ihm nur E.ON Bayern zu hundert Prozent. Die anderen haben alle kommunale Minderheitsgesellschafter (081008).

Die E.ON Westfalen Weser AG gehört zu knapp 63 Prozent der E.ON Energie. Nächstgrößter Aktionär sind die Städte Herford und Paderborn, die über eine Beteiligungsgesellschaft 21,2 Prozent der Aktien besitzen. Die restlichen 16 Prozent gehören 35 weiteren kommunalen Gebietskörperschaften, deren Beteiligungen von 0,002 Prozent bis knapp 2 Prozent reichen.

Die E.ON Westfalen Weser AG entstand vor knapp zehn Jahren aus der Fusion der Regionalversorger EMR (gelb), Wesertal (lila) und Pesag (rosa)
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Wie in anderen Fällen haben auch hier die auslaufenden Konzessionsverträge den Anstoß zur Rekommunalisierung gegeben. Laut der gemeinsamen Pressemitteilung haben die Aktionäre schon im Herbst vorigen Jahres im Rahmen von turnusmäßigen Strategiegesprächen "künftige Handlungsoptionen" erörtert. Der Schwerpunkt lag dabei auf "Herausforderungen, die aus dem besonders intensiven Wettbewerb um Konzessionen für das Unternehmen resultieren". Durch die angestrebte Neuordnung der Eigentumsverhältnisse soll das Unternehmen "als effizienter Energiedienstleister für die gesamte Region erhalten bleiben und die Ertragskraft nachhaltig gestärkt werden". Die Gespräche befänden sich noch in einer "frühen Phase", seien aber bisher "sehr konstruktiv" verlaufen.

In einer gemeinsamen Erklärung bezeichneten die Bürgermeister der Städte Herford und Paderborn die angestrebte Rekommunalisierung des Regionalversorgers als "große Chance für die Region Ostwestfalen-Lippe und die angrenzenden Kommunen in Niedersachsen". Sie äußerten die Erwartung, "daß auch die übrigen kommunalen Anteilseigner diese Möglichkeit nutzen und weiterhin als Aktionäre eines dann kommunal gesteuerten regionalen Energieunternehmens die damit verbundenen Vorteile nutzen wollen". Zudem wolle man das Unternehmen offenhalten für weitere kommunale Aktionäre sowie für einzelne Bürger und Energiegenossenschaften, die sich als Kleinaktionäre beteiligen.

Die Vorläufer hießen EMR, Pesag und Wesertal

Die E.ON Westfalen Weser AG entstand 2003 aus der Verschmelzung der E.ON-Töchter EMR, Pesag und Wesertal (030708). Von diesen drei Vorläufern waren zwei ursprünglich rein kommunale Unternehmen: Das 1909 gegründete Elektrizitätswerk Minden-Ravensberg (EMR) gelangte erst ab 2000 sukzessive in den Besitz des E.ON-Vorläufers PreussenElektra (001210). Etwa zur selben Zeit wurde die drei Jahre jüngere Wesertal GmbH an den finnischen Fortum-Konzern verkauft (990906), der sich aber schon wenig später aus Deutschland zurückzog und sie deshalb E.ON überließ (020401). Nur die 1909 gegründete Paderborner Elektrizitäts- und Straßenbahn AG (Pesag) war von Anfang an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen, bei dem zunächst RWE und ab 1962 die PreussenElektra das Sagen hatte. Bevor die Pesag mit den beiden anderen E.ON-Töchtern fusionierte, schluckte sie noch die privatisierten Stadtwerke Paderborn (020512) .

Über die 1952 gegründete Interessen- und Arbeitsgemeinschaft "Interargem" waren EMR und Wesertal sowie die Stadtwerke Bielefeld frühzeitig mit ihrem Vorlieferanten PreussenElektra liiert, der die andere Hälfte der Anteile hielt. Die Interargem baute zunächst das Gemeinschaftskraftwerk Weser und dann - unter erneut hälftiger Beteiligung von PreussenElektra - das Kernkraftwerk Grohnde. Die drei Kommunalversorger wurden so zu Miteigentümern des Kernkraftwerks, bis E.ON mit EMR und Wesertal auch deren KKW-Beteiligungen schluckte. Die Stadtwerke Bielefeld sind dagegen bis heute an Grohnde beteiligt (030209).

Schon Mitte der sechziger Jahre erwogen die drei kommunalen "Interargem"-Partner eine noch stärkere Kooperation. Anfang der siebziger Jahre planten EMR und Wesertal sogar eine Fusion, die es ihnen erlaubt hätte, sich als großer Regionalversorger direkt hinter den Verbundunternehmen zu plazieren. Erneut tauchten solche Pläne im Sommer 1998 auf, als die Liberalisierung in Kraft getreten war. Ende 1999 wurde Wesertal jedoch von Fortum übernommen (990906). Die anderen beiden Partner der "Interargem" wurden von PreussenElektra, Fortum und RWE Energie umworben, um sie in neue Allianzen einzubringen (000111, 000408). Ende 2000 erwarb der PreussenElektra-Nachfolger E.ON Energie eine strategische Beteiligung an EMR (001210), um den Regionalversorger mit der Paderborner Pesag und den Stadtwerken Bielefeld zusammenzuführen. Der Einstieg des niederländischen Konkurrenten Essent in Bielefeld (001211) und Gütersloh (010606) durchkreuzte dieses Konzept. Infolge des Rückzugs von Fortum aus dem deutschen Markt konnte E.ON aber den Regionalversorger Wesertal erwerben (020401) und zusammen mit EMR und Pesag in einen neuen Regionalversorger mit dem Arbeitstitel "Epos" einbringen (021106), der ein paar Monate später als E.ON Westfalen-Weser AG ins Handelsregister eingetragen wurde (030708).

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