November 2011 |
111106 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das sogenannte Erkundungsbergwerk im Salzstock Gorleben gilt offiziell nicht mehr als einzig möglicher Standort eines künftigen Endlagers für hoch radioaktive Abfälle. Am 11. November einigte sich die Bundesregierung mit den 16 Bundesländern auf die Prüfung von Alternativen. Wie Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) nach dem Treffen mitteilte, soll bis zum Sommer nächsten Jahres ein entsprechendes Endlager-Suchgesetz erarbeitet werden.
"Es gibt eine weiße Landkarte", versprach Röttgen. "Es gibt kein Tabu. Es geht darum, den besten Ort für ein Endlager zu finden." Allerdings scheint er den politischen Stellenwert dieser Aussage selber nicht sehr hoch zu veranschlagen, da sein Ministerium nicht einmal eine Pressemitteilung zu dem Treffen herausgab. Die Arbeiten im "Erkundungsbergwerk" Gorleben werden auch nicht eingestellt, sondern mit einem um 26 Millionen Euro erhöhten Etat fortgeführt.
In der Haushaltsdebatte des Bundestags am 22. November sprach Röttgen von einem "neuen nationalen Konsens in Bezug auf die Endlagersuche", der auf seine Einladung hin zustande gekommen sei. Er umfasse alle Bundestagsparteien, da diese in der einen oder anderen Weise auch an den Länderregierungen beteiligt sind. Ausdrücklich lobte Röttgen den grünen Stuttgarter Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann: "Dieser Konsens wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht der Ministerpräsident von Baden-Württemberg sein Land für die Erkundung geöffnet hätte."
Für die Linke kritisierte die Abgeordnete Dorothée Menzner den Haushaltsansatz von 73 Millionen Euro zur Fortführung der Arbeiten in Gorleben. Die Mittel für die Suche nach anderen Standorten seien dagegen lediglich von bisher 1 auf 3,5 Millionen Euro erhöht worden. Damit werde man nicht weit kommen. Ihre Fraktion fordere deshalb 5 Millionen Euro für die Standortsuche und eine Reduzierung der Ausgaben in Gorleben um 48 Millionen Euro. Der im März 2010 eingesetzte Untersuchungsausschuß (100308) habe hinlänglich gezeigt, daß der Salzstock wegen möglicher Wassereinbrüche und Gasrisiken nicht als Endlager geeignet sei. Ein Weiterbau während der "ergebnisoffenen" Suche komme deshalb nicht in Frage. Für die bergtechnische Sicherung in Gorleben seien 25 Millionen Euro ausreichend.
Abgeordnete der Grünen bezweifelten ebenfalls, daß die Bundesregierung ernsthaft eine "ergebnisoffene" Suche will. Bärbel Höhn hielt Röttgen vor: "Solange Sie weiterhin soviel Geld, nämlich 73 Millionen Euro, in den Ausbau des Standortes Gorleben stecken, sind Sie an einer Suche, die sich auf ganz Deutschland erstreckt, gar nicht interessiert. Stattdessen wollen Sie den Standort Gorleben nach vorne treiben." Ihr Fraktionskollege Sven-Christian Kindler erklärte: "Gegenüber 2010 verdreifachen Sie die Mittel für den Weiterbau in Gorleben auf 73 Millionen Euro. Das ist das Gegenteil einer offenen und wissenschaftlichen Endlagersuche. Sie schaffen weiter Fakten in Gorleben, Sie treiben den Schwarzbau weiter voran, obwohl längst klar ist, daß das Endlagerprojekt in Gorleben gescheitert ist. Diese Gelder müssen zurückgeführt werden. Wir brauchen endlich einen Baustopp in Gorleben."
Für die Unionsparteien verteidigte Marie-Luise Dött die hohe Summe mit einem angeblichen Mehrbedarf für Fahrzeug- und Gerätepark, Betriebsüberwachung und Betriebssicherheit. Im übrigen habe ihre Fraktion immer gesagt, "dass die ergebnisoffene Erkundung von Gorleben zu Ende geführt wird".
Ende November unterstrich die Anti-Kernkraft-Bewegung ihre Ablehnung des Standortes Gorleben als Endlager nochmals mit massiven Protesten gegen einen Castor-Transport. Es handelte sich um den letzten Rücktransport von hoch radioaktiven Abfällen aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague, die bis zu einer Endlagerung im Zwischenlager Gorleben verbleiben. Wegen der Behinderungen benötigte der Transport fünf Tage bzw. 125 Stunden, ehe er am 28. November das Zwischenlager erreichte. Die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten waren noch heftiger als im Vorjahr (101110). Insgesamt soll es über 400 Verletzte gegeben haben. Seitens der Polizei wurde vor allem die Gewaltbereitschaft einzelner "autonomer Gruppen" beklagt, von der sich Politiker und Bürgerinitiativen nicht eindeutig distanziert hätten. Die Atomkraftgegner kritisierten ihrerseits das Vorgehen der Polizei: Durch den harten Polizeieinsatz seien 355 Demonstranten verletzt worden, davon fünf schwer.