Juli 2008 |
080708 |
ENERGIE-CHRONIK |
Ein seit zwölf Jahren andauernder Rechtsstreit um das geplante Endlager Gorleben ist jetzt vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugunsten des Bundesamtes für Strahlenschutz entschieden worden. Es geht dabei um den Versuch des Grundbesitzers Andreas Graf von Bernstorff, seine Rechte am unterirdischen Salzstock bei Gorleben geltend zu machen, um den weiteren Ausbau des sogenannten Erkundungsbergwerks und dessen spätere Inbetriebnahme als Endlager zu blockieren. Am 17. Juli wies das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Klage zurück, mit der von Bernstorff die Verlängerung der Zulassung eines bergrechtlichen Rahmenbetriebsplans begehrt hatte, der Erkundungsbohrungen, einen späteren Salzabbau sowie eine Speicherkaverne in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem geplanten Endlager vorsah. Der 7. Senat änderte insoweit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom Februar 2005, das dem Grundbesitzer einen Rechtsanspruch auf Zulassung eines mit Nebenbestimmungen versehenen Rahmenbetriebsplans zuerkannt hatte, weil der Betrieb des etwa 1,5 km entfernten Erkundungsbergwerks Gorleben in seiner Sicherheit nicht gefährdet sei und überwiegende öffentliche Interessen dem Vorhaben des Klägers nicht entgegenstünden. (Aktenzeichen: 7 LC 53/05)
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht betonte demgegenüber das öffentliche Interesse an der Möglichkeit einer weiteren Erkundung des Salzstocks, um einen zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle geeigneten Standort zu finden. Das Interesse des Klägers an der Gewinnung von Salz sei weniger gewichtig. Das öffentliche Interesse finde auch seinen Ausdruck in der Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung vom 25. Juli 2005, die während des Berufungsverfahrens aufgrund von § 9g des 2002 neugefaßten Atomgesetzes erlassen wurde. Sie verbietet rund um das vorgesehene Endlager Gorleben für die Dauer von zehn Jahren alle Veränderungen, welche die Standorterkundung erheblich erschweren könnten. Der beantragte Rahmenbetriebsplan zur Vorbereitung der Salzgewinnung erschwere aber die weiteren Erkundungsarbeiten erheblich, weil das Bundesamt für Strahlenschutz dann den Bereich der Salzgewinnung weiträumig von der Erkundung ausschließen müßte.
Bereits im Juli 1997 beschloß die damalige Bundesregierung aus Union und FDP eine Neufassung des Atomgesetzes, die eine Veränderungssperre sowie die mögliche Enteignung von Grundstücken und Bergrechten vorsah, um die Rechte des Grundbesitzers Andreas Graf von Bernstorff am Salzstock Gorleben auszuhebeln (970701). Die Atomgesetznovelle wurde so auch vom Bundestag gebilligt (980201) und trat trotz des Widerstands im Bundesrat und des Streits um die Zustimmungspflichtigkeit des Gesetzes (980201) am 1. Mai 1998 Kraft. Sie erlangte aber nie praktische Bedeutung, da bei den kurz darauf stattfindenden Bundestagswahlen SPD und Grüne die parlamentarische Mehrheit errangen (980901). Die neue Bundesregierung verwandelte das Atomgesetz, das ursprünglich ein Gesetz zur Förderung der Kernenergie war, grundsätzlich in ein Gesetz zur Beendigung der Kernenergie (020404). Allerdings übernahm sie dabei aus dem alten Atomgesetz die soeben erst eingefügte Ermächtigung für den Erlaß einer Veränderungssperre in Gorleben. Die dem Gesetz vorangegangene Vereinbarung mit den Kernkraftwerksbetreibern vom 14. Juni 2000 sah außerdem die Errichtung von Zwischenlagern an allen KKW-Standorten vor, die bis Anfang 2004 genehmigt wurden (040101). Ein weiterer Punkt der Vereinbarung war der vorläufige Stopp der Erkundungsarbeiten in Gorleben für mindestens drei und längstens zehn Jahre. Durch dieses Maßnahmen-Bündel wurde der Konflikt mit den Gegnern des geplanten Endlagers Gorleben, der vor allem den grünen Koalitionspartner stark belastete, zunächst entschärft und auf die lange Bank geschoben, ohne die Option auf eine spätere Nutzung des Schachtes als Endlager aufzugeben.